- Ich erteile Ihnen gleich das Wort, Frau Staudte. Einen kleinen Moment! - Frau Staudte, Sie haben das Wort.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber ich kann das Wort „Betreuungsgeld“ eigentlich nicht mehr hören. Es ist allerhöchste Zeit, dass Sie sich endlich von dieser Schnapsidee verabschieden.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Sie haben den Antrag doch eingebracht! Das ist doch Ihre Schuld!)
Inhaltlich haben wir, glaube ich, schon sehr ausführlich über das Thema debattiert und die Argumente ausgetauscht.
Wir haben deutlich gemacht, dass wir bildungspolitisch nichts von diesem Betreuungsgeld halten, weil es gerade die Kinder aus den belasteten Familien von den Kitas fernhält. Das wissen Sie auch alle. Wir haben deutlich gemacht, dass es familienpolitisch keinen Sinn macht, weil dadurch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht erleichtert, sondern erschwert wird.
Häufig ist angeführt worden, es gehe um Wahlfreiheit, die gesichert werden solle. Spätestens aber seit der Feststellung des Deutschen Städtetages, dass das mit dem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz unter den derzeitigen Bedingungen mit den derzeit zur Verfügung stehenden Finanzmitteln nicht zu schaffen ist, ist deutlich: Eine Wahlfreiheit wird es nur geben, wenn genügend Betreuungsplätze vorhanden sind. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, die Mittel, die für das Betreuungsgeld vorgesehen sind, in den Betreuungsausbau umzuschichten.
Mich persönlich ärgert ganz besonders, dass das Thema Betreuungsgeld inzwischen zu einem Spielball der politischen Profilierung geworden ist. Herr Seehofer befindet sich in Bayern im Vorwahlkampf und versucht, gegen seine Schwesterpartei zu opponieren und ein konservatives Familienbild in den Vordergrund zu stellen. Dabei müsste eigentlich gerade er wissen, dass es auch in Bayern alleinerziehende Mütter gibt, die besonders auf die Betreuungsstruktur vor Ort angewiesen sind.
Die FDP nutzt das Thema auch. Sie versucht, sich damit zu profilieren, obwohl ich gerade sehe, dass nur noch ein Abgeordneter der FDP da ist.
Gut. Also auch die FDP scheint sich einen etwas moderneren Anstrich geben zu wollen. Man hat das Gefühl, dass der Aushandlungsprozess, im Rahmen dessen hin und her gefeilscht wird, absichtlich in die Länge gezogen wird, damit auch der Profilierungszeitraum immer länger wird. Es werden Kompromisse diskutiert, wie etwa die Variante mit den Gutscheinen, die auch nicht besser sein wird als beim Bildungs- und Teilhabepaket. Es wird eine Kopplung mit Kinderarztbesuchen debattiert. All diese Kompromisse haben gemeinsam, dass sie die ganze Situation nur verschlimmbessern.
Es gibt nur eine sinnvolle Maßnahme, und zwar das Betreuungsgeld ganz zu stoppen und die 1,5 bis 2 Milliarden Euro dafür zu verwenden, die Betreuungseinrichtungen qualitativ und quantitativ auszubauen.
Zum Thema Qualität möchte ich noch einmal sagen: In dieser Woche - das haben die meisten von Ihnen wahrscheinlich mitbekommen - ist eine Volksinitiative der Erzieherinnen und Erzieher hier in Niedersachsen gestartet worden, die ganz klipp und klar gesagt haben: Wir brauchen bessere Personalstandards für die Kinder und für uns.
Über 500 Erzieherinnen und Erzieher waren hier zur Auftaktveranstaltung in Hannover. Das sollte man ernst nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss der Kollegin Staudte recht geben. Eigentlich kann auch ich den Begriff nicht mehr hören. Trotzdem: Die Auseinandersetzung um das sogenannte Betreuungsgeld - - -
- Herr Nacke, jetzt haben Sie es tatsächlich geschafft, mich etwas zu irritieren. Aber es geht trotzdem weiter.
Die Auseinandersetzung in Berlin ist nicht beendet, nein, ganz und gar nicht, sondern sie geht in die nächste Runde. Der neueste Kompromissvorschlag sieht neben der Verknüpfung mit verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen - Frau Staudte hat es erwähnt - vor, das Geld dann etwas aufzustocken, wenn es für eine private Altersversorgung verwandt wird. Das macht die Pläne in keiner Weise besser. Zumindest auf Bundesebene war die FDP so schlau, dem nicht zuzustimmen. Damit, meine Damen und Herren auf der rechten Seite des Hauses, haben Sie doch noch die Chance, von Niedersachsen aus Zeichen zu setzen, um dieses Gesetz zu verhindern und damit Schaden von der frühkindlichen Bildung insgesamt abzuwenden.
