Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle zunächst einmal fest, dass sich die Landesregierung, ausweislich des CDU-Finanzministers Möllring und auch des CDU-Fraktionsvorsitzenden, bemüht, den Eindruck, den die Landesregierung bisher in Sachen Schlecker namentlich durch den Wirtschaftsminister gemacht hat, zu korrigieren.

Das ist ein guter Schritt. Das ist immerhin ein Schritt in unsere Richtung. Wir erwarten dringend, dass sich auch das Land Niedersachsen beteiligt.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Be- gründen Sie das einmal! - Norbert Böhlke [CDU]: Das ist für die Arbeit- nehmer, aber nicht für Sie!)

- Das muss man doch erst einmal feststellen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das ist Ihre persönliche Meinung!)

- Das ist nicht nur meine persönliche, sondern leider auch die in den Medien nachzulesende Meinung über die Landesregierung.

Bei der ersten Nachfrage des Landes BadenWürttemberg am 7. März haben nur drei Bundesländer zurückgemeldet, dass sie der Initiative beitreten wollten, und das waren die Hansestadt Hamburg, das Saarland und Thüringen. Niedersachsen war nicht dabei.

(Minister Jörg Bode: Thüringen? - Mi- nister Hartmut Möllring: Nein, Thürin- gen war nicht dabei!)

- So ist es. Das war die dpa-Meldung. Die zitiere ich hier.

(Minister Jörg Bode: Ach so! - Zuruf von der CDU: Das ist falsch! - Weitere Zurufe von CDU und FDP - Glocke des Präsidenten)

Dann haben wir in den Zeitungen des Landes lesen können, dass unser Wirtschaftsminister meint, man sollte nicht mit einer Transfergesellschaft reagieren; diese sei nicht geeignet, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Schlecker ja landesweit verteilt sind und es im Einzelhandel durch

aus noch eine Nachfrage bei der Beschäftigung gibt.

Landesweit mag das, statistisch gesehen, wohl sein, aber sicherlich nicht an den Standorten, an denen nun gerade diese Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer freigesetzt werden. Das ist das Problem. An diesen Standorten und in den betreffenden Regionen ist der Schritt von einem Unternehmen zum anderen eben nicht so einfach möglich.

Bei einem anderen starken Einzelschicksal einer Unternehmensinsolvenz haben wir uns hingegen verpflichtet gesehen einzutreten. Ich erinnere an unser gemeinsames Handeln und unsere Unterstützung bei der Insolvenz von Karmann.

Deswegen beschlich uns tatsächlich zwischenzeitlich das mit dem heutigen Tag zusammenpassende Gefühl, dass Schlecker, weil dort vorwiegend Menschen im Niedriglohnbereich und vorwiegend Frauen tätig sind, für die Regierungsfraktionen eine nicht so hohe Priorität hatte. Es freut mich, dass der Fraktionsvorsitzende, Herr Thümler, heute hier diesem Eindruck entgegengetreten ist.

Allerdings, Herr Minister Möllring, fehlt mir bei Ihren Ausführungen noch eines. Sie haben nämlich bisher nur Sachaufklärung gefordert - dieses und jenes ist noch zu bringen -, aber nicht die Aussage gemacht: Wenn wir die Expertise haben, dass die 71 Millionen Euro gedeckt sind, dann werden wir beitreten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das wäre für uns hier heute eine klare Aussage. Diesen politischen Auftrag kann das Parlament heute der Landesregierung geben - durch Beschluss des SPD-Antrags, der genau dies operationalisiert, der genau dies aussagt. Diese politische Unterstützung des Landtages würde dem Handeln der Landesregierung die Richtung vorgeben.

Wir haben es hier - das ist das Dramatische - mit weit mehr als den 11 000 zu tun, denen jetzt gekündigt wurde. Das Problem ist, dass auch alle anderen - das war zumindest vonseiten des Insolvenzverwalters zu lesen - mit ihren Jobs in den noch für zukunftsfähig gehaltenen und als rentabel eingeschätzten Betrieben von dieser Entscheidung hier abhängen, weil aus Sicht des Insolvenzverwalters die Zwangsläufigkeit besteht: Wenn die jetzt Entlassenen nicht durch eine Transfergesellschaft eine Perspektive bekämen, würden - was naheliegend ist - wegen der plötzlichen Kündigungen, die nur sie und nicht die anderen Beschäftigten treffen,

Kündigungsschutzklagen eingehen, die das eigentlich als lebensfähig eingeschätzte Restunternehmen zusätzlich belasten würden. Mithin würde sich wegen dieser zusätzlichen Belastung kein Investor finden.

Wir als Politik müssen uns also schützend nicht nur vor die 11 000 jetzt akut vor Kündigung stehenden Frauen - und auch einige Männer - stellen; vielmehr müssen wir uns vor alle Beschäftigten bei Schlecker und bei „Ihr Platz“ stellen, weil dieses Problem am Ende tatsächlich diese Dimension annimmt, wenn wir hier heute nicht - durch Beschlussfassung - das politische Signal setzen, dass auch aus Niedersachsen Unterstützung kommt.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, jetzt hat der Kollege Hoppenbrock von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollegin Weisser-Roelle, Kollege Lies, ich denke, Sie machen sich das etwas einfach - und das ist auch die Regel -: Wenn Unternehmen in Schieflage geraten, winkt man schnell und sofort mit Staatsgeldern, obwohl noch gar nicht klar ist, obwohl noch überhaupt nicht geprüft ist, was mit dem Geld geschehen und was gerettet werden kann.

