Protokoll der Sitzung vom 20.07.2012

Zum Schluss darf ich die herzliche Bitte äußern, diesen Fall im Ausschuss noch einmal sehr sorgsam zu beraten. Ich bin gern bereit, mich da auch weiterhin einzubringen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Krumfuß. - Auf Sie hat sich mit einer Kurzintervention Frau Kollegin Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE für anderthalb Minuten gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin Zimmermann!

Danke. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Krumfuß, ich habe ein bisschen geschluckt, als Sie gesagt haben, wir hätten Zeit, zu verhandeln; denn es ist natürlich eine ganz schwierige Situation, weil wir hier über das Schicksal einer Familie reden, die schon sieben Jahre getrennt ist. Nach meinem Empfinden war es so, dass man da gerade keine Zeit hat. Ich erkenne das aber an und sehe dem positiv entgegen, was Sie in Ihrem Redebeitrag herübergebracht haben, dass Sie durchaus verhandlungsbereit sind und dass Sie auch Möglichkeiten sehen, die Familie zurückzuholen.

Ein bisschen schwierig finde ich allerdings, dann auf die Tätigkeiten und das Verhalten von Herrn Siala einzugehen, der sich eben nicht so konform verhalten hat, wie Sie das gerne gehabt hätten oder wie sich die Regierung oder das Ausländeramt das gewünscht hätte. Wir haben ja mehrfach deutlich gemacht, dass vor allem das Kindeswohl im Vordergrund steht, auch die Zusammenführung der Geschwister, die sich gar nicht kennen.

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass wir in Deutschland keine Sippenhaftung haben.

(Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Vor diesem Hintergrund muss man noch einmal ganz deutlich darüber nachdenken, wie wichtig es ist, diese Familie wieder zusammenzuführen. Ich bin voller Hoffnung, dass wir das im Innenausschuss in einer guten Diskussion hinbekommen und eine Lösung finden.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Krumfuß möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön, Herr Krumfuß!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Kollegin Zimmermann, ich habe hier vorne gesagt, dass wir im Innenausschuss die Beratungszeit haben. Ich spreche zum ersten Mal dazu. Dann müssen Sie mir schon zugestehen, dass ich einige Zeit brauche, um mich weiter einzulesen.

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Das wollte ich damit ausdrücken!)

Ich habe gesagt: Die rechtliche Situation ist zurzeit so, wie sie ist, also so, dass nichts gehen kann.

Ich suche mir doch das Recht nicht aus. Die Landesregierung tut das auch nicht. Wir haben doch keine eigenen Vorstellungen in Bezug darauf, wie sich jemand verhält. Vielmehr ist geht es um die Rechtsordnung. Wenn jemand immer wieder dazu neigt, Straftaten zu begehen - und Ordnungswidrigkeiten manchmal mehrmals am Tag -, dann entsteht für mich der Eindruck, dass er - ich sage es einmal in Anführungsstrichen - mit der Rechtsordnung Schwierigkeiten hat.

(Ursula Körtner [CDU]: Nein, straffällig ist!)

Ich habe aber auch Hoffnung, dass er darüber vielleicht noch einmal nachdenken kann. Es gibt ja sehr viele Unterstützer; Frau Kollegin Rübke hat darauf hingewiesen. Frau Kollegin Rübke, ich weiß, dass Sie einen Draht dorthin haben. Vielleicht sprechen Sie diese Thematik einmal an und sagen ihm, dass er bereit sein muss, sein Verhalten umzustellen. Denn es kann nicht sein, dass wir uns für jemanden einsetzen, der die deutsche Rechtsordnung überhaupt nicht anerkennt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigrid Leuschner [SPD]: Es geht ja um die Kinder!)

- Natürlich geht es dann auch um die Kinder. Das weiß ich doch alles.

Lassen Sie uns im Innenausschuss darüber beraten, welche Möglichkeiten es gibt!

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Schünemann zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als die zuständige Ausländerbehörde 2006 die Abschiebung von Frau Önder anordnete, waren Herr Siala und die Kinder Amine und Nura ebenfalls ausreisepflichtig. Allerdings fehlten die erforderlichen Ausweispapiere, sodass eine gemeinsame Abschiebung nicht möglich war. Die Ausländerbehörde ging seinerzeit davon aus, dass Herr Siala seiner Lebenspartnerin und seinen Kindern zum Zwecke der Familienzusammenführung nachreisen würde. Das war ganz offensichtlich ein Irrtum. Es ändert aber nichts an der Rechtmäßigkeit der von der zuständigen Ausländerbehörde getroffenen Entscheidung.

