Meine Damen und Herren, das Landesprogramm „Wir machen die Musik!“ ist eine Erfolgsgeschichte. Viele Kinder erhalten durch die Kooperation von Musikschulen mit Kindertagesstätten und Grundschulen einen ersten Zugang zur Musik und damit eine Chance auf kulturelle Teilhabe. Ich danke allen Musiklehrerinnen und Musiklehrern, allen Betreuerinnen und Betreuern in den Kindertagesstätten und allen Lehrerinnen und Lehrern in den Grundschulen, die sich mit so viel Engagement und Herzblut in die musische Früherziehung unserer Kinder einbringen.
Geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Hillmer, auf der verzweifelten Suche nach einem positiven Thema, das die CDU zur Aktuellen Stunde benennen kann,
(Björn Thümler [CDU]: Sie haben kei- nes! - Christian Dürr [FDP]: Das ist unser aller Wohlfühlthema!)
Ich finde es schade, dass das Thema von Ihnen immer nur in Aktuellen Stunden bewegt wird und nicht dann, wenn es um eine wirklich inhaltliche Weiterentwicklung geht.
Aber sei es drum. Ich bin über jede Minute froh, die in diesem Landtag zum Thema „Kulturpolitik“ diskutiert wird. Das tut Ihnen gut. Das tut uns gut. Vor allen Dingen tut es auch der Kulturpolitik gut. Deswegen ist das okay.
Die Leistung der Musikschulen ist enorm. Da gebe ich Ihnen recht, Herr Hillmer. Herr Bredl, der Geschäftsführer des Musikschulverbandes, ist heute hier.
Was die Musikschulen in den letzten Jahren geleistet haben, ist großartig. Sie haben es nämlich geschafft, fernab von den kulturellen Möglichkeiten in den Elternhäusern vielen Kindern einen Zugang zu Musikschulangeboten zu erleichtern, den sie sonst nicht haben.
(Jens Nacke [CDU]: Frau Kollegin, Sie loben ja etwas im Land! Das gibt Mi- nuspunkte in den eigenen Reihen!)
mit dem Angebot für alle Kinder in den Kitas und Grundschulen, das zu tun, was sie bisher getan haben, nämlich Spitzenförderung in der Musik zu generieren und Einzelunterricht zu machen. Denn wir brauchen beides. Wir brauchen eine breite Teilhabe für alle Kinder aus allen Familien. Wir brauchen aber auch gute Spitzenförderung in der Musik. Das macht die Musikschulen aus. Das ist ganz großartig.
Ausruhen, Herr Hillmer und Herr Nacke, darf man sich auf dem „Musikland Niedersachsen“ aber nicht. Es muss schon weitergehen. In Ihrer Rede haben Sie leider völlig ausgeblendet: Es gibt ein paar wesentliche Punkte, um die wir uns kümmern müssen. In der Tat ist das, was wir an Prozentzahl bei Kita- und bei Grundschulkindern erreicht haben, gut. Aber was ist im Weitergang? Was passiert ab 2016, wenn z. B. die jetzige Vereinbarung für die Finanzierung ausläuft? Ist das Musikland ein Strohfeuer, das wir zum Nutzen der jeweiligen Landesregierung abfackeln? Oder werden wir es nachhaltig und verlässlich weiter ausführen? Ich finde, Sie hätten heute auch etwas dazu sagen können, wie es weitergehen soll.
Die Initiative Musikland verpufft aber auch, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir nicht versuchen, den Musikunterricht an den Schulen weiter zu stärken und zu erhalten.
Sie wissen, dass wir in Niedersachsen bis 2017 über 400 Lehrer im Bereich Musikschulen brauchen. Die beiden Minister Wanka und Althusmann haben es in 18 Monaten nicht geschafft, einen einmütigen Beschluss des Landtags umzusetzen, nämlich die Kleine Fakultas, um mehr Musiklehrerinnen und -lehrer an unseren Universitäten auszubilden. 18 Monate! Ich finde, es ist keine großartige Leistung, dass Sie so lange dafür brauchen - um Ihnen das einmal zu sagen.
Welches ist das weitere Problem? - Im jüngsten Erlass zum Thema „Grundschulen“ ist die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Musikschulen explizit herausgenommen worden. Das verstehe ich nicht. Auf der einen Seite schaffen wir es, dass Kita- und Grundschulkinder in Musik gut gefördert werden, auf der anderen Seite bricht im Bereich
Schulen der Musikunterricht zusammen, und im neuesten Erlass ist die Zusammenarbeit sogar explizit herausgenommen worden. Herr Althusmann, sprechen Sie einmal mit Ihren Schulmusikern darüber! Die sind nicht erfreut über das, was da gerade passiert ist.
Als weiteren Baustein brauchen wir eine Sicherung der Qualität in den Musikschulen. Wir haben im Kunstschulbereich ein gutes Zertifizierungs- und offensives Ausbildungsprogramm gestartet. Ich glaube, wir brauchen auch in den Musikschulen eine Qualitätsoffensive, um die gute Arbeit der Musikschulen nachhaltig abzusichern, um auch den Musikschullehrkräften Weiterbildungsangebote zu machen.
Meine Damen und Herren vor allen Dingen von der CDU, Sie gefallen sich in der Politik oft als Feierer der Bilanz, die andere für Sie machen. Es wäre schön, wenn Sie neben dem Feiern ein bisschen mehr gestalteten. Dann würden wir uns hier im Landtag viel öfter und viel intensiver über Kulturpolitik unterhalten können.
