Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

Frau Kollegin, letzter Satz, bitte!

Die CDU übt sich treu in Blockade und erkennt die Menschen, die aus Drittstaaten kommen, nicht als gleichwertige Bürger an. Wir werden das 2013 im Land und im Bund ändern.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Polat.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Frau Lesemann, natürlich werden wir diesem Antrag zustimmen. Wir haben auch in der Vergangenheit hier in diesem Parlament verschiedene Initiativen aus den Reihen der Opposition zu diesem Thema gehört und verabschiedet - leider bisher ohne die Stimmen der CDU und der FDP. Das ist, wie ich finde, sehr schade, zumal die doppelte Staatsbürgerschaft

wirklich der Ausdruck einer Einwanderungsgesellschaft ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bündnis 90/Die Grünen wollen keine Deutschen mit Verfallsdatum. Wir wollen keine Immigranten erster, zweiter und dritter Klasse. In der Integrationskommission wurde einstimmig bei allen Initiativen deutlich, dass von diesem Bundesland erwartet wird, dass es sich endlich im Sinne ihrer Rechte für eine doppelte Staatsbürgerschaft und die Abschaffung des Optionszwangs einsetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Statistische Bundesamt veröffentlicht Zahlen, die zeigen, dass in den letzten Jahren fast über 90 % aller EU-Bürger und -Bürgerinnen als Doppelstaatlerinnen und -staatler eingebürgert wurden. Die Zahl der türkischstämmigen Betroffenen betrug dagegen nur 18 %.

(Zuruf von der SPD: Ein Unding!)

Vor diesem Hintergrund möchte ich betonen, dass die Einbürgerungszahlen seit 2006 rückläufig sind - sie sind um 25 % gesunken. Im europäischen Vergleich ist Deutschland Schlusslicht bei der Einbürgerungsquote. Das sollte Ihnen allen ein Warnsignal sein.

Meine Damen und Herren von der CDU, Doppelpass ja, aber nicht für jeden - das ist Ihre Devise. Wir Grünen - das möchte ich abschließend betonen - wollen keine Menschen erster, zweiter und dritter Klasse. Grüne kämpfen für eine multinationale Gesellschaft und erteilen populistischen Äußerungen auf Kosten türkischstämmiger oder arabischstämmiger Menschen in dieser Republik eine Absage. Mehrstaatigkeit ist kein abzuschaffender Zustand, sondern Ausdruck einer vielfältigen und toleranten Gesellschaft, Frau Ministerin Özkan.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Götz zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Formulierungen dieses Antrags der SPD-Fraktion bedürfen einer eingehenden Prüfung. Ich meine nicht die Grammatik des Textes,

sondern vor allem die Überschrift. Hier wird versucht, den Anschein zu erwecken, als ob der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen in besonderer Form privilegiert sei.

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Ist er doch!)

Eigentlich hätte man über den Überschrifttext lächelnd hinweggehen können, aber das geht in diesem Fall nun einmal nicht. Ich erläutere einmal, warum nicht.

Es gibt verschiedene Wege, die Mehrstaatigkeit zu erhalten. In dem Fall, den Sie in der Überschrift ansprechen, geht es um die Erlangung der Mehrstaatigkeit durch Geburt. Meine Damen und Herren, das hat absolut nichts mit den Optionsfällen zu tun, die Sie in Ihrem Entschließungsantrag anders behandelt haben wollen. Früher bei unseren Aufsätzen in der Schule haben wir eine Fünf oder Sechs bekommen, wenn Überschrift und Text nicht zusammenpassten. Es wäre sinnvoll, wenn diese Regel manchmal auch bei uns hier im Landtag gelten würde.

(Zustimmung bei der CDU)

Man kann eigentlich nur zu dem Ergebnis kommen: Hier geht es nicht um die Sache, hier gelten andere Regeln. Diffamierung ist vielleicht eine zu starke Umschreibung, aber verstecktes Foulspiel - es ist ja gerade Fußballeuropameisterschaft - ist wohl die zutreffende Bezeichnung.

Es geht also - und das ist festzuhalten, damit das endlich mal klar wird - um die Erlangung der Mehrstaatigkeit durch Geburt. Das ist immer dann der Fall, wenn die Eltern des Kindes unterschiedliche Staatsangehörigkeiten besitzen. Sie wird nach dem jeweiligen Staatsangehörigkeitsrecht sowohl der Mutter als auch des Vaters durch die Geburt erworben.

Allgemein bekannt ist, dass Ministerpräsident McAllister eine deutsche Mutter und einen britischen Vater hat. Dadurch ergibt sich seine doppelte Staatsangehörigkeit. Eine Vergleichbarkeit mit den Optionsfällen besteht nicht. Das war vielleicht etwas belehrend, aber das musste an dieser Stelle einmal sein.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass dieses Mal bei der Beratung das Kommunalwahlrecht und das Staatsbürgerrecht nicht zusammengefasst wurden, sondern wir getrennt darüber gesprochen haben. Im Antrag wird das Optionsmodell einge

hend beschrieben. Man kann in der Frage der Staatsangehörigkeit sicherlich unterschiedlicher Auffassung sein. Gerade hier ist die Trennlinie zwischen den unterschiedlichen politischen Richtungen in diesem Hause gut herauszuarbeiten. Ich denke, das muss auch sein.

