Protokoll der Sitzung vom 16.09.2008

(Norbert Böhlke [CDU]: Hört, hört! Das sind nackte Fakten!)

Wir können natürlich Statistiken bemühen. Aber ich glaube, es ist nicht entscheidend, auf welchem Platz wir stehen. Wir sind auf Platz 10. Aber entscheidend sind vielmehr die Strukturen, die in den Ländern durchaus unterschiedlich sind. Unsere Häuser in Niedersachsen sind hervorragend aufgestellt. Ich glaube, dass Niedersachsen mit unserer Herangehensweise, in die Aufstellung effizienterer Strukturen in den Häusern zu investieren, den richtigen Weg gegangen ist. Damit stellen wir gerade mit Blick auf den Demografiefaktor eine wohnortnahe Akutversorgung sicher.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich haben Krankenhäuser bei der Gesundheitsversorgung einen zentralen Stellenwert. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels werden sie für die Länder noch wichtiger. Wenn der Bund den ordnungspolitischen Rahmen jetzt neu regelt, dann stehen wir für alles, was die Krankenhäuser entlastet und ihnen ermöglicht, sich besser aufzustellen.

(Zustimmung bei der CDU)

Eine Pauschalierung - mit der Gießkanne über alle Krankenhäuser - will ich nicht. Ich möchte schon, dass Niedersachsen weiterhin seinem Sicherstellungsauftrag nachkommen, planen und steuern kann. Der Planungsausschuss, in dem auch Vertreter der Krankenhäuser sitzen, soll klar sagen, für welche Maßnahmen welche Mittel erforderlich sind. Wir würden den Wettbewerb verzerren, wenn wir jetzt jedem Krankenhaus pauschal Mittel zur Verfügung stellten, mit der Folge, dass die Krankenhäuser, bei denen schon gute Investitionen gefördert wurden, einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber denjenigen hätten, die noch Investitionen benötigen.

(Zustimmung bei der CDU)

Weil ich auch in Zukunft eine gute medizinische Versorgung in den Krankenhäusern in Niedersachsen gewährleisten will, deshalb streite ich auch weiterhin mit Ulla Schmidt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu Punkt 1 b liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 1 c:

Finger weg vom VW-Gesetz - Volkswagen soll Volkswagen bleiben - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 16/450

Das Wort hat Herr Thümler von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am vergangenen Freitag fand in Wolfsburg eine der beeindruckendsten Demonstrationen der deutschen Nachkriegsgeschichte statt. Über 30 000 Menschen haben für den Erhalt des VWGesetzes und damit für ihre Arbeitsplätze bei VW demonstriert.

VW ist nicht nur ein Unternehmen mit 350 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Fertigungsstätten in 19 Ländern, sondern VW hat auch Automobilgeschichte geschrieben, nicht nur mit dem VW Golf, dem meistverkauften Auto Europas, oder dem VW Käfer. VW ist auch ein Stück deutscher Geschichte. 1937 gegründet, war seine Zukunft in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst ungewiss, bis VW ein Teil des Wirtschaftswunders wurde. Mit dem VW-Gesetz wurde VW in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, und durch das VWGesetz hat VW seine Stabilität in vielen Jahrzehnten erhalten.

Lassen Sie mich hier ganz deutlich sagen, dass das VW-Gesetz auch heute noch nicht überholt ist und gut in die jetzige Zeit passt. Darum kämpfen wir und über 30 000 Menschen am vergangenen Freitag für den Erhalt des VW-Gesetzes. Ich bin der festen Überzeugung, dass das VW-Gesetz im Interesse des Unternehmens VW und insbesondere seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist.

Das VW-Gesetz wird aber, wie man lesen kann, nicht von allen als notwendig angesehen und von manchen sogar als unzulässig abqualifiziert. Diese Zweifler besonders im Inland, aber auch im Ausland gilt es von der Notwendigkeit dieses VWGesetzes zu überzeugen.

(Zurufe von Wolfgang Jüttner [SPD] und Stefan Wenzel [GRÜNE])

- Ja, ich meine da auch Herrn Oettinger. Aber auch Herrn Verheugen muss man noch auf diese Reise mitnehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen, dass die Europäische Kommission schon seit Jahren gegen das VW-Gesetz vorgeht, da es ihrer Meinung nach den freien Kapitalverkehr in der EU behindert. Im Oktober 2007 hat sich auch der Europäische Gerichtshof in einem Urteil mit den Regelungen des VW-Gesetzes beschäftigt und diese in Teilen beanstandet. Das Gesetz ist - das möchte ich hier deutlich betonen - aber nicht in Gänze verworfen worden, wie immer wieder fälschlich behauptet wird.