Herrn Siala und damit der gesamten Familie ist eine ganze Reihe von Chancen geboten worden - auch unter tatkräftiger Mitwirkung meines Hauses. So wurde - darauf hat Herr Kollege Krumfuß schon hingewiesen - 2010 vom MI unter Beteiligung des Landkreises Hildesheim ein Vergleich mit Herrn Siala geschlossen, der eine Familienzusammenführung im Bundesgebiet ermöglichen sollte. Damit sind Land und Landkreis Herrn Siala bis an die Grenze des rechtlich Vertretbaren entgegengekommen - auch und vor allem im Interesse seiner Lebenspartnerin, aber ganz besonders der Kinder.

Inhalt dieses Vergleichs war u. a., dass Herr Siala ein Mindestmaß an Integrationsbereitschaft unter Beweis stellt. Herr Siala hat diese Chance für sich, für Gazale Önder und für die gemeinsamen Kinder leider nicht genutzt. Er hat die getroffenen Vereinbarungen nicht eingehalten. Dafür können wir weder die Ausländerbehörde noch das Innenministerium verantwortlich machen.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Noch die Kinder!)

Ich darf an dieser Stelle aus einer Pressemitteilung des Landkreises Hildesheim vom 21. Oktober 2011 zitieren:

„Landrat Reiner Wegner betont, dass auf Anregung des niedersächsischen Innenministeriums mit Herrn Siala eine Vereinbarung getroffen wurde, die zu einem legalen Aufenthalt hätte führen können. Gegenstand dieser Vereinbarung war allerdings auch ein Mindestmaß an Integrationsbereitschaft des Herrn Siala. Diese Integrationsbereitschaft sollte sich insbesondere darin ausdrücken, dass keine weiteren Straftaten begangen werden und der Lebensunterhalt für die Familie durch eigenes Arbeitseinkommen sichergestellt wird. Zu diesem Zeitpunkt waren nämlich gegen Herrn Siala bereits mehrere Strafverfahren und Ordnungswidrigkeitenverfahren anhängig, aus denen zu schließen war, dass Herr Siala die deutsche Rechtsordnung nicht hinreichend akzeptiert. Zudem war seine wirtschaftliche Integration bisher nicht gelungen, da er seit seiner Einreise nahezu durchgängig Sozialleistungen beansprucht hat.

Es ist Herrn Siala allerdings weder gelungen, straffrei zu bleiben, noch wies er ausreichendes Arbeitseinkommen nach, aus dem er seine Familie unterhalten kann und konnte.“

So weit die Pressemitteilung des Landkreises Hildesheim.

Selbst Vertreter von Flüchtlingsorganisationen geben mittlerweile zu, dass Herr Siala es nicht verstanden hat, die ihm eröffneten Chancen zu nutzen, weil er immer wieder straffällig wird.

SPD, Grüne und Linke stellen in ihrem gemeinsamen Antrag nur einen Teil der Wahrheit dar, verschweigen aber einen wesentlichen Teil. Allein die Aufenthaltsdauer begründet keine Integration - insbesondere dann nicht, wenn, wie hier, weitere Integrationsleistungen fehlen. Erwerbstätigkeit, Sicherung des Lebensunterhalts und Einhaltung der Rechtsordnung - das sind die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland, die im Übrigen Rot-Grün 2004 im Aufenthaltsgesetz verankert hat.

Der Lebensunterhalt der Familie Önder/Siala war trotz zwischenzeitlicher Erwerbstätigkeit von Herrn Siala zu keinem Zeitpunkt ohne die Gewährung öffentlicher Leistungen sichergestellt. Inwieweit der

Lebensunterhalt aktuell sichergestellt ist, ist mir nicht bekannt. Allerdings hat Herr Siala erst kürzlich eine eidesstattliche Versicherung zur Bestätigung seiner Mittellosigkeit abgegeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, von dieser Landesregierung sind in den vergangenen Jahren die wichtigsten Impulse ausgegangen, um unnötige Härten in dem 2004 von Rot-Grün beschlossenen Ausländerrecht zu beseitigen.

(Beifall bei der CDU)

Ich nenne nur den auf niedersächsische Initiative in das Aufenthaltsgesetz eingefügten § 25 a, der seit 2011 ein eigenes Aufenthaltsrecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende vorsieht. Gerade in dem hier vorliegenden Fall kann das eine Grundlage für eine Lösung sein.

