- Ich glaube, ich kenne Sie so gut, dass ich sagen kann: Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, dann würde ich dafür von der eigenen Fraktion ein Schmerzensgeld verlangen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Oder Betreuungsgeld!)
In der Hannoverschen Neuen Presse stand diese Woche: „Birkner will Krippen stärken. Niedersachsens FDP-Landeschef … lehnt das Betreuungsgeld ab.“
Meine Damen und Herren, wir werden bei der Abstimmung ja gleich sehen, was der Chef in seinem eigenen Laden zu sagen hat.
Zumindest der Kollege Focke, der rausgerannt ist, als der Tagesordnungspunkt aufgerufen wurde, würde wahrscheinlich mit uns stimmen. In der örtlichen Tagespresse hat er sich ja dementsprechend positioniert.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, die geplanten Finanzmittel werden für den weiteren Krippenausbau dringend benötigt, quantitativ und
qualitativ. Wir werden das Ziel, bis zum Jahr 2013 für 35 % der unter Dreijährigen einen Krippenplatz bereitzustellen, nicht erreichen - das wissen Sie. Nachdem Niedersachsen Ende 2011 noch nicht einmal die Quote von 20 % bei der Betreuung der unter Dreijährigen erreicht hat, kam beim Kultusminister offensichtlich Panik auf. Er hat dann noch einmal 40 Millionen Euro locker gemacht, um zum einen - das hat Frau Geuter vorhin schon gesagt - vor Ort Wahlgeschenke zu verteilen und zum anderen verzweifelt aufs Gaspedal zu drücken. Und was macht der Ministerpräsident? - Nichts. Er tritt im Bereich der frühkindlichen Bildung eher voll auf die Bremse. Er ist zu feige, bei der Bundeskanzlerin in Sachen Betreuungsgeld zu intervenieren.
Aber so kennen wir ihn: im Land als Landesvater medial glänzen - wenn das nicht reicht, werden auch noch selbst gefertigte Interviews angeboten -,
aber bei peinlichen Fragen nicht erreichbar sein, und wenn Entscheidungen anstehen wegducken. - Wir fordern den Ministerpräsidenten auf: Zeigen Sie in Berlin Rückgrat! Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit.
Sie können nicht auf der einen Seite die Schuldenbremse proklamieren und auf der anderen Seite das Geld sinnlos zum Fenster rausschmeißen.
Ich fürchte aber, dazu hat dieser Ministerpräsident nicht das Kreuz. Was Sie hier treiben, ist unverantwortlich.
(Jens Nacke [CDU]: Wollen Sie nicht mal bei mir im Wahlkreis eine Wahl- kampfrede halten? Das würde mir sehr helfen!)
(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Jens Na- cke [CDU]: Ich versuche, beides zu sein! Sie scherzen hier doch auch die ganze Zeit rum!)
Es gibt dazu in der Tat - Herr Försterling hat es eben gesagt - einen Vorschlag des FDP-Landesvorsitzenden Birkner. Er sagte dazu in der Hannoverschen Neuen Presse:
„Das Beste wäre, wenn der Bund den Ländern die Entscheidung überließe, wie sie das Geld verwenden wollen. Dann können die Bayern wie gewünscht ihr Betreuungsgeld bekommen, und wir könnten die Kinderbetreuung weiter ausbauen.“
Herr Försterling, schauen Sie sich einmal die Überschrift des Antrags an: „Betreuungsgeld verhindern - Finanzmittel für Krippenausbau verwenden - Krippengipfel einberufen“.
Meine Damen und Herren von der FDP, stimmen Sie diesem Antrag gleich zu, er fordert genau das Gleiche wie Ihr Landesvorsitzender. Dann kommen wir hier auch zu einer Mehrheit.
Nun hat sich der zuständige Ressortminister, Herr Minister Althusmann, zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses. Bitte schön!
Es dürfte der Öffentlichkeit nicht entgangen sein, dass Ihre SPD 2008 in der Großen Koalition im Bundestag das Betreuungsgeld im Bundesrecht verankert hat. Sie waren mit dabei.
(Johanne Modder [SPD]: Das steht doch jetzt zur Entscheidung an! Wenn Sie es falsch finden, lehnen Sie es doch ab!)
Heute tun Sie so, als hätten Sie mit alldem überhaupt nichts zu tun. Das nenne ich unredlich und im tiefsten Sinne an der Sache völlig vorbei. Sie sollten sich vielleicht einmal zu der grundsätzlichen Entscheidung der Einführung einer Wahlfreiheit für die Menschen in unserem Land bekennen: Eltern werden nicht bevormundet; ihnen wird nicht vom Staat vorgeschrieben, ob sie ihr Kind in einer Krippe unterbringen oder zu Hause erziehen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Niemand will ihnen das vorschreiben! - Weitere Zurufe von der SPD, von den GRÜ- NEN und von der LINKEN)
Ich glaube im Übrigen, dass es vielleicht auch ganz wichtig ist, dass sich Deutschland einmal über diese Frage und über die grundsätzliche Auffassung von Familie streitet. Ich halte das gar nicht für schlimm. Ich halte nur die Art und Weise, wie die Debatte über das Für und Wider geführt wird, nicht für fair. Sie ist an ideologischer Konfrontation nicht mehr zu überbieten. Alle Argumente werden in irgendeiner Form, wie es gerade so passt, durch die Gegend geworfen.
Diese Debatte wird, wie gesagt, auch zutiefst unehrlich geführt. Herr Brammer, Sie haben gesagt, die Kinder sollen aus den Krippen in Niedersachsen rausgekauft werden.
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ist ja auch so! - Johanne Modder [SPD]: Lesen Sie mal das Statement des Kinderschutzbundes dazu!)
Meine Damen und Herren, in keiner Weise geht es darum. Wenn Sie den Gesetzentwurf genau gelesen hätten, dann wüssten Sie, dass das Geld für die Eltern vorgesehen ist, die für ihre Kinder keinen Betreuungsplatz in einer Krippe erhalten haben oder sich gegebenenfalls bewusst und freiwillig dafür entschieden haben, einen Platz nicht anzunehmen.
Herr Präsident! Herr Minister, vielen Dank für die Ehre. Ich wollte Sie fragen, an welcher Stelle ich in einem Gesetz dieses Bundeslandes etwas von „Krippenpflicht“ lesen kann.
(Zustimmung bei der CDU - Ah! bei der SPD - Kreszentia Flauger [LIN- KE]: Hat auch niemand gefordert!)
Ich will darauf aufmerksam machen - es wird ja immer gerne danach gefragt, worin sich eigentlich die großen Parteien, die Volksparteien noch unterscheiden -, dass Sie ein ganz anderes Familienbild haben als wir. Sie haben eine ganz andere Auffassung von der Erziehung von Kindern. Sie haben eine ganz andere Auffassung davon, wie früh sich Eltern für die Art der Betreuung entscheiden sollten. Nehmen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis, dass 80 % der Eltern in Deutschland ihre Kinder im Alter von unter einem Jahr nicht in eine Krippe geben, sondern in der Familie behalten, weil die Familie in aller erster Linie die Bildungsanreize setzt.
(Beifall bei der CDU - Frauke Heili- genstadt [SPD]: Was hat das mit dem Betreuungsgeld zu tun? - Weitere Zu- rufe von der SPD)