Die Bundesregierung hat - nicht zuletzt auch auf Druck der Landesregierung - beschlossen, das VW-Gesetz zu ändern. Der jetzt vorgelegte Entwurf wird den Vorgaben des europäischen Rechts nach unserer Auffassung auch gerecht. Die Sperrminorität des Landes von 20 % bei Beschlüssen der Hauptversammlung hat der EuGH unserer Meinung nach nicht beanstandet. Daher gibt es keinen Grund, dies zu ändern, auch wenn der zuständige EU-Kommissar McCreevy dies anders sieht und mit einer erneuten Klage vor dem EuGH droht. An dieser Stelle möchte ich daher auch deutlich an den deutschen Kommissar Günter Verheugen appellieren - ich bitte die SPD, diesen Druck weiterzugeben; Sie sind da ja schon in brieflichem Kontakt -: Lassen Sie nicht zu, dass Herr McCreevy mit seiner Position innerhalb der EUKommission durchkommt! Setzen Sie sich für die Interessen von VW und der Beschäftigten bei VW ein!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die EU-Kommission kann nicht einfach ignorieren, dass es ein breites Bündnis von Politik, Betriebsräten, Gewerkschaften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gibt, die für den Erhalt des VW-Gesetzes sind. Das VW-Gesetz behindert eben nicht den Wettbewerb. Es ist Grundlage für den Erhalt von mehr als 80 000 Arbeitsplätzen nicht nur in Niedersachsen, sondern auch weit darüber hinaus.

Die Landesregierung und die CDU-Landtagsfraktion stehen daher fest an der Seite der Beschäftigten von VW und ihrer Familien. Die Landesregierung möchte auch zukünftig ihre Verantwortung für den Erhalt der Arbeitsplätze bei VW übernehmen.

VW ist - lassen Sie mich das sagen - ein tolles Unternehmen und zählt seit einigen Wochen zu den Top Drei der Automobilhersteller weltweit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

VW ist das größte deutsche Unternehmen, noch vor Mercedes-Benz. VW hat eine große Zukunft vor sich. Das sollten wir immer vor Augen haben. Dafür brauchen wir das VW-Gesetz. Dafür brauchen wir aber auch eine angemessene Mitbestimmung der VW-Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Porsche-Holding. Auch das muss deutlich hervorgehoben werden.

Ich will die Familiengeschichte von Porsche hier nicht unnötig strapazieren. Die Streitereien anderer Familien sollten uns nicht interessieren. Aber es ist schon tragisch, wenn das in der Öffentlichkeit so dargestellt wird, wie es hier der Fall ist. Ich denke, das schadet dem Unternehmen insgesamt.

Abschließend sage ich: Finger weg vom VWGesetz! Volkswagen soll Volkswagen bleiben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat Herr Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir Grüne unterstützen die VWBeschäftigten, die angesichts der undurchsichtigen Aktivitäten von Mehrheitseigner Porsche und der erneuten Angriffe der EU-Kommission auf das VWGesetz in berechtigter Sorge um Arbeitsplätze und Produktionsstandorte sind. Aber, Herr Thümler, wie glaubwürdig und schlüssig ist dabei eigentlich das Vorgehen der Landesregierung, für die sich die CDU-Fraktion hier mit diesem Antrag zur Aktuellen Stunde ganz offensichtlich in die Bresche werfen muss?

Meine Damen und Herren, es ist auf jeden Fall falsch, jetzt aus Niedersachsen selbst Zweifel am Bestand des VW-Gesetzes zu streuen. Wenn der Ministerpräsident den Zukauf weiterer 5 % Aktien ankündigt, dann schmälert das das Vertrauen in die Rechtskraft des VW-Gesetzes enorm. Eine Belastung des Landeshaushaltes von 3 Milliarden Euro nur für VW würde zudem die absolut unverzichtbaren Schwerpunktsetzungen im Bildungs- und Klimaschutzbereich in Niedersachsen auf Jahre verhindern. Das ist ein völlig ungedeckter politischer Scheck, Herr Wulff, mit dem Sie gewunken haben. Das wissen Sie als Ministerpräsident in diesem Hause am besten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube vielmehr, Sie wollten vorige Woche mit Ihrer Ansage „Dann müssten wir 5 % zukaufen … notfalls tun wir das natürlich auch“ - reichlich verunglückt - einen Notanker für den peinlichen Vermerk aus Ihrem eigenen Justizministerium setzen, der im Rechtsausschuss des Bundesrates aufgetaucht ist. Dort hieß es laut Spiegel, dass die Sperrminorität für einen 20-%-Anteil „auf Dauer Bestand haben kann, erscheint zweifelhaft.“ - Das aus Ihrem Ministerium! „Eigentor in Hannover“, titelte deswegen der Spiegel.