Auch die aktuelle Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen für ein Bleiberecht bei nachhaltiger Integration - § 25 b des Aufenthaltsgesetzes - ist ein wichtiges Signal: Wer sich integriert, kann eine Anerkennung erhalten.

Eine Lösung über § 22 des Aufenthaltsgesetzes kommt hier - anders als im Fall der Familie Nguyen aus Hoya - nicht in Betracht. Familie Nguyen war hier in Deutschland gut integriert und hatte deshalb erhebliche Probleme, sich in Vietnam zurechtzufinden, was mich letztlich auch dazu veranlasst hat, die Bundesregierung zu bitten, die Wiedereinreise zu ermöglichen.

Im Fall der Familie Önder/Siala ist es anders: Zum einen kann und konnte von einer Integration in Deutschland keine Rede sein. Die Kinder Schams, acht Jahre, und Gazi, sieben Jahre, sind in der Türkei gut integriert. Sie haben ihr gesamtes Leben in der Türkei verbracht. Türkisch ist ihre Muttersprache. Sie leben mit ihrer Mutter im Haus des Großvaters in Izmir, und sie erbringen gute Leistungen in der Schule.

Auch die Straftaten von Herrn Siala werden immer wieder kleingeredet. Wir sprechen hier aber nicht von Bagatellen. Insgesamt über als 100 Tagessätze wegen Verstößen gegen das Fleischhygienegesetz oder wegen Nötigung sind wahrlich kein Pappenstiel.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eines erwähnen: Nachdem Herr Siala die Lehrerin seiner Tochter genötigt hat - wofür er übrigens im Februar 2011 zu 25 Tagessätzen verurteilt worden ist -, erreichte die Polizei am 4. Oktober 2011 ein Schreiben der Richard-von-Weizsäcker-Schule, in

dem Herr Siala aufgrund seines Verhaltens in der Schule als Bedrohung beschrieben wird. Ich will jetzt nicht sagen, was die Schule geschrieben hat. Sie hat in diesem Fall jedenfalls dringend um Unterstützung gebeten. Von Integration kann also auch aktuell keine Rede sein.

Zu dem angeblichen Verstoß gegen die UNKinderrechtskonvention: Ein Verstoß liegt hier nicht vor. Das geltende deutsche Aufenthaltsrecht - das ist unter Rechtsexperten völlig unstreitig - genügt allen Ansprüchen der UN-Kinderrechtskonvention.

Meine Damen und Herren, und trotzdem habe ich der Familie vor Kurzem erneut einen rechtlichen Ausweg aus ihrer Situation aufgezeigt. Auf der Grundlage des neuen § 25 a Aufenthaltsgesetz gibt es für die Familie Önder/Siala eine Perspektive für eine Familienzusammenführung in Deutschland. Sollten Herr Siala und Frau Önder heiraten, so wäre mittelfristig ein Familiennachzug nach Deutschland möglich. Aber auch dieser Weg setzt voraus, dass Herr Siala für den Lebensunterhalt der Familie sorgt und nicht wieder straffällig wird.

Die Töchter Amine und Nura könnten ihre Mutter schon bald - nämlich dann, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a des Aufenthaltsgesetzes haben - in der Türkei besuchen. Allerdings hat Herr Siala bzw. die von ihm bevollmächtigte Rechtsanwältin bis heute noch keinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a für Amine gestellt, obwohl diese zum 18. April 2015 das 15. Lebensjahr vollendet hat. Auch ein gültiger Pass liegt noch immer nicht vor, obwohl die Vorlage von Pässen bereits Gegenstand des 2010 geschlossenen Vergleichs war.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch einige Aspekte stichwortartig in Erinnerung rufen:

Erstens. Nicht zuletzt aufgrund von DNAGutachten steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass Ahmed Siala und Gazali Önder von Geburt an türkische Staatsangehörige sind.

Zweitens. Herr Siala und Frau Önder sind seit 2001 ausreisepflichtig.

Drittens. 2004 wurde eine Landtagseingabe zugunsten von Frau Önder einstimmig - d. h. auch mit den Stimmen von SPD und Grünen - mit Sach- und Rechtslage beschieden.

Viertens. Der damalige Bundesaußenminister Steinmeier hat 2008 ein Besuchsvisum für Frau Önder abgelehnt.