Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 144. Sitzung im 46. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode.
Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 40, Mündliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Fraktion der CDU Frau Hartmann, von der Fraktion der SPD Frau Behrens, Frau Stief-Kreihe und Herr Bartling ab 10 Uhr, von der Fraktion der FDP Herr Rickert und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Limburg.
Die für die Fragestunde geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als allgemein bekannt voraus. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, sich nach wie vor schriftlich zu Wort zu melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.
Wann kommt der Strom vom Meer? Übertragungsnetzbetreiber beim Anschluss von Offshorewindparks in der Kritik
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vor einem Jahr von der Bundesregierung beschlossene Energiewende bedingt zahlreiche Veränderungen in der Erzeugung und Übertragung von elektrischem Strom. Eine Schlüsselstellung nehmen dabei derzeit der Ausbau und die Erweiterung der Übertragungs- und Verteilnetze und der Anschluss von Offshorewindparks ein. Zahlreiche Investitionen, Anschluss- und Ausbaumaßnahmen sind erforderlich. Im Bereich der sogenannten Stromautobahnen - sie gewährleisten u. a. den Transport von Strom aus der Nord- und Ostsee -, aber auch bei den Anschlüssen der Offshorewindparks kommt es zu Verzögerungen. Diese liegen zumindest auch an einer mangelnden finanziellen Ausstattung der Übertragungsnetzbetreiber und den bisher ungeklärten Haftungsfragen für den Netzanschluss.
Aus einem Brief eines Übertragungsnetzbetreibers an das Bundeskanzleramt wird zitiert, dass durch die derzeitige Anschlusspraxis von Offshoreparks die „… finanziellen, personellen und materiellen Ressourcen aller Beteiligten“ überfordert würden.
1. Sind die bisherigen Netzstrukturen in Deutschland auf der Ebene der Übertragungsstromnetze mit vier unabhängigen Netzbetreibern geeignet, um den notwendigen Aus- und Umbau der Stromnetze und den Anschluss der Offshorewindparks an die Festlandsnetze zu gewährleisten?
2. Sieht die Landesregierung in der Schaffung einer einheitlichen deutschen Netzgesellschaft für das Stromübertragungsnetz oder zumindest für den Aufgabenbereich der Netzanschlüsse für die Offshorewindparks eine wirksame Alternative zum jetzigen Zustand?
schaft für einen Beitrag zur Lösung der aktuellen Probleme, für die teilweise unzureichende Eigenkapitalausstattung bei zumindest einem Netzbetreiber?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ausbau der Offshorewindkraft kommt zur Erreichung der Ziele der deutschen Energiewende eine zentrale Rolle zu. Offshorewindparks können im Vergleich zur durchschnittlichen Windkraftnutzung an Land den doppelten Energieertrag erzeugen. Sie können damit einen besonders wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Stromversorgung bei der Umstellung auf erneuerbare Energien leisten.
Das Land Niedersachsen hat mit seinen Maßnahmen zum Ausbau der Hafeninfrastrukturen, mit Bürgschaften für die junge Offshoreindustrie, mit der vorsorgenden Ausweisung von Kabeltrassen durch die 12-Seemeilen-Zone und mit einer Vielzahl von Forschungsaktivitäten hervorragende Bedingungen für die Entwicklung der Offshoreindustrie in Niedersachsen geschaffen.
Auf der Grundlage dieser Landesaktivitäten haben sich Investoren auf den Weg gemacht, um im Binnenland eine Offshoreindustrie aufzubauen. Viele Tausend Arbeitsplätze sind insbesondere in der Küstenregion bereits entstanden.
Mit einer modernen Technik auf Gleichstrombasis, die insbesondere von den Firmen ABB und Siemens entwickelt wurde, stehen heute für den Netzanschluss leistungsfähige Systeme zur Verfügung. Mit dem Netzanschluss für den im Bau befindlichen Offshorewindpark BARD Offshore 1 konnte diese neue Anschlusstechnik weltweit erstmals zum Einsatz gebracht werden.
Umso überraschender und besorgniserregender war die zum Jahreswechsel 2011/2012 erfolgte Ankündigung des für den Bereich der Nordsee zuständigen Netzbetreibers, die Auftragsvergabe und Ausschreibung für weitere Netzanschlüsse einzustellen. Diese Ankündigung war verbunden mit Hinweisen auf ungelöste Haftungsprobleme,
Zur Lösung der Haftungsprobleme für verspätete Netzanschlüsse oder technische Risiken und deren mögliche Folgen für die Projektanten hatte die Bundesregierung unverzüglich eine Arbeitsgruppe mit allen Akteuren einberufen. Diese Arbeitsgruppe hat Lösungsvorschläge vorgelegt. Die Bundesminister Rösler und Altmaier haben aus diesen Vorschlägen ein Eckpunktepapier für eine gesetzliche Regelung entwickelt, das am 2. Juli 2012 vorgelegt wurde.
Am 10. Juli 2012 war Herr Bundesminister Altmaier bei uns im Kabinett zu Besuch, und wir haben noch einmal über dieses Thema gesprochen. Uns wurde die kurzfristige Vorlage eines Gesetzentwurfes zugesagt, der möglichst in einem beschleunigten Gesetzgebungsverfahren noch im Sommer verabschiedet werden soll.
Insoweit, meine Damen und Herren, gibt es gute Aussichten für eine Lösung der Haftungsprobleme und damit für die Beseitigung dieses Hemmnisses für die weitere Offshoreentwicklung. Es bleibt aber weiterhin das Problem bestehen, dass die derzeitige Eigenkapitalausstattung des für die Nordsee zuständigen Netzbetreibers offensichtlich nicht ausreicht, um die ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben zu erfüllen.
