Protokoll der Sitzung vom 26.09.2012

Ich gebe Ihnen ja recht, liebe Frau Helmhold, die Geldvermögen sind in den letzen Jahren u. a. deshalb gestiegen, weil der Spitzensteuersatz von Ihnen gesenkt worden ist. Das ist richtig.

(Zustimmung bei der CDU)

Aber zum Vermögen zählen nicht nur Geld und Aktien, sondern zum Vermögen zählen auch Betriebe, Unternehmen, Fabriken, genau die Stellen, wo Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese sind in diesem Land glücklicherweise in privater Hand.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Genau dieses Vermögen, das tagtäglich in diesem Land Arbeitsplätze schafft, wollen wir eben nicht besteuern, weil wir diese Arbeitsplatzentwicklung eben nicht gefährden wollen. Das ist der falsche Weg, den Sie hier gehen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn man überhaupt etwas an der Steuerschraube drehen will, dann lassen Sie uns die kalte Progression bekämpfen, damit auch der Mittelstand in die Lage kommt, Vermögen zu bilden. Aber Hände weg vom Vermögen! Mit ihm wird in diesem Land Gott sei Dank Arbeit geschaffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Watermann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden hier heute über die Frage derer, die arm sind und immer ärmer werden, und derer, deren Vermögen immer größer wird.

Zu Beginn will ich einen Punkt vorziehen - ich habe meine Rede in zwei Halbzeiten eingeteilt -, weil Herr Toepffer und auch Herr Sohn das hier so wunderschön zelebriert haben: Meine Damen und Herren, wenn man Politik betreibt, dann schaut man sich die Situation zu dem Zeitpunkt an, zu dem man Entscheidungen trifft. Als wir den Euro eingeführt haben und die Binnenmärkte öffneten, gab es große Sorgen und Ängste. Man hat Beurteilungen erstellt, die in die Zeit passten. Diese Beurteilungen hat man zu überprüfen.

In dieser Zeit hat man in der Politik geglaubt, dass Steuern zu senken sind, um Anreize für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu schaffen.

(Zuruf von der LINKEN: Wir nicht!)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: So, wie man beim Euro Fehleinschätzungen hatte, kam man hierbei ebenfalls zu Fehleinschätzungen. Wo Sie in Ihren Politikfeldern doch so sicher sind, will ich Ihnen sagen: Mir sind Politiker, die ihre Entscheidungen überprüfen und dann, wenn sie gegebenenfalls erkennen, dass sie Fehler gemacht haben, diese Entscheidungen verändern, allemal lieber als diejenigen, die dies in ihrer Vergangenheit oder in der Tagespolitik überhaupt nicht tun.

(Beifall bei der SPD)

Welche zwei Kräfte sich hier verbünden, ist eine historische Situation. Wenn Schwarz und ganz Rot meinen, dass sie in ihrer Politik nichts falsch gemacht haben und bei ihnen keinen Überprüfungspotenzial besteht, müssen sie selbst damit klarkommen. Wir sind zu solchen Überprüfungen in der Lage. Deshalb machen wir auch andere Vorschläge. Zu den Steuern werde ich im zweiten Teil etwas sagen.

Wir haben eine Situation, in der wir sehr deutlich prüfen müssen, warum es diese Armut gibt.

(Zuruf von der LINKEN: Gute Idee!)

Die Armut nimmt zu, weil wir es mit Tarifen zu tun haben, die nicht auskömmlich sind. Meine Damen und Herren, dieses Phänomen ist häufiger geworden. Es ist nicht mehr die Regel, dass man von der Arbeit leben kann, sondern es ist zur Regel geworden, dass man etwas dazu bekommen muss.

