Protokoll der Sitzung vom 16.09.2008

Für die Linke ist es schon bemerkenswert, wenn die Forderung nach einer monistischen Finanzierung nicht mehr Gegenstand des vorgelegten Referentenentwurfs der Gesundheitsministerin ist. Allerdings trauen wir Linke diesem Frieden nicht; denn in der hiesigen Landtagsfraktion der SPD wird die Abkehr vom dualen System, der Förderung unserer Krankenhäuser à la Herrn Rürup, immer wieder ins Spiel gebracht, sodass wir uns sicher sind, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Die Linke möchte, dass das Land seinen Teil der Verantwortung für die Sicherung und den Erhalt unserer Krankenhausversorgung trägt und sich auch mit aller Vehemenz in Berlin dafür einsetzt. Da kann und darf es nicht sein, dass die Beratung dieses Referentenentwurfs in Abwesenheit unserer Ministerin Ross-Luttmann stattfindet. Aus der Sicht der Linken hat sie an dieser Stelle die falschen Prioritäten gesetzt. Ich finde das schade.

Die Finanzierung der Krankenhausinvestitionen ist und bleibt eine öffentliche Aufgabe. Krankenhäuser und die Gesundheitsversorgung sind fundamentale Bestandteile der Daseinsvorsorge. Die Kosten dürfen hierbei nicht nur auf die Beitragszahler in den gesetzlichen Krankenkassen abge

wälzt werden. Die öffentliche Daseinsvorsorge ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, das es gemeinsam zu lösen gilt. Die Vorschläge der Linken, der Gewerkschaften, der Beschäftigten und der Arbeitgeber sind finanzierbar und umsetzbar. Wir fordern von Herrn Wulff und seiner Regierung, dass sie sich endlich ihrer Verantwortung bewusst werden und entsprechend handeln; denn wir spielen hier nicht Schwarzer Peter, sondern wir sprechen hier über die Zukunft der Gesundheitsversorgung im Lande.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile der Kollegin Mundlos von der CDUFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gesundheitspolitik steht derzeit hoch im Kurs. Das liegt auch daran, dass wir vor einschneidenden Veränderungen im System insgesamt stehen.

Ein letztes Wort zum Gesundheitsfonds. Herr Schwarz, auf der Bundesebene die Dinge an der Spitze voranzutreiben und hier in Niedersachsen in die Büsche zu schlagen, ist, ehrlich gesagt, meiner Meinung nach nicht so gut.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch von Uwe Schwarz [SPD])

Ein weiteres Thema ist die Krankenhausfinanzierung. Ich will hier ganz klar und deutlich sagen: Niedersachsen nimmt seine Verantwortung ernst und wird ihr auch gerecht. Unsere Ministerin hat hier einen sehr guten Einsatz gezeigt, Maßstäbe gesetzt und sich gegen die Pläne von Ulla Schmidt verwahrt, und zwar mit einem sehr guten Ergebnis.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Pläne von Ulla Schmidt wären in der Tat negativ für Niedersachsen. Das ist selbst im RürupGutachten wiederzufinden, in dem steht, dass das monistische System unerwünschte Konsequenzen für ein Flächenland wie Niedersachsen hätte, weil es hier auch strukturschwache Gebiete gibt. Damit wäre die Versorgung gefährdet. Dies wäre gerade für unsere Bürgerinnen und Bürger in der Fläche schlecht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, alle Bundesländer sind sich einig. Dazu will ich hier

fünf Punkte hervorheben: Erstens: Ein klares Ja zu einem pauschalierten Entgeltsystem für psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser. Zweitens: Ja zu einer anteiligen Finanzierung bei Neueinstellungen von Pflegekräften. Drittens: Ja zu einer anteiligen Finanzierung der Tarifsteigerung. Viertens: Ja zu einem einheitlichen Basiswertkorridor. Fünftens: Ja zu einem Orientierungswert für den Krankenhausbereich. - Das entspricht in etwa der Forderung: Der Deckel muss weg!

Aber genauso gilt: ein klares Nein zu einer Investitionspauschale als Regelfinanzierung; denn das wäre nicht leistungsgerecht und würde keine Steuerungsmöglichkeiten für das Land beinhalten. Dagegen werden wir auch weiterhin kämpfen.