Nachdem sich die Landesregierung auf Bundes- und Europaebene derart selbst ins Knie geschossen hatte, saß bei Ihnen die politische Geldbörse zur populistischen Schadensbegrenzung offenbar allzu locker. Man kann aber nicht den einen Fehler durch einen noch größeren Fehler ausgleichen. Das macht es nicht besser, sondern doppelt schlecht. Die Landesspitze schlägt bei VW Haken, anstatt eine klare Linie vorzugeben. Das zeigten Sie besonders vorige Woche im Aufsichtsrat, als Ihr Partei- und Fraktionschef Herr McAllister und wohl auch Herr Thümler mit den Beschäftigten draußen demonstrativ den Schulterschluss übten, während in der Sitzung ausgerechnet Ferdinand Piëch - nicht die Vertreter Niedersachsens - die Abgrenzung gegenüber zu viel Porsche-Einfluss im operativen Geschäft im VW-Konzern durchsetzte.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Wulff, warum haben Sie dagegen gestimmt? Im Interesse von VW oder von Niedersachsen war das doch ganz bestimmt nicht.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Da hat er sich vertan!)

Ihr Zickzackkurs hängt wohl auch mit der immer wieder erklärten Überzeugung Ihres Mitaufsichtsratsmitgliedes Minister Hirche zusammen, der einen Verkauf der VW-Anteile bis heute für den besseren Weg für Niedersachsens Zukunft hält und nur durch den Koalitionsvertrag zum Stillhalten gezwungen ist. Angesichts Ihres widersprüchlichen Verhaltens frage ich Sie, Herr Ministerpräsident: Wie viel Hirche steckt in Wulff?

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Sie bleiben da unklar. Wir Grüne wollen dagegen weder einen Verkauf der niedersächsischen VWAnteile, noch sehen wir beim Land die finanziellen Spielräume, einen Zukauf von 5 % der Aktien zu stemmen. Das wäre finanzwirtschaftlich unverant

wortlich und ist außerdem unnötig. Porsche hat seine Konzernanteile schließlich in Kenntnis der Regelungen in der VW-Satzung erworben und sie damit ausweislich der vollzogenen Milliardenaufkäufe geschäftlich längst akzeptiert. Zusätzlich bestätigt der Einstieg Porsches gegenüber den EU-Marktwächtern eindrucksvoll auch die Unschädlichkeit des VW-Gesetzes für den freien Aktienmarkt. Hier können wir uns, denke ich, sicher fühlen. Ich erwarte, dass auch die Landesregierung eindeutig für das VW-Gesetz Stellung bezieht und nicht selber in der Öffentlichkeit Zweifel am VW-Gesetz streut.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Rickert von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! VW ist ein erfolgreiches Unternehmen, das in Niedersachsen für Wachstum, Innovation und Beschäftigung sorgt. Sie wissen aber auch, meine Damen und Herren, dass die FDP-Fraktion der Beteiligung des Landes an VW kritisch gegenübersteht. Wir respektieren jedoch selbstverständlich den Wunsch der Mehrheit in diesem Hause, an dieser Beteiligung festzuhalten. Wir tun das übrigens völlig unbeeindruckt von anders lautenden Empfehlungen aus Brüssel oder Berlin. Wir sind zwar der Meinung, dass ein weltweit aufgestellter Konzern, der in den Zukunftsmärkten China, Indien, Osteuropa, Mexiko oder auch Amerika tätig ist, dies unabhängig von Politik erfolgreich bewerkstelligen kann.

(Christian Dürr [FDP]: Richtig!)

Ich verstehe aber auch das Interesse daran, diesen Expansionsprozess im Interesse der niedersächsischen Arbeitsplätze beeinflussen zu wollen.

Die Bundesregierung arbeitet nach dem EuGHUrteil zum VW-Gesetz jetzt an einem neuen Gesetz mit dem Ziel, alle europarechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Bevor sich jedoch die EU-Kommission inhaltlich mit einem verabschiedeten Gesetz befassen kann, kündigt der Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy an, dass er so schnell wie möglich vorschlagen werde, die Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen.

Meine Damen und Herren, ein ungeheuerlicher Vorgang: Noch bevor eine endgültige Entscheidung über ein Gesetz gefallen ist, wird dieses durch den EU-Binnenmarktkommissar angegriffen. Da könnte man sich fragen, ob Herr McCreevy eventuell voreingenommen ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)