Protokoll der Sitzung vom 16.09.2008

Frau Helmhold, hier Einzelfälle darzustellen, ist nicht besonders hilfreich;

(Zustimmung bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das zeigt die Si- tuation!)

denn im Großen und Ganzen werden die Leute gut versorgt. Natürlich ist es bedauerlich, wenn etwas nicht funktioniert. So etwas gibt es aber in allen Bereichen. Das sind die sogenannten schwarzen Schafe.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Nein!)

Im Großen und Ganzen haben wir in Niedersachsen eine gute Versorgung. Trotzdem müssen wir etwas dafür tun, dass die Pflegekräfte gerne dort arbeiten - wir werden ja übermorgen noch über Pflege reden - und dass die Krankenhäuser genügend Geld zur Verfügung haben.

Was die Deckelung angeht: Die Steigerung des Budgets um 0,64 % ist viel zu gering. Schließlich entfallen 0,5 % dieser Steigerung auf den Solidarbeitrag der Krankenhäuser zur Finanzierung des

maroden Gesundheitssystems. Mithin bleibt nur eine Steigerung um 0,14 %. Bei 8 % Lohnsteigerung, Mehrwertsteuererhöhung und höheren Energiekosten ist klar, dass das nicht reichen kann.

Trotzdem bleibe ich dabei, dass eine Umstellung des Systems dieses Problem nicht lösen würde; denn das Geld müsste trotzdem aus den Ländern kommen. Sicherlich kann man darüber nachdenken, ob wir als Land mehr Geld für Krankenhausinvestitionen aufbringen können, um die Krankenhäuser noch besser aufzustellen. Aber dann sollten wir auch hier im Land darüber entscheiden können, wo das Geld bleiben soll, wo es im Interesse der Menschen in einem Flächenland wie Niedersachsen am sinnvollsten eingesetzt wird, damit jeder, der akut eine Krankenhausversorgung braucht, beispielsweise bei einem Herzinfarkt, sie auch rechtzeitig bekommt.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile dem Kollegen Schwarz von der SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Mundlos, Ihr Bild, ich würde mich in die Büsche schlagen, passte nicht, weil der Busch ein extrem durchsichtiger wäre. Schließlich gibt es kaum ein Thema, bei dem ich mich sowohl hier als auch auf Bundesebene so deutlich positioniert habe wie beim Gesundheitsfonds. Aber das nur nebenbei.

Die Fraktion der Linken zielt mit ihrem Antrag für die Aktuelle Stunde zwar im Wesentlichen auf das Land, aber da Herr Humke-Focks auch ein paar einleitende Bemerkungen zum Bund gemacht hat, will ich dazu auch kurz etwas sagen.

Erstens. Herr Humke-Focks, Sie haben uns einen Antrag vorgelegt, in dem Sie uns mitteilen, dass im Zuge einer zukunftsweisenden Finanzierung der Krankenhäuser in Deutschland die DRGs wieder abgeschafft werden sollen. Ich sage Ihnen: Das Ergebnis wäre Chaos hoch drei. Das wird Ihnen auch jeder aus der Krankenhausszene bestätigen

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Reali- tätsverleugnung!)

Zweitens sagen Sie, man müsse nur die Vermögensteuer ausreichend erhöhen, dann könne man das alles finanzieren. Ich kenne so etwas von früher. Damals war es der Jäger 90, bei Ihnen ist es die Vermögensteuer. Wir reden aber über einen

Investitionsstau von 10 Milliarden Euro in den deutschen Krankenhäusern. Sie streuen an dieser Stelle den Menschen Sand in die Augen. Ihre Vorschläge und Forderungen zur Krankenhausfinanzierung sind so unredlich, dass man sie gar nicht ernst nehmen kann.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Die Überschrift Ihres Antrages lautet: „Krankenhausfinanzierung - Wird das Land seiner Verantwortung gerecht?“. Die Antwort ist ganz einfach: Nein, wird es nicht. Anders, als es Frau Mundlos hier gerade dargestellt hat, ist Niedersachsen in der Krankenhausfinanzierung mit großem Abstand Schlusslicht.