Meine Damen und Herren, ich bin wirklich erstaunt darüber, dass sich die FDP auf den Weg macht, die Partei zu sein, die die meisten Staatssubventionen fordert. Sie ist es nämlich, die durch ihre Politik - mit ihren Knappen, den Schwarzen - dafür sorgt, dass es eben keine Mindestlöhne gibt. Sie ist es, die akzeptiert, dass Arbeit in Deutschland subventioniert werden muss. Ich sage Ihnen: Wer das tut, stellt die soziale Marktwirtschaft infrage. Wer das tut, sorgt dafür, dass Armut größer wird. Wer das tut, sorgt auch dafür, dass der Begriff Arbeit im Prinzip verlottert wird, weil er zulässt, dass es Bezahlungen gibt, von denen man nicht leben kann. Das ist unwürdig! Das ist eine falsche Politik!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Das ist doch scheinheilig!)

- Nein, Sie fordern das. Sie sind der Wegbereiter einer solchen Politik. Sie sind es, die ein paar wenige reicher werden lassen wollen.

(Klaus Rickert [FDP]: Quatsch!)

Ihre Betrachtungsweise des Mittelstandes ist so einfach, weil Sie oben wegschneiden und unten wegschneiden, weil Sie oben aufgegeben haben und unten aufgegeben haben. Sie wollen eine Gesellschaft, in der Sie ganz klare Klientelpolitik machen. Ihr Verkehrsminister ist ein Förderer der Raser. Die FDP insgesamt ist ein Förderer von Staatssubventionen. Das ist eine falsche Politik!

(Beifall bei der SPD)

Deshalb müssen wir dafür kämpfen, dass wir nicht die Regel haben, dass Tarife so ausfallen, wie sie zurzeit ausfallen. Wir erleben das Ausgliedern, dass ein paar wenige viel einfordern können, weil sie in der Tarifauseinandersetzung stark sind, sodass sie mehr bekommen. Diejenigen, die diese Stärke nicht haben, rutschen aus dem System heraus.

Schauen Sie sich den Bereich der Pflege an! Dort werden jene nach unten durchgereicht, die eben nicht diese Stärke besitzen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Sie befördern diese Art von Politik in allen Bereichen, und Sie sind es, die sich gegen den Mindestlohn wehren. Sie wehren sich gegen die Besteuerung derer, die genug haben, Sie wollen, dass der Staat immer schlanker wird, damit die Klientel, die Sie mit Ihren „schwarzen Knappen“ vertreten, gut dabei wegkommen. Wir wollen, dass alle teilhaben. Ich denke, das ist eine vernünftige Politik.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zu seinem zweiten Redebeitrag von fünf Minuten hat sich der Kollege Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Watermann, der eine Vorwurf trifft mich. Ich habe ein ganzes Buch über die Frage geschrieben, welchen Blödsinn die Bewegung gemacht hat, in de

ren Tradition ich stehe. Aber ich verstehe Ihren Beitrag so - das ist tatsächlich eine gute Basis für alles Weitere in der Zukunft Liegende -, dass Sie sagen: Die Agenda 2010 war, von heute aus betrachtet, Mist.

Nun zu Herrn Toepffer und zu den Fragen, die man natürlich beantworten muss. Der Reichtums- und Armutsbericht ist ja nun in der Welt; da beißt keine Maus den Faden ab. Die Frage ist nur noch, ob sich Merkel traut, einen Stempel darauf zu setzen. - Manchmal denkt man ja, Frau von der Leyen steht kurz vor der Abgabe eines Aufnahmeantrags für die Linke.

(Norbert Böhlke [CDU]: Davon träu- men Sie nachts!)

Der Reichtums- und Armutsbericht ist also in der Welt, und es gibt keinen Widerspruch, dass die Kluft zwischen Arm und Reich in diesem Lande wächst. Da muss man sich natürlich fragen: Warum ist das so? - Darauf gibt es inzwischen eine Antwort eines breiten Bündnisses, weit über linke Kräfte hinaus. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, sagt auf die Frage nach den Ursachen, in den letzten zehn Jahren habe es bei der Reallohnentwicklung einen Stillstand gegeben, während die Unternehmensgewinne um über 50 % gewachsen seien; zudem seien seit dem Jahre 2000 die Spitzeneinkommen durch die Steuerpolitik enorm entlastet worden und in der Sozialpolitik durch die Einführung von Hartz IV eine Umverteilung von unten nach oben durchgeführt worden. - Das alles zusammen sorgt für diese Spaltung, die jetzt mit dem Armuts- und Reichtumsbericht auch amtlich besiegelt wird.

