Hier soll die Höhe der Sperrminorität angegriffen werden. Sie ist aber legal. § 179 des Aktiengesetzes sagt zwar, dass die Sperrminorität generell bei 25 % liegen sollte, lässt aber auch unterschiedliche Regelungen zur Höhe der Sperrminorität zu und steht damit nicht im Widerspruch zum EURecht.
Insofern warten wir den Ausgang des Verfahrens ab. Wir hoffen, dass der VW-Konzern seinen Weg als ertragsstarkes Unternehmen im Weltmarkt fortsetzen kann, und zwar unbehelligt von Machtkämpfen und Familienkrächen.
Meine Damen und Herren, ich habe selbst erlebt, wie lähmend es ist, wenn Krieg in den Gesellschafterversammlungen herrscht. Das ist nicht gut für das Unternehmen. Ich appelliere an alle, Anteilseigner, Arbeitnehmervertreter und natürlich auch die Politik, sich darauf zu konzentrieren, VW im Interesse des Unternehmens, seiner Beschäftigten und des Landes Niedersachsen auf dem Weg zu einem erfolgreichen Unternehmen zu begleiten.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! 30 000 wurden erwartet, das stimmt. Über 40 000 Demonstrantinnen und Demonstranten waren im VW-Werk in Wolfsburg. Solidarisch dabei waren Vertreterinnen und Vertreter aus fast allen Werken des VW-Konzerns und fast der gesamten Zulieferindustrie. Unzählig waren die Menschen, die durch Soliadressen vertreten waren, nämlich z. B. die Kolleginnen und Kollegen von Karmann aus Osnabrück.
Worum ging es? - Wir haben es gehört: Es geht um den Erhalt des bereits abgespeckten VW-Gesetzes sowie die Reste der Mitbestimmungsrechte.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion war am Freitag selbstverständlich vertreten. Diese 40 000 - das kann ich Ihnen versprechen - waren erst der Anfang. Da ist noch viel mehr drin.
Herr Wulff, es freut uns, dass Sie unsere Forderung, die wir bereits am 9. April 2008 gestellt haben, den Landesanteil auf 25,1 % anzuheben, jetzt mit Leben füllen wollen.
Am 27. September 2007 war dies noch nicht der Fall. Befürchtungen, dass Porsche das Land als Aktionär quasi auskaufen könnte, wiesen Sie, Herr Wulff, damals zurück. Ich zitiere aus den Wolfsburger Nachrichten von diesem Tage: Es wäre für uns möglich, weitere VW-Aktien zu kaufen, wenn es notwendig wäre. Aber es macht keinen Sinn, weil es keinen Mehrwert bringt.
Herr Wulff, Sie fahren einen ganz schönen Schlingerkurs. Aber im Interesse der Beschäftigten bei VW und der Menschen in diesem Lande, die davon abhängig sind, hoffen wir, dass Sie bei Ihrem eindeutigen Ja zum VW-Gesetz bleiben und der Erhöhung des Landesanteils auf 25,1 % nichts mehr entgegensetzen.
Hoffen wir, dass Sie in Zukunft zu diesem Thema eindeutig Stellung beziehen - auch in Ihrer Partei, Herr Wulff, der CDU -, dass Sie sich dazu verhalten und durchsetzen. Ich hoffe nicht, dass Sie sich auf eine Aussage des EuGH-Urteils verlassen, dass Sie sich dann doch irgendwann wieder zurücklehnen können.
Zum Schluss möchte ich noch auf die Abstimmung am letzten Freitag im Aufsichtsrat zu sprechen kommen. Dort hat Herr Piëch - wir haben es schon gehört - nämlich im Sinne der Arbeitnehmerinteressen gestimmt. Ich möchte Ihnen einmal sagen, worum es geht: Es geht darum, die Filetierung von Audi zu verhindern, dass Porsche ohne die Zustimmung des Aufsichtsrats keinen Zugriff auf Audi hat. Herr Wulff, ich verstehe die Sinnhaftigkeit dieser Abstimmung nicht. Herrn Hirche will ich gar
nicht danach fragen, aber bei Ihnen, Herr Wulff, mache ich das schon. Diese Sache hätte ich gerne von Ihnen erklärt bekommen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen, dass Volkswagen ein erfolgreiches Unternehmen bleibt, und wir wollen, dass Volkswagen ein erfolgreiches niedersächsisches Unternehmen bleibt.