In Niedersachsen betragen die Fördermittel pro Fall 82 Euro, der bundesweite Durchschnitt liegt bei 163 Euro, und notwendig wären 297 Euro, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE])

- Da brauche ich Ihre Rede nicht zu lesen. Die Zahlen stehen in den Statistiken der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und sind auch beim Landesamt für Statistik und beim Statistischen Bundesamt nachzulesen. Wenn Frau Mundlos diese Zahlen von ihrer Regierung bekommen würde, könnte sie hier auch mit den richtigen Zahlen operieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Pro Bett werden im Bundesdurchschnitt 5 700 Euro Fördermittel gezahlt. Das finanzschwache Nachbarland Sachsen-Anhalt zahlt 9 900 Euro, Niedersachsen zahlt 2 988 Euro. Auch da sind wir mit Abstand Schlusslicht. Übrigens haben die SPD-Regierungen in den letzten beiden Jahren ihrer Regierungszeit zwischen 5 000 und 4 200 Euro gezahlt. Ihr früherer Sozialminister Hermann Schnipkoweit pflegte bei solchen Gelegenheiten zu sagen: „Vor der Hacke ist es dunkel.“ Ihre Krankenhauspolitik ist zwischenzeitlich stockdunkel, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Allein im Krankenhauswesen haben wir einen akuten Investitionsstau von einer halben Milliarde Euro, so die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft. Insgesamt beträgt der Investitionsstau weit über 1 Milliarde Euro. Zwischenzeitlich gehen die Krankenhäuser dazu über, ihre Pauschalmittel an

zusparen, um Notmaßnahmen finanzieren zu können.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann übernimmt den Vorsitz)

Eine schallendere Ohrfeige aus den Krankenhäusern als diese rechtswidrige Systematik können Sie als Sozialministerin nicht mehr bekommen, Frau Ross-Luttmann.

(Beifall bei der SPD)

Sie geben 120 Millionen Euro pro Jahr aus. Diese Summe haben Sie festgeschrieben. Die Einzelsumme nennen Sie nie. Sie nennen immer die Pauschale über fünf Jahre; denn das hört sich besser an. Aber auch mit diesen 120 Millionen Euro sind wir Schlusslicht in der Republik. Damit können Sie maximal drei bis vier Krankenhäuser in Niedersachsen sanieren.

Die Konsequenz daraus kann man bereits erkennen: Wir machen zurzeit in Niedersachsen eine weitere Privatisierungswelle bei den Krankenhäusern durch. Diese Entwicklung wird übrigens beschleunigt durch einen Innenminister, der den Kommunen im Rahmen von Haushaltsgenehmigungen entweder die Bürgschaften für die öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern verweigert oder ihnen die Auflage aufdrückt, in ein öffentliches Interessebekundungsverfahren zu gehen, damit diese so schnell wie möglich privatisiert werden. - Sie sind zurzeit dabei, die Krankenhauslandschaft in Niedersachsen ganz einseitig auf Privatisierung auszurichten. Mit Trägervielfalt hat das überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

- Ich weiß genau, wovon ich rede. Kommen Sie einmal nach Südniedersachsen, da kann ich Ihnen das zeigen.

Meine Damen und Herren, als Letztes will ich Ihnen dazu sagen: Wenn ich als Land das alles besser machen will, dann muss ich sehr viel Geld in die Hände nehmen und die Forderungen auch durchsetzen. Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, Frau Ross-Luttmann, dann fordere ich Sie auf, endlich die Gespräche mit dem Bund aufzunehmen und dort für anständige Kompromisse zu sorgen. Das, was Sie anlässlich des Krankenhausgipfels am 5. September gemacht haben, nämlich sich in die Ecke zu setzen und zu schmollen - Sie sind gar nicht erst hingefahren -, ist politisch unverantwortlich

(Norbert Böhlke [CDU]: Ein ganz deut- liches Zeichen!)