Ich sage ganz bewusst „Schaden“. Wenn diese Pläne umgesetzt werden, schadet das der frühkindlichen Bildung insgesamt. Auch Sie, denke ich, haben dabei einen anderen Anspruch.
Ich will hier nicht noch einmal aufzeigen, wer Ihnen alles deutlich gesagt hat, welche fatalen Folgen die Einführung des Betreuungsgeldes gerade für Kinder hätte, die einer frühen qualifizierten Betreuung besonders bedürfen. Gerade Kinder, für die es besonders wichtig ist, so früh wie möglich gefördert zu werden, z. B. Kinder aus Migrantenfamilien mit Sprachdefiziten, würden von den Krippen ferngehalten.
Aber auch dieses Argument greift für mich zu kurz. Natürlich sind Eltern kompetent, ihre Kinder zu Hause zu fördern. Niemand will ihnen diese Kompetenz absprechen. Aber eines können sie ihren
Kindern, die alleine zu Hause betreut werden, nicht bieten: Auch in diesem frühen Alter, denke ich, brauchen Kinder für eine gesunde soziale Entwicklung andere Kinder.
Das gilt für alle Kinder. Der beste Ort dafür ist eine gemeinsame Erziehung in einer gut ausgestatteten Krippe mit hochqualifizierten Erzieherinnen und Erziehern.
Herr Präsident! Liebe Kollegin Reichwaldt, finden Sie es nicht auch etwas merkwürdig, dass der fachlich zuständige Ressortminister bei der Diskussion zum Betreuungsgeld, das ja bundesweit ein Thema ist, nicht anwesend ist?
Das halte ich für sehr merkwürdig. Ich kann mir vorstellen, dass ihm die Diskussion nicht gefällt. Aber als zuständiger Ressortminister sollte er sich damit auseinandersetzen.
(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Offensichtlich gefällt die Dis- kussion niemandem hier!)
Wir denken, mit dem Betreuungsgeld soll allen Kindern bewusst die Chance auf eine gemeinsame gute soziale Erziehung in einer Krippe genommen werden. Ein Gesetz, das finanziell honoriert, wenn Kindern diese Chance genommen wird, ist schlicht und einfach bildungspolitischer Unsinn.
Die Pläne wären zumindest erklärbar, wenn in Niedersachsen und in der Bundesrepublik insgesamt genug Betreuungsplätze für unter Dreijährige zur Verfügung stünden. In einer Situation, in der nicht nur Niedersachsen weit davon entfernt ist, den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz bis zum nächsten Jahr umzusetzen, sind diese Pläne schlicht und einfach sträflich. Die für das Betreu
ungsgeld eingeplanten Mittel würden dringend für den notwendigen Krippenausbau gebraucht. Auch ein Krippengipfel, wie er im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen wird, wäre eine gute Idee.
Meine Damen und Herren auf der rechten Seite des Hauses, setzen Sie ein Zeichen für Niedersachsen. Hören Sie auf, blind hinter den bayrischen Forderungen herzulaufen, und stimmen Sie dem vorliegenden Antrag doch noch zu! Unsere Fraktion wird das auf jeden Fall tun.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn einige hier im Raum das Wort „Betreuungsgeld“ nicht mehr hören können, werde ich nicht „Herdprämie“ sagen.
Lassen Sie mich kurz darüber sprechen, was wir hier als Niedersächsischer Landtag tatsächlich debattieren und auch entscheiden können.
Wir haben momentan auf Bundesebene die Situation, dass die Diskussion offen ist. Das haben Sie alle den Medien entnommen. Es gibt jetzt einen Vorschlag für einen möglichen Kompromiss, den auch ich sehr kritisch sehe; das muss ich an dieser Stelle sagen.
Das ist ein Kompromissvorschlag, der eine Verknüpfung mit den Vorsorgeuntersuchungen vorsieht. Interessant ist, dass Frau Haderthauer einmal ausgerechnet hat, was dieser Vorschlag Bayern an zusätzlichem Verwaltungspersonal kosten würde. Sie ist auf 200 Stellen gekommen, hat das einmal öffentlich geäußert und wurde dann von Herrn Seehofer zurückgerufen, weil denen in Bayern dann klar geworden ist, dass ein solcher Verwaltungsaufwand definitiv die Zustimmung des Bundesrates erforderlich machen würde. Wir müssen also einmal abwarten, wie die Diskussion über
Es gibt in Niedersachsen einen aus meiner Sicht sehr sinnvollen Vorschlag des FDP-Landesvorsitzenden Dr. Stefan Birkner, nämlich es, wenn der Bund dort tatsächlich investieren möchte, den Ländern zu überlassen, wofür sie das Geld ausgeben. Dann kann Herr Seehofer dadurch sein Landesbetreuungsgeld ersetzen, und wir könnten beispielsweise Krippenplätze ausbauen oder auch an der weiteren Verbesserung der Qualität der Kitas arbeiten.