Protokoll der Sitzung vom 19.07.2012

Schönen Dank, Herr Kollege.

(Minister Jörg Bode betritt den Ple- narsaal)

Ich habe mich vorhin umgedreht, weil ich Herrn Bode direkt ansprechen wollte, aber das Thema scheint ihm nicht wichtig genug zu sein, um von Anfang an dabei zu sein.

(Zurufe von der CDU: Er ist doch da!)

- Sehr schön, nach Aufforderung und nach Beginn der Rede, wunderbar!

Wie gesagt: Wir missbilligen solche Tatenlosigkeit ausdrücklich.

Meine Damen und Herren, bundesweit hat zurzeit lediglich jeder sechste Beschäftigte einen neuen Job gefunden. 4 250 ehemalige Schlecker-Beschäftigte sind noch ohne neuen Job.

(Glocke der Präsidentin)

Aus diesem Grund fordert die Linke die Landesregierung auf, ihr Versprechen, welches sie in mehreren Reden gegeben hat - nämlich mit dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten wieder einen Job bekommen -, zu halten. Sorgen Sie unverzüglich dafür! Werden Sie endlich tätig!

(Beifall bei der LINKEN - Gabriela König [FDP]: Das machen wir schon lange!)

Und wir fordern die Landesregierung auf, alle Initiativen zu unterstützen, die z. B. durch die Bildung von Genossenschaften für den Erhalt früherer Schlecker-Filialen und damit für die Versorgung der Bevölkerung, vor allem im ländlichen Raum, tätig sind.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Prüfen Sie Anträge auf Bürgschaften, wenn ein gutes Konzept vorliegt! Positive Erfahrungen gibt es in Sachsen. Da können Sie sich einmal informieren.

(Glocke der Präsidentin)

Außerdem fordern wir die Landesregierung auf, sich bei der Bundesregierung dafür stark zu machen, dass Großunternehmen ohne Ausnahmere

gelungen der vollen Veröffentlichungspflicht unterliegen. Dann kann so etwas Willkürliches nicht mehr passieren.

Einen letzten Satz!

Ein letzter Satz. - Es ist auch längst überfällig, das Betriebsverfassungsgesetz so zu reformieren, dass Betriebsräte eine echte Mitbestimmungsmöglichkeit, auch in wirtschaftlichen Fragen, erhalten. Denn Betriebsräte würden sich und ihre Mitarbeiter nicht in so ein Elend treiben.

Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen, damit all das für die Beschäftigten auf den Weg gebracht wird.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Olaf Lies [SPD])

Nun spricht für die FDP-Fraktion Frau Kollegin König. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie können es nicht lassen: Wieder versuchen Sie, die Mitarbeiter von Schlecker für Ihre Politik zu instrumentalisieren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Fragen Sie mal, wie die das sehen!)

Das ist nichts anderes als unverantwortlich und dreist: Sie stilisieren diese Menschen zu Opfern.

(Lachen bei der LINKEN)

Ihr DGB-Vorsitzender, Herr Sommer, spricht sogar von „grausiger Kälte“ und „Hölle einfrieren“.

(Zustimmung bei der LINKEN - Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Richtig!)

Nur die Frauen, die das betrifft, die fragen Sie nicht!

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Na- türlich reden wir mit denen!)

„In Deutschland verlieren jeden Tag fast 20 000 Menschen ihre Arbeit, und mehr als 20 000 Menschen finden einen neuen Arbeitsplatz. Jeden Tag.“

Das sagt Herr Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, in einem Interview mit der Zeit. Er sagt weiter:

„Natürlich werden unprofitable Filialen geschlossen. Aber die Menschen kaufen weiterhin Shampoo oder Zahnseide. Die Nachfrage bleibt - der Umsatz verlagert sich. Dadurch entsteht bei den Konkurrenten Arbeit.“

Merken Sie eigentlich nicht, dass Sie auf ein bereits totes Pferd aufgesprungen sind?

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Die Fra- ge ist, wie es gestorben ist! - Hans- Henning Adler [LINKE]: Sie haben es totgeritten!)

Wir haben längst mit den wirklich erfolgreichen Maßnahmen begonnen. Jeder Betrieb ist für den Erfolg seines Unternehmens selbst verantwortlich. Die Verantwortung, im Wettbewerb zu bestehen, Verantwortung für die Arbeitsplätze, das Risiko der richtigen Entscheidung - das ist gelebte soziale Marktwirtschaft. Das zeigt uns doch gerade jetzt der hohe Stellenwert, den Deutschlands Wirtschaft genießt.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Wer trägt denn hier das Risiko?)

Gerade im Fall Schlecker kommt das recht gut zur Geltung.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Schle- cker als Vorbild! - Enno Hagenah [GRÜNE]: Mehr Zynismus geht nicht!)

Die wirklich profitablen Standorte von „Ihr Platz“ werden bereits von Rossmann übernommen - bislang immerhin 104 an der Zahl. Damit werden auch die Mitarbeiter übernommen. Im defizitären Bereich gab es keine Übernahmen. Oder wollen Sie dort vielleicht Ihr Geld versenken?

Zum Schluss noch ein Zitat aus dem Spiegel vom 27. Juni, der uns bestimmt nicht besonders wohl gesonnen ist. Die schreiben:

„Für die selbsternannten Retter der Schlecker-Frauen aber ist es offenbar unzumutbar, dass die Frauen sich selbst über ihre berufliche Zukunft Gedanken machen. Man gibt ihnen eine Anschlussverwendung als Opfer - weil man ihnen offensichtlich keine eigenen Entscheidungen zutraut.

Daraus spricht Verachtung für diese Frauen.“

So der Spiegel. Da, meine Damen und Herren, machen wir nicht mit. Wir setzen auf ein gutes, passendes Angebot, auf Hilfestellung überall dort, wo diese benötigt wird. Wir greifen nicht in die eigene Lebensgestaltung ein und lassen keiner eine Anschlussverwendung zukommen. Wir berücksichtigen das Alter und die Vorbildung, um richtig zu vermitteln, aus-, fort- und weiterzubilden oder umzuschulen.

(Zuruf von der LINKEN: Wieso denn vermitteln?)

Ein großer Teil der Menschen ist bereits wieder in Arbeit. Einige machen sich bereits selbstständig und betreiben Filialen in eigener Regie. Viele werden vernünftig beraten und qualifiziert. Ich persönlich würde es mir jedenfalls verbitten, das halbe Land über meine berufliche Zukunft spekulieren zu lassen. Ich ziehe es vor, selbstbestimmt über das eigene Leben zu entscheiden. Das würde ich mir auch für mein Unternehmen wünschen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Warum demonstrieren die Frauen denn wohl?)

Ich möchte nicht von Ihnen erklärt bekommen, was ich zu tun und zu lassen habe. Also bitte lassen Sie diese Menschen über ihre Zukunft bestimmen!

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Die Welt ist Ihnen wohl völlig fremd!)

Es liegt eine Bitte auf Kurzintervention von der Fraktion DIE LINKE vor. Frau Kollegin WeisserRoelle, bitte schön, Sie haben 90 Sekunden!

Danke. - Frau Präsidentin! Ich habe meinen Wunsch auf Kurzintervention sehr früh angemeldet. Ich hätte ihn fast zurückgenommen, Frau König; denn Ihre Rede war so unterirdisch und so zynisch,

(Johanne Modder [SPD]: Entlarvend!)