Protokoll der Sitzung vom 16.09.2008

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Wolfgang Jüttner [SPD])

Ich komme zur These Nr. 4. Der Haushaltsplanentwurf 2009 gibt keinen Aufschluss über ein konzeptionelles, langfristiges und nachvollziehbares Beteiligungsmanagement. Das wirtschaftliche Engagement der Landesregierung ist von tagespolitischer Spontaneität und populistischen Hauptwindrichtungen bestimmt. Es ist ja auch nachvollziehbar, dass sich der Anspruch einer großen Volkspartei, größere Wählergruppen möglichst nicht zu verprellen, nicht immer mit der dogmatischen Privatisierungsideologie der FDP verträgt. Dass man diesen Disput in der Regierungserklärung aber nur einer Scheinlösung zugeführt hat und nun mit allen seinen Unsicherheiten durch die Wahlperiode schleppt, ist den betroffenen Menschen in Niedersachsen nicht zuzumuten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Agieren der Landesregierung in Sachen VW, NORD/LB und in anderen Zusammenhängen ist, gelinde gesagt, verbesserungswürdig. Die Süddeutsche Zeitung analysiert die Strategie des Ministerpräsidenten als ein entschlossenes „Er will, er will nicht, er will, er will nicht“. Über so wegweisende Aussagen, wie „Wir müssten, wenn wir könnten“, kann man doch nur staunen.

(Zuruf von Ministerpräsident Christian Wulff)

- Herr Wulff, das ist in der Tat kein Problem der Intelligenz, sondern es geht um das Problem, dass Sie offensichtlich nicht sagen können, was Sie sagen müssten. Das ist das Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun zur These Nr. 5. Die Bilanzen im Haushaltsplanentwurf 2009 lassen sich durch zusätzliche Einnahmen und stärkere Ausgabenreduzierung verbessern, auf die die Landesregierung verzichtet hat. Hier werden wir über Verbesserungen bei der Steuerprüfung, diverse Vorschläge des Landesrechnungshofes, Subventionskürzungen und vieles andere mehr zu sprechen haben. Diese Detaildiskussion werden wir aber im Fachausschuss führen müssen. Wir werden Ihnen unsere Vorschläge dort

vorlegen. Sie können sicher sein, Herr Rickert, dass es Vorschläge sein werden, die seriös und realpolitisch sind und mit denen auch realistische Deckungsvorschläge verbunden sind.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Das wäre neu!)

Die Wolkenkuckucksheime überlassen wir gerne Ihnen.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der LINKEN)

Die Fraktionen sind übereingekommen, direkt im Anschluss an die Behandlung der Tagesordnungspunkte 3 und 4 den Tagesordnungspunkt 29 - Härtefallkommission -, der morgen Abend aufgerufen werden sollte, zu behandeln und dann die Tagesordnung weiter abzuwickeln.

Ich rufe jetzt den nächsten Redner zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4 auf. Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst eine Antwort an Ihre Adresse, Herr Rickert. Sie haben vorhin gesagt, unsere Fraktion würde alles über Schulden finanzieren wollen. Dabei sind Sie von Ihrem Redemanuskript ausgegangen. Es ist immer ein Nachteil, wenn man nach dem Redemanuskript vorgeht. Hätten Sie das berücksichtigt, was Herr Dr. Sohn in seiner Rede gesagt hat, hätten Sie also spontan reagiert, dann hätten Sie so etwas nicht sagen dürfen; denn Herr Dr. Sohn hat gesagt, dass wir keinesfalls Schulden um jeden Preis machen wollen und dass wir zur Finanzierung unserer Ausgaben, die wir vorsehen, auch entsprechende Einnahmen in unseren Alternativhaushalt einstellen werden. Er hat auch gesagt, wo das Geld zu holen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Althusmann, Ihnen ist in Ihrer Rede ein freudscher Versprecher unterlaufen. Sie sagten an einer Stelle - dort sind auch Sie von Ihrem Redemanuskript abgewichen -: Packen wir es behartzt an.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Ich ha- be „beherzt“ gesagt!)

- Ich habe „behartzt“ verstanden. Sie haben vielleicht „beherzt“ gemeint. Das räume ich Ihnen ja ein.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Mögli- cherweise haben Sie eine freudsche Fehlleistung begangen!)

Wir befürchten ja gerade, dass die Hartz-Politik, die diesem Land schon genug Unheil gebracht hat, jetzt auch noch in Niedersachsen fortgesetzt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Althusmann, ich will noch auf etwas anderes hinweisen, was Sie gesagt haben, als Sie von Ihrem Redemanuskript abgewichen sind; denn da wurden Sie etwas spontaner. Sie haben an einer Stelle von noch kleineren Klassen in Niedersachsen gesprochen. Meine Frau ist Lehrerin an einer Realschule in Niedersachsen. Sie könnte Ihnen etwas dazu erzählen. Unterrichten Sie einmal vor 32 Schülerinnen und Schülern, weil die Teilungsgrenzen so erbärmlich sind.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Unter diesen Umständen ist ein vernünftiger pädagogischer Unterricht überhaupt nicht möglich. Das ist das Dilemma in diesem Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Man kann dann doch nicht von „noch kleineren Klassen“ reden. Das ist angesichts der Verhältnisse, die hier herrschen, doch einfach Zynismus.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Sie reden nur über die Verhältnisse, wie sie zum Teil an den Gymnasien gegeben sind!)