Ich bin der festen Überzeugung, dass derartige Veranstaltungen wie am Freitag - so beeindruckend sie auch war - einen wichtigen Beitrag dazu leisten können; denn die Lage ist hoch kompliziert, wie wir alle gemerkt haben. Das hat nicht nur damit zu tun, dass es massive Angriffe auf das Gesetz, auf die Satzung gibt, sondern auch damit, dass die Art und Weise, wie der neue große Eigner versucht, formell und informell mit der Weltfirma Volkswagen umzugehen, in der Tat eine Gefahr für das Gesamtunternehmen Volkswagen darstellen kann. Das können wir nicht zulassen! Aus der Geschichte ist gut begründet, warum wir das nicht zulassen können. Deshalb ist es gut, wenn wir gemeinsam für den Erhalt des jetzt abgespeckten VW-Gesetzes kämpfen.
Es ist auch gut, dass es gelungen ist - Herr Wulff hat dies am Freitag ja durchsetzen können -, die Sperrminorität in der Satzung zu erhalten. Aber das ist nur ein kleiner Schritt. Manches ist noch offen; darauf möchte ich hier hinweisen:
Die Art und Weise, wie in Europa mit nationalen Eigenentwicklungen und mit dem Prinzip der Sozialstaatsverpflichtung insgesamt umgegangen wird - am Beispiel Volkswagen ist dies noch einmal deutlich geworden -, dokumentiert die Europamüdigkeit immer größerer Teile der Bevölkerung, meine Damen und Herren. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Das muss man denen einmal ins Stammbuch schreiben.
Wir haben auch kein Verständnis für das, was die Landesregierungen in Baden-Württemberg und Bayern gegenwärtig leisten. Ich habe gelesen, dass Baden-Württemberg gestern für die nächste Sitzung des Bundesrates einen neuen Vorstoß gemacht hat, meine Damen und Herren. Ich finde es unerhört, dass sich der Ministerpräsident dieses Bundeslandes zum verlängerten Arm eines Mittelständlers macht, und zwar zulasten der Beschäftigten von Audi in seinem eigenen Bundesland. Sie sollten ihn an dieser Ecke einmal richtig vorführen. Es ist zwar nicht unser Ding, aber es ist schon dreist, was dort passiert.
Herr Wulff, ich möchte wenigstens uns daran erinnern, dass in dem Beschluss der Bundesregierung eine kleine Protokollnotiz steckt, die jetzt möglicherweise einige dazu veranlasst, die Sache neu aufzurollen. Wir sind uns darin einig; wir haben keinen Streit miteinander. Dies liest sich aber wie eine schön ausgeheckte Veranstaltung in Kombination mit Teilen der Bundesländer, kleinen Teilen der Bundesregierung und der EU-Kommission. Dieser Vorstoß aus Brüssel hat möglicherweise genau das Ziel, vor der Verabschiedung im Bundestag zu einer weiteren Verschlankung des Gesetzes zu kommen. Die weitere Verschlankung ist die Überwindung, die Ausschaltung der Mindestregelung, auf die wir so viel Wert legen. Das ist der Kampf, den wir auf allen Seiten vor uns haben. Das gilt für uns gegenüber Herrn Verheugen und für Sie gegenüber den Herren Oettinger, Beckstein und Glos. Da werden wir noch kräftig zu tun haben.
Herr Wulff, vor diesem Hintergrund verstehe ich Ihr Abstimmungsverhalten am letzten Freitag nicht. Jedem ist klar, dass es hier um die Frage von Investitionsentscheidungen bei Volkswagen, insbesondere für Audi, und um die Entwicklung der Produktpalette geht. Jeder weiß, dass es Konkurrenzen und Überschneidungen zwischen Audi und Porsche gibt. Wenn das eine normale operative Entscheidung von Vorständen ist, auf die durchgegriffen wird, dann passiert genau das, was meine Vorrednerin gesagt hat: Die Filetierung von Audi ist das Ende des integrierten Volkswagen-Konzerns. Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren!
Deshalb war es richtig, was der Aufsichtsrat entschieden hat, nämlich dass strategische Kooperationen zwischen Porsche und Audi im Aufsichtsrat von Volkswagen vorlegungspflichtig sind. Aus unserer Sicht war es falsch, dass Sie nicht zugestimmt haben. Dies sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit.