Meine Damen und Herren, es hat sich jetzt die Landesregierung zu Wort gemeldet. Frau Professor Wanka!
- Ach, danach; dann habe ich das falsch verstanden. Entschuldigung. - Dann gehen wir in der Reihenfolge vor, in der die Redebeiträge beantragt worden sind. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kommt Frau Heinen-Kljajić.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Projekt „Wir machen die Musik“ ist zweifelsohne eine sinnvolle Initiative der Musikschulen gewesen, und die bisherige Bilanz kann sich ja auch sehen lassen. Das Problem ist allerdings, dass das Projekt auf einem sehr niedrigen Ausgangsniveau aufsetzt.
Gleichwohl war es natürlich höchste Zeit, in der Musikschulpolitik die Kehrtwende einzuläuten. Die Gesamtbilanz des schwarz-gelben Engagements in Sachen Musik sieht nämlich alles andere als rosig aus. Als erste Maßnahme im Bereich der
Musikschulen haben Sie 2004 den mit 2 % ohnehin schon geringen Anteil der Landesförderung um nochmals 25 % gekürzt. Mit einem Anteil von nur noch 1,5 % Landesförderung hielt Niedersachsen daraufhin bundesweit die rote Laterne. Dieser Anteil ist durch die Mittel im Rahmen des Projektes „Wir machen die Musik“ zwar wieder auf 1,8 % gestiegen, aber im Bundesvergleich liegen wir nach wie vor abgeschlagen auf einem der letzten Plätze.
Das geringe Landesengagement macht sich natürlich auch bei der Versorgung in der Fläche bemerkbar. Als vor sechs Jahren das erste Jugendkulturbarometer herauskam, war die Bilanz für Niedersachsen niederschmetternd. Es zeigte sich, dass junge Niedersachsen weit weniger Kontakt zu kulturellen Angeboten haben als Jugendliche anderer Länder. Das wird in diesem Jugendkulturbarometer übrigens auch ausdrücklich für die Musikschulen festgehalten. Begründet wird dieses Defizit mit, wie gesagt, fehlenden Angeboten in der Fläche. Der Handlungsdruck aufseiten des Landes ist also enorm hoch.
Jenseits der Finanzierung haben die Musikschulen aber auch noch das Problem, dass ihnen die Schülerinnen und Schüler davonlaufen. Dank Ganztagsschulen und gestiegenem Leistungsdruck in den Schulen haben immer weniger Schüler Zeit und Muße, nachmittags auch noch in die Musikschule zu gehen. Der Landesverband der Musikschulen hat daraus, wie ich finde, die richtige Konsequenz gezogen, nämlich: Wenn die Jugendlichen nicht zur Musikschule kommen, kommt die Musikschule halt zu den Jugendlichen. Er hat den Vorschlag an das Land adressiert, eine Kooperation mit Schulen und Kitas zu fördern. Das geschieht mit dem Programm „Wir machen die Musik“ nunmehr.
Den Dritten im Bunde, nämlich die kommunalen Spitzenverbände, hat das Land jedoch ungefragt mit in die Verantwortung genommen. Die 50prozentige Kofinanzierung der Personalkosten und die alleinige Übernahme der Sachmittelkosten sind für die Kommunen als Träger der Musikschulen angesichts ihrer Haushaltslage kein Pappenstiel. Obwohl die Nachfrage nach einer Förderung aus dem Programm inzwischen höher ist als das Angebot, beklagen die kommunalen Spitzenverbände - wie ich finde, zu Recht -, dass sich manche Kommunen die Teilnahme einfach nicht leisten können. Im Ergebnis haben wir die Situation, dass das frühmusikalische Bildungsangebot im Land
Ungeklärt ist auch, wie die Kontinuität des Angebotes sichergestellt werden soll. Bisher bleibt es den Musikschulen überlassen, ob sie nach Ablauf einer Klasse oder eines Jahres in der Kita mit dem Programm Schluss machen oder ob es fortgesetzt wird. Auch die Qualität der Angebote - das hat meine Vorrednerin schon angesprochen - wird bisher nicht überprüft. Mithin muss man feststellen: Die Stärke dieses Programms liegt in der Flexibilität während der Startphase. Aber nach dreijähriger Laufzeit ist es nunmehr an der Zeit, die Förderrichtlinien zu konkretisieren.
Außerdem ist festzuhalten - und das ist unser zentraler Kritikpunkt -, dass dieses Programm nicht den Ausfall des Musikunterrichts an den Schulen kompensieren kann.
Einen gerechten Zugang zu kultureller Bildung kann es nur im Schulunterricht geben. Bisher sieht Ihre Bilanz hier aber mehr als mager aus. Schon heute ist Musik ein Mangelfach. Bis 2017 fehlen an niedersächsischen Schulen 658 Musiklehrer. Dieses Problem ist seit Langem bekannt.
Im Oktober 2009, lieber Herr Klare, haben wir hier den Beschluss gefasst, die Landesregierung möge prüfen, ob man nicht auf das Modell des Ein-FachLehrers oder der kleinen Fakultas zurückgreifen könne, um mehr Musiklehrer zu gewinnen. Aber erst zum kommenden Wintersemester wird hier in Hannover an der Uni und an der Musikhochschule ein erster Studiengang mit der kleinen Fakultas starten. Das heißt, Sie haben drei Jahre verschenkt, um den Musiklehrermangel zu beheben.