und kann nicht im Interesse der Patientinnen und Patienten liegen. Im Übrigen sind Sie mit einer solchen Handlungsweise absolut politikunfähig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Frau Mundlos von der CDU-Fraktion hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schwarz, vielen Dank! Sie sind berechenbar. Sie betreten permanent die Statistikspielwiese. Damit lösen Sie aber keine Probleme, und damit überzeugen Sie weder die Patienten noch die Krankenhausbetreiber. Von 1991 bis 2005 war Niedersachsen auf dem vorletzten Platz mit 72 000 Euro je Bett und Platz. In 2006 waren es 82 000 Euro. Ich sage Ihnen: Wer den Haushalt an die Wand gefahren hat, wer in 13 Jahren den Investitionsstau mit provoziert hat, der kann nicht erwarten, dass eine Landesregierung, bei allem Engagement, das in fünf Jahren repariert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Detlef Tanke [SPD]: Fünf Jahre sind eine lange Zeit! Eine schlechte Bilanz in fünf Jahren!)

Meine Damen und Herren, die nächste Rednerin ist Frau Ministerin Ross-Luttmann. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Der Deckel muss weg!“, so lauteten die Schlagzeilen in den Medien in den vergangenen Wochen und Monaten. Wenn Sie, so wie ich, viele Gespräche mit Krankenhausträgern geführt haben, dann wird Ihnen das immer wieder deutlich vor Augen geführt. Deshalb, sehr geehrte Frau Helmhold, bin ich Ihnen auch dankbar, dass Sie dieses Beispiel genannt haben. Es klemmt nämlich an einem ganz existenziell wichtigen Punkt der Krankenhäuser. Die Krankenhäuser formulieren sehr deutlich: Wir stehen jetzt seit 15 Jahren unter einem Deckel. Wir haben alle nur möglichen Wirtschaftlichkeitsreserven gehoben und sind jetzt an

einem Punkt angelangt, wo wir unsere Ausgaben nicht mehr mit den von den Kassen zur Verfügung gestellten Mitteln ausgleichen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Länder haben sich einstimmig - unisono, egal, welche Parteien die Landesregierung stellt - dafür eingesetzt, dass die Krankenhäuser sofort und unverzüglich entlastet werden sollen. In dem Zusammenhang war auch das Thema Pflege ganz existenziell wichtig. Wir wollten eine Entlastung der Krankenhäuser auch im Bereich der Pflege, und natürlich müssen unsere Krankenhäuser, wenn sie zukunftsorientiert aufgestellt sein wollen, auch genügend Mittel zur Verfügung haben, um ihre notwendigen Betriebsausgaben bestreiten zu können. Da erwarte ich schon, dass der Bund seiner Verantwortung gerecht wird.

Aber man muss das Ganze natürlich sehr differenziert betrachten. Der Bund hat auf der einen Seite auf Beitragssatzstabilität zu achten, damit unsere Versicherten nicht weiter belastet werden, und auf der anderen Seite berechtigten Interessen der Krankenhäuser und der Ärzte Rechnung zu tragen, insbesondere wenn die Krankenhäuser, wie in diesem Haus mehrfach vorgetragen, mit steigenden Tarifen, Energiekosten und Sanierungsbeiträgen belastet sind; denn für diese zusätzlichen Belastungen können sie nichts, sie bekommen aber auch keinen Ausgleich.

Ich möchte, dass der Bund seiner Verantwortung gerecht wird. Aber dann müssen selbstverständlich auch die Länder ihrer Verpflichtung gerecht werden.

(Zuruf von der LINKEN: Das ist doch Ihr Part!)

So wie der Bund in einem Spannungsverhältnis steht, steht natürlich auch jedes Land in dem Spannungsverhältnis zwischen der Haushaltskonsolidierung - das heißt, im Interesse aller späteren Generationen nicht mehr auszugeben, als wir einnehmen - und dem berechtigten Interesse der Krankenhäuser, Investitionen tätigen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns ist zentral, dass Krankenhäuser auch künftig ihre Investitionen bedarfsgerecht vorantreiben können. Die Krankenhäuser und die Länder wissen am besten, in welchen Kliniken es welchen Bedarf gibt. Niedersachsen ist sich seiner Verantwortung sehr wohl bewusst. Wir in Niedersachsen sind einen sehr erfolgreichen Weg gegangen. Wir haben im Zeitraum von 2004 bis 2010 insgesamt

840 Millionen Euro für erforderliche Strukturveränderungen der niedersächsischen Krankenhäuser bereitgestellt.