Herr Wulff, ich habe eine herzliche Bitte an Sie: Ich habe in der Süddeutschen Zeitung von gestern Folgendes gelesen - diese Vetternwirtschaften interessieren mich nicht, obwohl wir alle das Risiko sehen, welche Auswirkungen es haben kann, wenn es zu lange dauert; das ist klar; da stimme ich Ihnen zu; mich interessiert vielmehr die Frage, wie sich das Land verhält -: „Die Staatskanzlei in Hannover lässt erkennen, dass Wulff dazu bereit wäre“, nämlich für die Ablösung von Piëch als Chef des Aufsichtsrates. Wir wüssten gerne, was dahinter steckt; denn möglicherweise geht es nicht nur um die Sperrklausel, sondern insgesamt um die Zukunft der Mitbestimmung bei Volkswagen und über Volkswagen hinaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Erste, was ich sagen möchte, ist - ich hoffe, dass ich damit etwas sage, was den Konsens im ganzen Haus findet -: Wir sollten gemeinsam die Unverschämtheit zurückweisen, die der Ministerpräsident von Baden-Württemberg an den Tag gelegt hat, nämlich sich in diese Angelegenheiten einzumischen und sich einseitig zum Helfershelfer des Porsche-Konzerns zu machen, der die feindliche Machtübernahme bei VW anstrebt. Das ist nicht seine Sache. Dies sollten wir gemeinsam zurückweisen.
Meine Kollegin Zimmermann hat es schon ausgeführt: Wir begrüßen, dass der Ministerpräsident die Möglichkeit angesprochen hat, den Landesanteil zu erhöhen. Das ist aber nicht nur für den Fall notwendig, dass das VW-Gesetz vor dem EuGH auch in der neuen Fassung kippen sollte. Es macht auch aus einem anderen Grund Sinn: Wir alle wissen, dass Porsche plant, mit der Holding 50 % des Aktienanteils von VW zu erwerben. Dies bedeutet völlig unabhängig vom VW-Gesetz, dass die Holding dann zu einem beherrschenden Unternehmen und VW zu einem beherrschten Unternehmen wird. Sie müssen einmal durchrechnen, was es eigentlich bedeutet, den Aktienanteil bei VW von 30 auf 50 % zu erhöhen. Der Wert der Stammaktien bei VW macht nach dem derzeitigen Kurs ungefähr 60 Milliarden Euro aus. Wenn man davon 20 % zusätzlich erwerben möchte, sind das 12 Milliarden Euro. Das kann ein Unternehmen wie Porsche, das sicherlich ein gutes und wirtschaftlich gesundes Unternehmen ist, aber nur realisieren, indem es Kredite aufnimmt. Die Kredite, die es aufnimmt, müssen mit Zinsen bedient werden. Raten Sie einmal, woher die Zinsen kommen, die Porsche bezahlen muss. - Sie werden bei VW herausgezogen. Das ist das, was wir befürchten.
Schauen Sie einmal im Aktiengesetz nach, welche Möglichkeiten es gibt, wenn ein Unternehmen beherrschendes Unternehmen ist und ein anderes Unternehmen beherrschtes Unternehmen ist, und was die Vorstände des beherrschten Unternehmens dann zu erwarten haben, nämlich Weisungen des herrschenden Unternehmens. Dies ist sogar dann möglich, wenn es keinen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gibt. Das kann z. B. im alltäglichen Geschäft bei der Produktpalette geschehen, indem das herrschende Unternehmen dem beherrschten Unternehmen sagt, welche Autos gebaut werden sollen und welche nicht. Das ist eine Befürchtung, die wir haben. Deswegen fordern wir Eingriffe in die Wirtschaft. Deshalb fordern wir eine Wirtschaftspolitik, die nicht nur abwartet, was passiert, oder die nur Schaden begrenzt, wenn etwas Schlimmes passiert ist. Eingriffe in die Wirtschaft finden ja durchaus statt. Ich erinnere nur an den IKB-Skandal, wo aus den Mitteln der KfW vor kurzem immerhin 8 Milliarden Euro aufgewendet werden mussten, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Unsere ordnungspolitischen Vorstellungen sind andere. Wir möchten, dass der Staat in das wirtschaftliche Geschehen nicht nur dann ein
greift, wenn es gar nicht mehr anders geht, wenn man solche großen Schäden reparieren muss, sondern bereits vorher gestaltend tätig wird, um frühzeitig zu verhindern, dass bei VW so etwas passiert wie bei Nokia.