Herr Lies, die Schärfe, die Sie hier in die Diskussion bringen, hat diese Diskussion überhaupt nicht verdient.

(Beifall bei der CDU)

Sie hilft den Mitarbeiterinnen nicht. Sie machen es sich viel zu leicht, wenn Sie hier Wahlkampfreden halten

(Heinz Rolfes [CDU]: Ganz billig!)

und meinen, Sie könnten bei denjenigen punkten, die oben auf der Tribüne sitzen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich denke, wir alle sind uns einig: Die Insolvenz von Schlecker ist für die Mitarbeiterinnen und die Mitarbeiter eine Tragödie. Schon seit Januar bangen sie um ihre Arbeitsplätze.

Aber wir haben es gehört: Die Verhandlungen über die Finanzierung einer Auffanggesellschaft sind gestern ohne konkretes Ergebnis beendet worden. Weil die Zeit drängt, will nun - endlich, muss ich sagen - Baden-Württemberg in die Bürgschaft eintreten.

Es ist richtig, das Niedersachsen und andere Länder die Entscheidung von der Prüfung der lange angeforderten Unterlagen abhängig machen. Wir brauchen ein tragfähiges Konzept. Es ist natürlich Aufgabe der Landesregierung, genau und sorgfältig zu prüfen, wie mit den Steuergeldern in Niedersachsen und anderswo umgegangen wird.

Ich sage Ihnen: Jeder Handwerker, jeder Mittelständler, der Staatshilfe haben will, muss einen prüffähigen Betriebsentwicklungsplan vorlegen. Sonst bekommt er gar nichts. Und hier soll - Ihrem Antrag zufolge - das auf Zuruf passieren, weil die Zeit nun einmal so drängt?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Hoppenbrock, vielleicht darf ich Sie eben unterbrechen. - Meine Damen und Herren, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass das Filmen mit Licht von der Tribüne aus nicht gestattet ist. - Danke.

Herr Hoppenbrock, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren, unbestritten ist doch: Der Niedergang bei Schlecker ist hausgemacht. Das liegt nicht an den Mitarbeitern, sondern hat andere Gründe. Aber während die Wirtschaftsforschungsinstitute die Konjunkturaussichten für den Einzelhandel als positiv einstufen, während es bei der Konkurrenz boomt, ging es mit Schlecker permanent bergab. Falsche Managemententscheidungen, zu viele Märkte mit zu geringen Umsätzen und das denkbar schlechte Image durch den ruppigen Umgang mit den Mitarbeitern führten in der Summe dazu, dass sich viele Kunden den Wettbewerbern zugewandt haben. Die Drogeriekette geriet in eine Schieflage.

Wie oft in solchen Fällen ließen natürlich die Rufe nach Staatshilfe, nach Geldern des Steuerzahlers nicht lange auf sich warten. So forderten die Linke und die SPD in ihren Anträgen reflexartig - sofort - Finanzhilfen von Bund und Land.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Nein, durchdacht!)

Natürlich ist es verlockend, die Steuerschatulle zu öffnen, also anonymes Geld zu geben - Geld, für das sich in der Opposition sowieso niemand so recht verantwortlich fühlt.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Das ist doch nicht richtig! - Zurufe von der LINKEN: Was erzählen Sie da? - Unglaublich!)

Das haben wir bei der Diskussion zur Schuldenbremse gerade in dieser Woche noch einmal erleben müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, alle Erfahrung zeigt doch: Die Bilanz staatlicher Rettungsaktionen ist denkbar schlecht. Beispiele, bei denen der Staat Geld versenkt hat, ohne einen nachhaltigen Effekt zu erzielen, gibt es viele.

Ich denke, wir alle erinnern uns daran, dass sich schon einmal ein Bundeskanzler als Retter eines Baukonzerns bejubeln ließ. Mit den Staatsgeldern im Rücken unterbot Holzmann anschließend genau die Mittelständler, die Handwerker, die mit ihren Steuergeldern diese Rettung überhaupt erst möglich gemacht hatten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es gibt viele weitere Beispiele. Ich will nur Mobilcom und den Maschinenbauer Babcock Borsig nennen. Das alles sind Rettungsversuche von Gerhard Schröder, die erfolglos blieben.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Sprich doch mal zur Sache!)

Die Beispiele zeigen: Wenn das Unternehmenskonzept nicht stimmt, dann helfen auch Steuergelder nicht weiter. Im Gegenteil: Die Staatsgelder bringen zusätzliche Wettbewerbsverzerrungen auf Kosten der gesunden, gut geführten Mitbewerber mit sich. Im Fall Schlecker sind das in erster Linie Rossmann, dm und Müller.