Fazit: Erstens. Wir stehen zu Verbesserungen bei Investitionen und zum Auffangen von Tarifsteigerungen. Zweitens. Wir stehen zu einer guten medizinischen Versorgung, die ihren Preis hat, die aber auch in der Fläche vorhanden sein muss. Drittens. Wir stehen dazu, dass man den Beitragssatz nicht aus den Augen verlieren darf, damit Versicherte am Ende nicht das bezahlen, was Ulla Schmidt bestellt hat. Viertens. Länder, die weiterhin den Sicherstellungsauftrag haben sollen, müssen auch die Hoheit über die Investitionen behalten, müssen ihren Einfluss auch wahrnehmen können. Das ist mir besonders wichtig. Sie sind näher dran, sie wissen besser, was die Menschen wollen, und das ist gut so.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ein letztes Wort zum Haushaltsplanentwurf 2009: 278,3 Millionen Euro sind darin für die Krankenhäuser zu finden gegenüber 186 Millionen Euro in 2003 - letzter Haushalt der SPD. Das muss auch einmal gesagt werden.

(Klaus Rickert [FDP]: Hört, hört!)

Die Linken sind bei dieser Thematik - und nicht nur bei dieser Thematik - notorische Angstmacher, sie sind Politpessimisten. Das schadet unserer Gesellschaft insgesamt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung wird ihrer Verantwortung gerecht; sie hat Weitsicht bewiesen. Das wird sie auch künftig so handhaben. Das ist besser für unsere Krankenhäuser, besser für Patienten und Bürger, besser für uns alle.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile der Kollegin Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich empfehle Ihnen die Lektüre der Internetseite www.krankenhaus-sorgen.de. Am 12. August dieses Jahres schrieb dort eine Patientin aus Niedersachsen:

„Vor einigen Monaten war ich in einem Krankenhaus in Hannover. Alle Betten waren belegt (im Dreibett- Zimmer lagen wir zu fünft!). Ein Bett war belegt mit einer alten Dame, die aus dem Pflegeheim kam und sich nicht selbst versorgen konnte. Offensichtlich war die Personaldecke so dünn, dass die Schwester morgens ihrer Kollegin vorschlug, die Frau nicht zu waschen wegen zu viel anderer Aufgaben. Die Kollegin gab dann zu bedenken, dass aber heute Visite sei. Daraufhin fragte die Schwester uns andere Patienten, ob jemand von uns ein Deo dabei hätte. So wurde die alte Dame nicht gewaschen, sondern mal eben mit Deo eingesprüht. Seitdem bete ich, dass ich nie ins Krankenhaus komme und auf die Pflege angewiesen sein werde.“

Meine Damen und Herren, das ist kein Einzelfall. Pflegekräfte im ganzen Land klagen darüber, dass sie ihre Arbeit nicht mehr schaffen, dass die Krankenhäuser chronisch unterfinanziert sind. Wollen wir das? Wollen wir die Augen davor verschließen, dass Menschen, die in der Pflege arbeiten, die dies gerne tun und auch tun wollen, ihre Arbeit nicht mehr schaffen und dass sich Kranke fürchten, in ein Krankenhaus zu gehen, aus Angst, dort nicht richtig versorgt zu werden?

Ich glaube, es ist wirklich höchste Zeit, dass sich etwas ändert. Das Aktionsbündnis, das sich zusammengeschlossen hat und kurz- bis langfristige Änderungen zum Wohle der Patientinnen und Patienten fordert, verdient unsere ganze Unterstützung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es fordert zu Recht Verbesserungen, und wir teilen seine Kritik. Die Krankenhäuser sind definitiv unterfinanziert. Das ist keine Spinnerei, sondern es geht hier um das A und O, nämlich um die Gesundheit. Auf der einen Seite müssen die Krankenhäuser mit einem gedeckelten Budget zurechtkommen, sie müssen Pauschalkürzungen hinnehmen. Auf der anderen Seite steigen die Energiekosten, die Mehrwertsteuer ist gestiegen, und die Lohnkosten steigen auch. Das kann nicht funktionieren, meine Damen und Herren.

In der Folge hat es in den vergangenen Jahren einen massiven Stellenabbau, insbesondere in der Pflege, gegeben - bei einem gleichzeitigen Anstieg der Patientenzahlen. Da stellt sich schon die Frage: Welchen Qualitätsanspruch haben wir an Krankenhäuser, und welchen Pflegebegriff haben wir?

Man kann nicht hinnehmen, dass in immer mehr Krankenhäusern unter Tarif bezahlt wird. Da nutzt auch kein weiterer runder Tisch. Vielmehr brauchen wir endlich ein transparentes Personalkostensystem. Wir brauchen die Abbildung der Personalkosten und insbesondere der Steigerungen der Kosten, die das Personal verursacht, in der Krankenhausfinanzierung.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)

Die Krankenhäuser brauchen Entlastung. Deswegen müssen die Pauschalkürzungen zurückgenommen werden, und der Deckel muss weg. Auch die Grundlohnsummenanbindung muss weg.

