Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

(Roland Riese [FDP] begibt sich zu einem Saalmikrofon)

Ich habe schon im Blick, dass Sie von mir jetzt mindestens sieben Sekunden gutgeschrieben bekommen, Frau Helmhold. Ich achte schon darauf. - Danke.

Verehrte Frau Helmhold, ich wollte Sie fragen, ob Sie auch in der Lage sind, zur Sache zu sprechen, nämlich zu dem Entschließungsantrag, der hier vorliegt.

Herr Riese, im Gegensatz zu Ihnen halte ich mich stringent an das, was die UN-Konvention besagt. Die besagt: Es muss umfassend und ganzheitlich sein. - Wir machen keinen Killefitz in kleinen Tortenstücken, wie Herr Watermann es gesagt hat. Darum rede ich über einen Aktionsplan.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Roland Riese [FDP]: Das steht aber nicht im Entschließungsantrag!)

Meine Damen und Herren, ich sehe durchaus ein, dass es manchmal richtig ist, dass gut Ding auch Weile haben kann. Aber in diesem Fall ist dann trotz sehr langer Weile auch noch ein schlechtes Ding daraus geworden. Die Stellungnahmen der Verbände zum Aktionsplan liegen uns ja vor. Die sind doch vernichtend. Es ist doch so, als ob die Verbände diese Landesregierung genommen und immer batsch, batsch, batsch gemacht haben. So ist Ihr Aktionsplan dort aufgenommen worden.

Was wird dort alles bemängelt? - Wesentlichen Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention wird er nicht gerecht, wird Ihnen da aufgeschrieben. Das ist so. Er wiederholt Selbstverständlichkeiten. Er bleibt sehr vage. Er beschreibt im Wesentlichen den Istzustand. Wenn man klare Vorgaben sucht, wenn man Konkretisierungen oder vielleicht so etwas wie einen verbindlichen Zeitplan zur Umsetzung von beabsichtigten Maßnahmen sucht, dann sucht man vergebens. Das gibt es nicht.

Aber noch schwerer wiegt - auch das haben die Verbände bemängelt -, dass die Menschen mit Behinderungen und ihre Vertretungen an der Erstellung überhaupt nicht beteiligt worden sind. Damit verletzt die Landesregierung in eklatanter Weise den Geist der UN-Konvention; denn der heißt „mit uns“ und nicht „ohne uns“.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um über dieses Versagen Ihrer Landesregierung hinwegzutäuschen und um Tatendrang für die Menschen mit Behinderungen zu suggerieren, legen Sie uns jetzt im Juni diesen Antrag betreffend Ferienfreizeiten vor. Inhalt: Die Landesregierung soll eine Übersicht erstellen und öffentlich bekannt machen. Sie soll eine Bestandsaufnahme machen. Dazu kann man wirklich Fragen stellen. Und sie soll ein Konzept zur Weiterentwicklung dieser Ferienfreizeiten vorlegen. Dieser letzte Punkt ist nun wirklich das einzig Zukunftsweisende an diesem Antrag.

In Anbetracht des behindertenpolitischen Tiefschlafs, in dem Sie seit 2009 gelegen haben, kann man diesen Antrag nur als den untauglichen Versuch betrachten, von Ihrem bisherigen Versagen in der Behindertenpolitik abzulenken.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Jetzt haben Sie noch einen letzten Satz. Ich habe Ihnen die Redezeit schon gutgeschrieben.

Sie können wirklich nicht erwarten, dass wir dabei mitmachen. Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Machen Sie endlich einen vernünftigen Aktionsplan gemeinsam mit den Betroffenen. Dann wäre das, was Sie uns hier heute vorgelegt haben, ein Mosaikstein dieses umfassenden Aktionsplans. Dann würden wir dem auch zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Helmhold. - Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Riese das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Helmhold, zustimmen können Sie auch so. Da brauchen Sie gar nicht zu warten. Das können Sie in zwei Minuten tun. Das gilt genauso für die SPD-Fraktion, die hier wieder einmal einen ihrer unvorbereitetsten Redner nach vorn geschickt hat, der hier - wie wir es von ihm kennen - nichts anderes getan hat, als Polemik zu verbreiten, und sich nicht zur Sache geäußert hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muss wirklich bei dem bleiben, was ich schon in meiner Kurzintervention gesagt habe. Ich halte es für parlamentarisch absolut unzulässig, wenn man hier, nur weil man die Antragsfrist versäumt hat, Anträge als Änderungsanträge einbringt, die mit dem Ursprungsantrag nichts zu tun haben.