Um die durch die Firma TenneT ausgelöste Offshorenetzanschlusskrise zu beenden, ist daher auch eine Lösung dieses Eigenkapitalproblems unverzichtbar. Die Firma TenneT TSO GmbH ist der für den Bereich der Nordsee zuständige Netzbetreiber für die Netzanbindung von Offshorewindparks. Die deutsche Firma TenneT TSO GmbH ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der niederländischen TenneT Holding, die sich wiederum im Besitz des niederländischen Staates befindet.
Die TenneT Holding hatte mit Wirkung vom 1. Januar 2010 die zum E.ON-Konzern gehörende Netzbetreibergesellschaft Transpower erworben, die zuvor aus der aufgespaltenen Übertragungsnetzgesellschaft E.ON-Netz zum Zwecke des Verkaufs herausgelöst worden war.
Zum Zeitpunkt der Übernahme von Transpower durch TenneT waren die gesetzlichen Regelungen zur Netzanschlussverpflichtung bereits seit mehreren Jahren in Kraft und die ersten beiden Netzanschlussprojekte bereits hergestellt bzw. in Bau. Das Land Niedersachsen hatte mit den beiden Kabelsammeltrassen über Norderney und den Emsbereich die raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen für den Anschluss von Offshorewindparks in Niedersachsen von ca. 8 000 MW geschaffen. Dies ist die Leistung von ca. zehn bis zwölf Offshorewindparks. Hinzu kam eine Reihe von Offshorewindprojekten, die einen Netzanschluss in Schleswig-Holstein suchten.
Sowohl die Dimensionen der notwendigen Investitionen für den Netzausbau im Binnenland als auch die große Zahl genehmigter oder im Genehmigungsverfahren befindlicher Offshorewindparks waren zum Zeitpunkt der Erwerbsverhandlungen zwischen der niederländischen TenneT Holding und der E.ON AG vollständig bekannt. Alle gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie z. B. das Energieleitungsausbaugesetz und § 17 Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes, der die Fragen der Offshorenetzanschlüsse und die Verpflichtungen der Übertragungsnetzbetreiber regelt, waren bereits in Kraft.
Daher hätten bereits zu diesem Zeitpunkt die mit dem Erwerb der deutschen Höchstspannungsnetzsparte in der damaligen E.ON-Netzzone verbundenen Investitionsverpflichtungen durch eine entsprechende Eigenkapitalausstattung für die neue TenneT TSO GmbH gewährleistet werden müssen. Aus welchen Gründen dies nicht geschehen ist, kann von der Niedersächsischen Landesregierung nicht nachvollzogen werden.
Durch diese Entwicklung wird aber erneut die Frage auf die politische Tagesordnung gesetzt, ob die bisherige Struktur der Netzbetreiber mit vier getrennten Netzzonen noch geeignet ist, die mit der Energiewende verbundenen Aufgabenstellungen und Herausforderungen beim Um- und Ausbau der Übertragungsstromnetze zu bewältigen.
Bei den Netzanschlüssen für die Offshorewindparks spitzt sich dieses Thema nun zu. Die deutschen Netze und die Offshorenetzanschlüsse stellen die Plattform dafür dar, dass die deutsche Wirtschaft die notwendigen Investitionen in die neuen Erzeugungsstrukturen auch tatsächlich tätigen kann. Die Netze stellen eine Infrastruktur dar, ohne deren Ausbau die Energiewende nicht umgesetzt
Um das Gelingen der Energiewende tatsächlich sicherzustellen, ist daher zu klären, ob mit der bisherigen Eigentumsstruktur der deutschen Netze die Aufgabe der Energiewende tatsächlich zu bewältigen ist. Die von der Firma TenneT ausgelöste Netzanschlusskrise in der Nordsee macht nach Auffassung der Landesregierung deutlich, dass dies zurzeit offensichtlich nicht der Fall ist.
Zu Frage 1: Die in Deutschland bestehende Netzstruktur hat sich historisch auf der Grundlage von vier integrierten Energieunternehmen entwickelt, die in ihren Netzgebieten sowohl für den Bereich der Erzeugung und der Netze wie auch für den Vertrieb über eine fast vollständige Monopolstellung verfügten. Der Netzausbau war in dieser Struktur wegen der meist zentralen und in der Nähe von Lastschwerpunkten erfolgten Planung von Kraftwerken nachgeordnet. Verbindungen zwischen den vier Netzzonen hatten meist nur eine ergänzende und ausgleichende Funktion.
Durch die Entflechtung dieser Monopolunternehmen in eigenständige Teilunternehmen und dem sich anschließenden Verkauf oder Teilverkauf der Netzunternehmen an externe Investoren waren diese integrierten Planungsstrukturen endgültig zerbrochen. Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien, das Entstehen neuer Stromhandelsfirmen und eines europäischen Stromhandelsmarktes erweisen sich die Abgrenzungen in vier Netzzonen zunehmend als ein Hemmnis für eine auch volkswirtschaftlich sinnvolle Netzentwicklung in Deutschland.
Durch die gesetzliche Zuordnung der Netzanschlussaufgabe für die Offshorewindparks an die jeweils landseitig zuständigen Netzbetreiber ist diese Aufgabe nur zwei der vier in Deutschland tätigen Übertragungsnetzgesellschaften zugeordnet worden. Zwar unterliegen die dadurch anfallenden Investitionskosten dem bekannten Wälzungsmechanismus auf alle vier Netzzonen, aber die Planungen, der Betrieb und die Investitionen für diesen Aufgabenbereich müssen von nur zwei der vier Netzbetreiber bewältigt werden.
Diese Struktur des deutschen Übertragungsstromnetzes erweist sich zunehmend als Hemmnis sowohl für einen volkswirtschaftlich optimalen Netzausbau im Binnenland als auch insbesondere für