Denn was wir hier gerade erlebt haben, ist der schlechte Versuch, ein hochsensibles Thema zum Wahlkampfthema zu machen.
Vor diesem Hintergrund erachte ich es zunächst als notwendig, die Debatte auf den Aspekt zu konzentrieren, um den es hier in Niedersachsen geht. Wir werden nicht über das Ob einer Sicherungsverwahrung reden, wir haben als Land aber über das Wie der Sicherungsverwahrung zu reden. Jede andere Herangehensweise an das Thema ist gleichzusetzen mit dem Werfen von Nebelkerzen. Das machen wir nicht mit.
Über das Wie der Sicherungsverwahrung, wie sie auszugestalten ist, hat sich das Bundesverfassungsgericht klar geäußert. Ich finde, es ist wirklich ein Armutszeugnis, dass sich diese Landesregierung, dieser Justizminister, mit der Thematik der Sicherungsverwahrung inhaltlich erst dann auseinandergesetzt hat, nachdem das Bundesverfassungsgericht Sie dazu gezwungen hat.
Ich darf noch einmal daran erinnern - das Beispiel wurde bereits genannt -: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Dezember 2009 ein Urteil zum Thema Sicherungsverwahrung gefällt.
Anlässe zum Handeln gab es also genug. Aber man hat ja nicht gewollt. Vielmehr beschränkte sich der Minister darauf, Gerichtsurteile zu ignorieren, und ließ in Äußerungen jede gebotene Sachlichkeit vermissen.
Für uns ist klar: Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sind ohne Wenn und Aber umzusetzen. Das Abstandsgebot zwischen Strafhaft und Sicherungsverwahrung ist umzusetzen.
Das Leben der Sicherungsverwahrten soll dem Leben außerhalb der Mauern so weit wie möglich angeglichen werden.
Die heutige Diskussion, dass es Gerichtsurteile brauchte, um Sie zum Handeln zu bringen, und vor allem zahlreiche Aussagen in Interviews belegen ganz eindeutig: Diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP sind in der Debatte nicht Handelnde, sondern Getriebene - und das ist eine denkbar schlechte Ausgangslage, um dem Thema gerecht zu werden.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Wol- len Sie das jetzt bauen oder nicht?)
- Herr Kollege Nacke, ob wir das bauen wollen? - Es wird doch längst gebaut. Ich verstehe die Diskussion nicht.
Sie wollen sich mit dem Thema Sicherungsverwahrung gar nicht erst auseinandersetzen, sondern kommen uns stattdessen reihenweise mit platten Sprüchen.
Im Januar 2011 verkündete der Justizminister - das Beispiel wurde bereits genannt -, er lasse keinen raus und - Ergänzung - er fordere ein Urteil aus Karlsruhe. Dieses Urteil hat er bekommen. Herzlichen Glückwunsch! Aber mit seiner Verweigerungshaltung hat er schlicht Zeit verschwendet. Mit lockeren Sprüchen über Sozialromantik oder Ähnliches können Sie an Stammtische gehen, aber damit können Sie keine Debatte im Niedersächsischen Landtag bestreiten.
Sie gaukeln der Bevölkerung Sicherheit vor, aber Ihre politischen Entscheidungen führen zu einem Mehr an Unsicherheit. Ein Mehr an Sicherheit erreichen wir, wenn wir konsequent auf Resozialisierung und damit einhergehend auch immer wieder auf das Anbieten von Therapien setzen. Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig gesagt, dass keiner aufgegeben werden darf. Das kann man gut finden, das kann man schlecht finden, aber das ist so. Der Staat hat eine nicht nachlassende Motivierung zur Therapie zu gewährleisten. Wegsperren, nichts machen bringt kein Mehr an Sicherheit, sondern gefährdet die Sicherheit, meine Damen und Herren.
Ein Mehr an Sicherheit erreichen wir auch nur dann, wenn wir ein gerichtsfestes Vollzugsgesetz zur Sicherungsverwahrung verabschieden. Der
von den Regierungsfraktionen eingebrachte und im Ministerium erarbeitete Gesetzentwurf zeigt: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich redlich bemüht; gebremst wurde an der Spitze des Ministeriums. Wozu hätte es geführt, wenn wir die Vorlage so, wie sie eingebracht wurde, verabschiedet hätten? - Das Gesetz würde erfolgreich beklagt, es würde einkassiert, und wir stünden mit leeren Händen da. Es zeigt sich erneut: Mit diesem Gesetzentwurf hätten Sie mehr Unsicherheit als Sicherheit produziert.
Es ist doch kein Zufall, dass der Rechtsausschuss und vor allen Dingen der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst in intensiven Beratungen den Reparaturbetrieb für diese völlig verfehlte Regierungspolitik geben.