- Ich rede über die Verhältnisse an der Realschule Varel.

Herr Althusmann, Sie haben es in Ihrer Rede hier so darzustellen versucht, als ob der Rückgang der Arbeitslosigkeit in diesem Lande, den Sie hier mit Zahlen belegt haben, etwas mit Ihrer Politik zu tun hat.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Selbst- verständlich!)

Man kann immer beobachten, dass jedes Mal, wenn es aufgrund der konjunkturellen Entwicklung einen Rückgang der Arbeitslosigkeit gibt, die jeweilige Regierung so zu tun versucht, als hätte das etwas mit ihr zu tun. In Wirklichkeit ist das nicht der

Fall. In Wirklichkeit müssten Sie eigentlich einmal über ein anderes Problem nachdenken.

Der vorgelegte Haushaltsentwurf basiert auf der Steuerschätzung des Arbeitskreises Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres. Jeder, der den Wirtschaftsteil unserer Zeitungen mit einer gewissen Aufmerksamkeit liest, weiß aber, dass das konjunkturelle Hoch, das für die Steuermehreinnahmen verantwortlich war, längst nicht mehr besteht und dass wir im Gegenteil bereits einem konjunkturellen Abschwung entgegensteuern. Das wird natürlich zu Steuermindereinnahmen führen, die Sie in diesen Haushalt aber noch nicht eingerechnet haben, weil Sie von den Zahlen vom Mai dieses Jahres ausgegangen sind. Das ist so üblich. Das weiß ich. Ich will es Ihnen auch gar nicht zum Vorwurf machen. Sie müssen aber das Problem erkennen. Das nächste Ergebnis des Arbeitskreises Steuerschätzung wird Ihnen im November vorliegen. Dann werden Sie erkennen, dass Sie nicht mehrere Ziele gleichzeitig erreichen können. Sie können nämlich nicht gleichzeitig die Krippenförderung ausbauen, die Kindergartenbeiträge senken und 500 zusätzliche Lehrerstellen schaffen, um das Problem der Arbeitszeitkonten zu lösen. Das alles werden Sie nicht schaffen können, wenn Sie gleichzeitig die Nettoneuverschuldung im Jahre 2010 auf null bringen wollen. Sie werden dann ein Problem bekommen. Diesem Problem sollten Sie sich ehrlicherweise schon jetzt stellen, statt immer wieder Luftblasen von sich zu geben und Propaganda zu betreiben.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Mit Propaganda kennen Sie sich ja aus!)

Zu diesen Tagesordnungspunkten liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir sind am Ende der Beratungen und kommen zur Ausschussüberweisung der Vorlagen unter den Tagesordnungspunkten 3 und 4.

Die Vorlagen sollen federführend dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen und mitberatend allen Fachausschüssen überwiesen werden. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Damit sind die Vorlagen überwiesen.

Wir kommen nun verabredungsgemäß zu Tagesordnungspunkt 29:

Zweite Beratung: Härtefallkommission beibehalten und nach humanitären Grundsätzen umgestalten - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/266 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sport und Integration - Drs. 16/403

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Frau Polat hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entscheidung ist bereits gefallen. Das Kabinett hat eine neue Verordnung für die seit Ende 2006 existierende Härtefallkommission gebilligt. Leider stellen wir fest: Die Landesregierung hat nicht im Ansatz die Forderungen der Verbände aufgenommen, die auch wir in unserem Antrag formuliert haben. Das ist ein Armutszeugnis dieser Landesregierung, meine Damen und Herren, ein Armutszeugnis für die Flüchtlingspolitik wieder einmal in diesem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Ziel, das Sie in Ihrem Koalitionsvertrag formuliert haben, ist verfehlt. Ich zitiere:

„Die Annahme einer Eingabe durch die Härtefallkommission des Niedersächsischen Innenministeriums, die sich auch auf Familienangehörige einer von der Härtefallregelung ausgeschlossenen Person bezieht, soll erleichtert werden. Das Quorum für die Annahme eines Härtefallersuchens soll geändert werden.“

Dieses Ziel, meine Damen und Herren, wurde verfehlt. Traurig, aber wahr. Denn die Hoffnungen waren wirklich groß. Leider scheinen sich wieder einmal die Hardliner in Fraktion und Regierung durchgesetzt zu haben, unter Billigung des Ministerpräsidenten und leider auf Kosten vieler Menschen in diesem Land, die ihre letzte Chance in diesem Gremium sehen.