Verehrte Damen und Herren, Ferienfreizeiten für Menschen mit und ohne Behinderungen - das ist sicherlich ein Detail für das, was man im Sommer miteinander betreiben kann. Es ist aber, wie Herr Böhlke hier bereits vorgetragen hat, nicht ganz einfach, Informationen darüber zu erwerben, welches der fraglos zahlreich vorhandenen Angebote für die eigene Familie das richtige sein mag. Man muss sehr findig sein und umfangreiches Informationsmaterial sammeln, bevor man aus den Angeboten auswählt. Hier eine Übersicht zu erstellen, zumal sehr viele dieser Ferienfreizeiten - auch wenn sie von den Verbänden durchgeführt werden - auch mit Landesmitteln begleitet werden, ist eine Aufgabe, der sich das Land einmal annehmen sollte, nämlich eine Koordinierung durchzuführen und die vorhandenen Angebote besser, als dies bisher der Fall ist, darzustellen, damit dann Entscheidungen ermöglicht werden.

Im Ausschuss haben Sie sich in der Sache nur dahin gehend geäußert, dass nichts dagegen spricht, die Anforderungen in diesem Antrag zu begrüßen. Deshalb möchte ich Ihnen anraten, Ihr Vorgehen noch einmal zu überprüfen und zu einer breiten Zustimmung zu diesem Antrag zu finden.

Vielen Dank!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Herr Riese. - Für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort Herr Humke.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Riese, ich muss einfach einmal, obwohl wir nicht Antragsteller sind, sagen: Seien Sie doch froh, dass sich die beiden Fraktionen erbarmt haben, einen Änderungsantrag vorzulegen, der die Inhalte vernünftig einbettet, wie es angemessen gewesen wäre. Sonst hätte man sich über den vorliegenden Antrag der Regierungsfraktionen noch mehr in Polemik ergehen können, als dies hier ohnehin schon der Fall ist. Seien Sie also lieber dankbar.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Barrierefreiheit, Teilhabe und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sind bei uns Linken schon immer entscheidende Themen gewesen. Ich verweise auf diverse Anfragen und vor allem auf unsere jährlichen Haushaltsanträge.

Nun liegt uns Ihr wohlklingender Antrag vor, der im Juni direkt in den Ausschuss überwiesen worden ist und nach einer Kurzberatung in der vorletzten Woche im Ausschuss den Weg ins Plenum gefunden hat. Auf eine richtige Beratung im Ausschuss haben Sie keinen gesteigerten Wert gelegt. Berechtigte Nachfragen bezüglich der Verbindlichkeit und der Reaktion von Betroffenen und Verbänden wurden von Ihnen einfach vom Tisch gewischt. Auch eine Anhörung wurde von Ihnen einfach verweigert. Von der CDU sollte die Selbstverständlichkeit suggeriert werden, dass Inklusion mehr sei als Inklusion in der Bildung. Aber wer bezweifelt das denn hier? - Das hat doch nie jemand in Frage gestellt.

Die entscheidende Frage, die sich dann unweigerlich stellen muss, ist: Wie sieht es in Niedersachsen eigentlich mit der Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention aus? - Unter Nr. 1 Ihres Antrages wird die Landesregierung gebeten, mit ihrem bisherigen Engagement fortzufahren. Welches Engagement meinen Sie da? - Ich verweise nur auf den Aktionsplan, der dünner als dünn ist. Mehr muss ich dazu an dieser Stelle nicht sagen.