Die Überschrift Ihres Antrags zur Aktuellen Stunde ist der untaugliche Versuch, die Bevölkerung zu blenden, damit sie nicht erkennt, wie schlecht Ihre Regierungspolitik ist.
In der Anhörung hat z. B. Professor Dr. Johannes Feest Ihren Gesetzentwurf als einen Entwurf mittlerer Art und Güte bezeichnet. Ich finde, mit dieser Formulierung war er noch sehr freundlich.
Ob wir einen guten, einen modernen Entwurf für den Vollzug der Sicherungsverwahrung zustande bringen, werden die Beratungen der nächsten Wochen zeigen. Dass wir auf einem besseren Weg sind als mit Ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf, ist den Angehörten, dem GBD und den Oppositionsfraktionen zu verdanken.
Sie wollen sich mit fremden Federn schmücken, Sie wollen mit der heutigen Debatte ablenken, aber das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Zwischenrufe gehören zur parlamentarischen Debatte. Sie wirken aber störend, wenn sie permanent eingeworfen werden.
Genauso wenig kann man es dulden, Herr Kollege Haase, wenn gefragt wird, was jemand am Morgen getrunken hat. Auch das ist unparlamentarisch und nicht in Ordnung. Aber darüber können sich vielleicht die beiden Protagonisten unterhalten.
(Hans-Dieter Haase [SPD]: So wie er drauf ist! - Gegenruf von Jens Nacke [CDU]: Das ist unverschämt! Das un- terstellt, dass ich alkoholisiert bin! Ich finde, dafür kannst du dich entschul- digen! Das gehört sich so! - Gegenruf von Johanne Modder [SPD]: Dann musst du nicht solche Zwischenrufe machen!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns sicherlich darüber einig, dass das Thema Sicherungsverwahrung in den letzten Jahren das vielleicht schwierigste und sensibelste Thema der Politik - und nicht nur der Rechtspolitik - gewesen ist. Ich bin den Antragstellern für die heutige Debatte dankbar. Es geht um eine Standortbestimmung. Wir und auch die Öffentlichkeit müssen wissen, wer in der Frage der Sicherungsverwahrung verlässlich ist und wer vielleicht nicht ganz so sicher aufgestellt ist.
- Frau Kollegin, wir haben ja kürzlich lesen können, dass jemand aus Ihren Reihen die Meinung vertreten hat, Sicherungsverwahrung sei überflüssig - wie auch immer das zu deuten ist.
Deswegen bin ich der SPD dankbar, dass sie gesagt hat, wir diskutieren hier nicht über das Ob, sondern nur über das Wie.
- Frau Kollegin, damit sind wir schon dicht beieinander. Aber offenbar ist nicht jeder in der Sozialdemokratie so verortet. Gleichwohl war auch die Rechtslage in den letzten Jahren durchaus schwierig.
Und noch ein kleiner Seitenhieb zwischendurch: Ich glaube, für die Aussage „Wegsperren für immer“ hält der Genosse Gerhard Schröder das Urheberrecht.
Die Rechtsstreitigkeiten der letzten Jahre haben sich sicherlich auch um das Ob der Sicherungsverwahrung gedreht, jedenfalls wenn man in Richtung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte schaute. Entzündet aber haben sie sich an der Frage, was ist, wenn die zehn Jahre abgelaufen sind, und daran, ob die Sicherungsverwahrung auch nachträglich verhängt werden darf. Die Diskussionen darüber waren durchaus schwierig. Deswegen war ich auch dankbar, als Karlsruhe im Mai 2011 sein Urteil gesprochen und damit Klarheit geschaffen hat. Ich denke, das hat uns allen ein ganzes Stück geholfen.
Nach der Rechtsprechung sowohl aus Straßburg als auch aus Karlsruhe ist nun klar: Es darf Sicherungsverwahrung geben, und zwar sowohl in der Variante geben, dass sie mit dem Urteil verhängt wird - das regelt jetzt der Bundesgesetzgeber -, als auch in der Variante, dass im Urteil ein entsprechender Vorbehalt ausgesprochen wird, um den Werdegang des Inhaftierten und später vielleicht Sicherungszuverwahrenden zu beobachten.
Es ist ganz interessant - ich persönlich habe mich insofern in der letzten Zeit durchaus zurückgenommen -, dass die Justizminister aus NordrheinWestfalen (SPD), aus Sachsen-Anhalt und aus Bayern nun vom Bundesgesetzgeber einfordern, die nachträgliche Sicherungsverwahrung wieder mit zu verankern, damit ihnen da keine Panne unterläuft. - Ich will das einmal offenlassen und mich nicht darauf kaprizieren.
Nach dem Urteil aus Karlsruhe ist also klar: In Deutschland darf und muss es Sicherungsverwahrung geben. Es sollte zumindest Konsens darüber bestehen, dass wir dieses Urteil nun entsprechend umsetzen müssen.