Das ist der Kern des Problems. Sie können sich nicht hier hinstellen und sagen, das sei alles nebulös. Der Fakt liegt auf dem Tisch, und die Ursachen liegen auch klar auf dem Tisch. Da kann man nun Aktionen dagegen machen. Das findet am nächsten Samstag statt. Wir haben heute morgen schon eine kleine symbolische Aktion durchgeführt.

(Der Redner hält ein Bündel Papiere mit dem Aufdruck „500 Euro“ hoch)

Das wären ungefähr 100 000 Euro. Nähme man den Millionären als einmalige Vermögensabgabe nur 10 % weg, dann hätten sie immer noch neun solcher Stapel zur Verfügung. Dadurch verarmt keiner von ihnen. Keiner muss dann für Mindestlöhnen malochen gehen oder Hartz IV beziehen.

(Starker Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Vielmehr wäre dies die Umverteilung, die notwendig ist, um diese wachsende Kluft wieder einigermaßen zu schließen.

Das ist - das sage ich ebenfalls in Ihre Richtung, weil Sie ein vernünftiger Mensch sind, Herr Toepffer - auch die Chance, die Sie jetzt noch haben, auf vernünftige Art umzuverteilen; denn diese Entwicklung kann nicht auf Dauer so weitergehen. Sonst wird es deutlicher rumsen, als Sie es sich in Ihren dramatischsten Träumen vorstellen können.

(Jens Nacke [CDU] lacht - Ulf Thiele [CDU]: Herr Dr. Sohn, mit Ihrer Revo- lution wird das nichts! Glauben Sie es mir!)

Deshalb ist diese Aktion am kommenden Samstag ein ehrliches Angebot. Dieses Bündnis sagt völlig klar: Dabei ist eigentlich genug Geld vorhanden; der öffentlichen Armut in Deutschland steht ein Privatvermögen von über 8 Billionen Euro gegenüber. Allein die privaten Vermögen des reichsten Prozents sind höher als alle öffentlichen Schulden in Deutschland zusammen. Das ist Fakt. Es gibt keine Schulden ohne Vermögen. Deshalb ist das ganze Gerede von der öffentlichen Verschuldung Unsinn, wenn man nicht gleichzeitig sagt: Es gibt ein rasant wachsende privates Vermögen; das konzentriert sich bei den Bestverdienenden, also bei dem Klientel der untergehenden FDP.

An dieses Geld müssen Sie herangehen, eben durch eine Vermögensteuer, durch eine einmalige Vermögensteuerabgabe, wie dies hier heißt, und durch konsequenten Kampf gegen Steuerflucht und Steueroasen. Das ist das, wovon Möllring ja nichts wissen will.

(Christian Grascha [FDP]: Im Gegen- teil!)

Ich sage Ihnen: Wenn man das nicht macht, dann wird es eben zu größeren Auseinandersetzungen kommen.

(Ulf Thiele [CDU]: Revolutionsführer Sohn!)

Eines finde ich übrigens an dem Bündnis ganz toll - Sie werden es am nächsten Samstag sehen -: Es ist zunehmend ein Bündnis von sehr jungen Leuten und sehr alten Leuten. Denn die Rentner beginnen, auf die Barrikaden gehen, zusammen mit Jungen, die nicht einsehen - wir bestärken sie

darin -, dass eine Krankenschwester jetzt schon weiß: Wenn ich ordentlich arbeite, dann werde ich am Schluss eine Rente bekommen, von der ich nicht leben kann. - Jeder, der in diesem Lande auch nur einen Funken Leistungsorientierung im Bauch hat, weiß, dass das nicht gerecht ist und dass diese Krankenschwester mehr für die Gesellschaft getan hat als alle Ihre Millionäre zusammen.

(Beifall bei der LINKEN)