Die Nrn. 2 und 3 in Ihrem Antrag haben eher den Charakter einer Kleinen Anfrage.

Mit Nr. 4 sollen vorhandene Informationen einfach nur zusammengetragen werden.

Was bleibt eigentlich an positiven Inhalten übrig, und was kann man für Menschen mit und ohne

Behinderungen aus diesem Antrag ableiten? - Eigentlich nichts. Würde man diesen Antrag auch noch einem Stresstest unterwerfen, um auch nur die Spur eines Gebrauchswertes herauszufiltern, würde man außer in der Überschrift eigentlich nichts finden. Das halten wir für fahrlässig.

Wir bedauern es zutiefst, dass Sie sich der Anhörung verweigert haben. Eine Zustimmung zum Änderungsantrag von SPD und Grünen würde Ihnen die Möglichkeit geben, Ihre Forderungen inhaltlich vernünftig einzubetten. Damit wäre Ihr Antrag gerettet. So aber ist er dünner als dünn.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Zu einer Kurzintervention auf Herrn Kollegen Humke hat sich Herr Riese von der FDP-Fraktion gemeldet. Anderthalb Minuten. Bitte schön!

Vielen Dank. - Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anregung von Herrn Humke an die Regierungskoalition, dem Änderungsantrag zuzustimmen, ist genau der Beleg dafür, dass das richtig ist, was ich vorher gesagt habe: Man soll - das ist Ihr parlamentarisches elftes Gebot - keine Änderungsanträge stellen, die mit dem Ursprungsantrag nichts zu tun haben. Würden wir nämlich diesem Änderungsantrag, über den sich an der einen oder anderen Stelle sicherlich reden lässt, unsere Zustimmung erteilen, dann wäre der Ursprungsantrag weg, weil der Änderungsantrag der weitergehende ist. Deshalb ist es parlamentarisch ganz unmöglich, unzulässig und auch unredlich, dass Sie das von uns verlangen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Sehr richtig!)

Redlich wäre es gewesen, einen eigenen Antrag auf die Beine zu stellen. Da aber haben Sie die Zeit verschlafen.

(Zustimmung bei der FDP)

Herr Humke ist schon aufgestanden. Das signalisiert mir, dass er antworten möchte. Anderthalb Minuten auch für Sie.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Herr Riese, hören Sie zu? - Es ist vernünftig, einen Antrag zu stellen, der versucht, einen Grundtenor aufzuschnappen,

den man in einer Goodwillaktion zu finden versucht - das muss ich wirklich einmal sagen -, um dem Antrag überhaupt einen Inhalt zu geben. Das ist tatsächlich verantwortungsvolle Arbeit von zwei Fraktionen. Da können Sie doch nicht den Spieß umdrehen und einfach behaupten, man könne parlamentarisch keine Anträge stellen, mit denen der Ursprungsantrag angeblich nichts zu tun habe. Machen Sie sich doch zumindest die Mühe, und lesen Sie diesen Antrag.

(Norbert Böhlke [CDU]: Gehen Sie davon aus, dass wir ihn gelesen ha- ben! - Heinrich Aller [SPD]: Lesen Sie einmal laut vor! - Glocke der Präsi- dentin)

- So weit möchte ich nun doch nicht gehen. - In den Nrn. 1 bis 5, weiter unten, werden doch Ihre Punkte aufgegriffen. Seien Sie froh, dass im Vorwort bzw. in der Begründung überhaupt der Rahmen vorhanden ist, der es ermöglicht, sich mit Ihrem Antrag auseinanderzusetzen. Geben Sie einfach zu, dass Sie einen schlechten, unnützen Antrag gestellt haben, der eine Beleidigung für die Behindertenbewegung ist.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Reine Polemik!)

Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis!

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Herzlichen Dank. Für die Landesregierung hat sich Frau Ministerin Özkan zu Wort gemeldet. Bitte schön!

(Johanne Modder [SPD]: Sie findet den Antrag toll!)