Für die Christdemokraten ist es durchaus ein besonderer Wert, Bürger der Europäischen Union zu sein. Dies soll und muss sich im Staatsangehörigkeitsrecht niederschlagen. Das führt zu mehr Klarheit und einer besseren Abgrenzung.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist doch erweiterter Nationalismus!)

Mit dem Optionsrecht wurde ein guter Kompromiss geschaffen. Mit spätestens 23 Jahren muss man sich entscheiden, ob man sich ausdrücklich dazu bekennt, dass man Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland ist.

Wir bekennen uns ausdrücklich dazu, dass die Bundesrepublik ein Zuwanderungsland ist. Dies drückt sich auch im Optionsrecht aus. Man kann sich bewusst, wenn die nötige Reife und Lebenserfahrung vorhanden sind, für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Dass dies oft nicht einfach ist, gehört dazu.

Das Optionsmodell befindet sich zurzeit in der Überprüfung. Warten wir einmal ab, wie das Ergebnis sein wird! Ich halte gerade im Sinne der europäischen Integration eine besondere Regelung für die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union für sinnvoll. Denn man hat dadurch einen besonderen Status. Den Gedanken, dass eine Entscheidung für die deutsche Staatsangehörigkeit eine Abkehr vom Herkunftsland bedeutet, kann ich nicht teilen. Man kann sehr wohl in unserem Land leben, ohne seine kulturelle Identität aufzugeben. Da ist die Entscheidung für die eine oder andere Staatsangehörigkeit nicht so wesentlich.

Wer bewusst in verschiedenen Kulturen lebt, muss dafür etwas tun. Er muss sich das immer wieder beweisen und auch erarbeiten. Davon kann man wiederum profitieren, weil man für unsere Gesellschaft gefestigt ist. Dies hauptsächlich an der Staatsbürgerschaft festzumachen, ist zu kurz und wenig umfänglich gedacht. Wir seitens der CDUFraktion werden diesem Antrag nicht zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Frau Zimmermann.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben dieses Thema in dieser Legislaturperiode auf Grundlage diverser Anträge bereits mehrfach und ausführlich debattiert und die Argumente ausgetauscht. Leider - das haben wir gerade noch einmal gehört - hat das nicht dazu geführt, dass CDU und FDP ihre aus meiner Sicht einzig und allein ideologisch geprägte, verhärtete, ablehnende Position aufgeben.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Grund dafür ist aus meiner Sicht ein völlig antiquiertes Staatsbürgerschaftsverständnis, welches nichts mit der Realität im Hier und Heute zu tun hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie es in der Realität wirklich aussieht, kann man an der Person des Herrn Ministerpräsidenten erkennen. Aber davor verschließen Sie - das haben wir gerade wieder gehört -, meine Damen und Herren von der CDU, ganz fest die Augen.

Im Kern geht es in diesem Antrag der SPDFraktion, wie auch schon bei früheren Anträgen in diesem Haus, um eine Bundesratsinitiative zur Streichung der in § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes enthaltenen Optionsregelung, wonach sich Inhaberinnen und Inhaber der doppelten Staatsbürgerschaft bei Erreichen der Volljährigkeit, spätestens allerdings mit dem Abschluss des 23. Lebensjahres für eine von beiden entscheiden müssen. Diese Regelung war und ist Bestandteil des im Jahr 1999 getroffenen, aber aus unserer Sicht faulen Kompromisses zur Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Schon damals war doch klar, dass das eine bürokratische und eine integrationspolitisch nicht sinnvolle Regelung ist, welche im realen Leben nicht umzusetzen ist.

Seit einigen Jahren ist diese Optionsregelung nun in Kraft. Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion liegt mit dieser Regelung ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Artikel 3 unseres Grundgesetzes mit Blick auf die Kinder aus binationalen Familien vor.

(Beifall bei der LINKEN)

Sowohl aus verwaltungstechnischen als auch vor allem aus inhaltlichen Gründen sollte diese Regelung ersatzlos gestrichen und sollte eine Mehrstaatigkeit auch dieser Personengruppe zugelassen werden. Dass das nicht zu Schwierigkeiten führt, zeigt sich doch auch bei uns im Haus. Ich frage mich ernsthaft, welche irrationalen Ängste Sie von der CDU und von der FDP antreiben, um sich weiterhin hartnäckig gegen eine realitätsnahe Lösung des Problems zu stemmen.

Eines will ich an dieser Stelle noch sagen, und zwar mit Nachdruck: Aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion ist es völlig egal, ob Personen zusätzlich die irische, die britische, die polnische, die türkische oder irgendeine andere Staatsangehörigkeit besitzen.

Meine Damen und Herren, die Herkunft eines Menschen darf im Sinne der Gleichbehandlung keine Rolle spielen. Deshalb stimmen wir dem Antrag der SPD-Fraktion natürlich zu und lehnen die Beschlussempfehlung des Ausschusses selbstverständlich ab.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Oetjen das Wort. Bitte!