Am 25. September wird eine, wie ich glaube, eindrucksvolle Demonstration von Pflegekräften in Berlin stattfinden. Ich hoffe, dass sie ein Signal aussenden wird. Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen, die zu dieser Demonstration fahren und sagen: Uns reicht es jetzt. Man muss uns endlich einmal hören. Wir haben lange genug geschwiegen. - Ich wünsche dem Aktionsbündnis viel Erfolg.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, natürlich ist auch das Land in der Pflicht. Man darf jedoch nicht so tun - wie es manchmal auch die LINKE tut -, als ob mehr Investitionen der Länder gleichzeitig eine Verbesserung der Situation in der Pflege bedeuteten. Das darf man den Menschen nicht suggerieren. Das ist nicht so. Das schafft keine einzige Stelle. Gleichwohl tut Niedersachsen zu wenig. Der zehnte Platz - wenn es denn der zehnte ist; man kann die Zahlen natürlich immer so und so dre

hen - ist zu wenig. Das finde ich zu wenig ehrgeizig. Hier muss Niedersachsen mehr tun.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile der Kollegin Meißner von der FDPFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass die Krankenhäuser unterfinanziert sind, streitet niemand ab. Es stellt sich allerdings die Frage, worin die Ursachen dafür liegen. Eine Ursache liegt z. B. im demografischen Wandel: Immer mehr Menschen brauchen eine Gesundheitsversorgung, aber immer weniger zahlen in die Kassen ein. Darauf müssen wir uns einstellen - insofern kann ich an den von der FDP beantragten ersten Teil der Aktuellen Stunde anknüpfen -, aber das ist in unserem derzeitigen Gesundheitssystem nicht wirklich möglich.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich kann nur bestätigen: Der Deckel muss weg. Da gebe ich den Linken recht. Das habe ich auch schon beim letzten Mal getan, als wir über das Thema Krankenhausfinanzierung diskutiert haben.

Dabei muss man aber bedenken, wie das System insgesamt funktioniert. Herr Böhlke, Sie hatten die Aussage des Wirtschaftsrats angeführt, dass es gut wäre, wenn der Gesundheitsfonds erst einmal eine Probephase durchlaufen würde. Dem stimme ich zu. Wenn die Paste erst einmal aus der Tube raus ist - wenn also der Gesundheitsfonds jetzt kommt -, dann bekommt man sie bekanntlich nicht wieder rein. Von daher: Setzen Sie sich für eine Probephase ein! Vielleicht kann man dann noch etwas verhindern.

Ulla Schmidt schwebt vor, dass auch die Krankenhausfinanzierung über den Gesundheitsfonds erfolgen soll, d. h. zentral. Sicherlich kann auch einmal etwas, was zentral erfolgt, gut funktionieren. Aber das, was hier geplant ist - nämlich insgesamt 5 Milliarden Euro bundesweit einzuziehen, in den Gesundheitsfonds einzuspeisen und dann nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten an die einzelnen Krankenhäuser zu verteilen -, ist gerade für ein Flächenland wie Niedersachsen gefährlich. Denn das würde bedeuten, dass ein kleines Krankenhaus an einem ländlichen Standort - das wir brauchen, um die Gesundheitsversorgung vor Ort

zu sichern - nicht mit einem großen Krankenhaus in einem Ballungszentrum mithalten könnte. Es würde hinten runterfallen, und die Versorgung wäre nicht mehr sichergestellt. Genau das wollen wir aber nicht. Deshalb sind wir ganz vehement gegen eine monistische Finanzierung, die bedeuten würde - so, wie sie konzipiert ist -, dass nur nach vom Bund festgelegten einheitlichen Kriterien entschieden wird, wohin die Mittel fließen sollen. Dann bekämen z. B. auch die Krankenhäuser auf den Inseln nie einen Cent, weil es sich überhaupt nicht lohnt, dort Krankenhäuser zu betreiben.

Wir brauchen also eine Differenzierung. Im Moment - das wurde schon in einer der vorigen Plenarsitzungen gesagt - unterliegen die Krankenhäuser einer Art Planwirtschaft mit gedeckelten Sätzen, mit einem gedeckelten Budget. Dem gegenüber steht die Marktwirtschaft mit steigenden Kosten, die die Krankenhäuser selber gar nicht beeinflussen können. Das kann nicht funktionieren. Deswegen muss in der Tat etwas geändert werden.

Ich denke aber, dass Niedersachsen mit seinem Programm - Stichworte „mehrjährige Krankenhausplanung“ und „Krankenhausfinanzierung“ - den richtigen Weg geht. Wir haben so viele Betten abgebaut wie erforderlich, um die Krankenhäuser wirtschaftlich aufzustellen und die Menschen trotzdem zu versorgen.