Protokoll der Sitzung vom 07.11.2012

Der Hinweis auf vermiedene Begehrlichkeiten ist doch Unsinn! Die Landesregierung bedient sich doch selbst entsprechender Begehrlichkeiten mit dem Ausbuchen der globalen Minderausgaben und dem Verzicht auf höhere Veräußerungserlöse. Da fängt es doch schon an. Die zusätzlichen Einnahmen und Einsparungen sind doch bekannt.

Was hindert den Niedersächsischen Beamtenbund daran zu fordern, diese zur Wiederaufnahme der Weihnachtsgeldzahlungen zu verwenden? Oder was hindert die Fraktion DIE LINKE daran, zu Ihrem Gesetzentwurf einen Änderungsantrag in ihrem Sinne vorzulegen?

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Studien- gebühren!)

Oder hat Schwarz-Gelb etwa Angst, die eigene Fraktion nicht unter Kontrolle zu haben, weil die durch die Wahlumfragen entstandene Torschlusspanik gerade dort noch zu Wahlkreisbegehrlichkeiten führt?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das wäre in der Tat fatal; denn da hat die Landesregierung wirklich keinen Handlungsbedarf. Sie hat seit vielen Jahren keinen Sparhaushalt mehr vorgelegt. Die Wahlgeschenke werden seit vielen Jahren verteilt. Sie müssen auch schon längst verteilt sein, um noch wahlwirksam zu werden. Die Massierung von Bewilligungsbescheiden, Eröffnungen und Spatenstichen unter Beteiligung der Mitglieder der Landesregierung, allen voran unser MP, in den letzten Wochen dürfte doch keinem aufmerksamen Lokalzeitungsleser entgangen sein.

Diese Landesregierung hat nicht gespart und spart auch jetzt nicht. Die zusätzlichen Mittel fallen der Landesregierung durch äußere Bedingungen ohne eigene Bemühungen in den Schoß.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Es ist nur selbstverständlich, dass entsprechend weniger neue Schulden gemacht werden.

Ich darf daran erinnern, dass der Haushalt 2012 auch danach noch verfassungswidrig ist. Zur Einhaltung der Schuldenbeschränkung nach Artikel 71 müssen den 720 Millionen Euro Schulden auch die 638 Millionen Euro neue Schulden aus den alten Kreditermächtigungen, aus der Rücklage zugerechnet werden. Dann liegen wir immer noch über der Grenze nach Artikel 71. Das ist ein weiterer Grund, warum die Reduzierung der Neuverschuldung keine politische Höchstleistung, sondern schlicht und einfach alternativlos ist, Herr Dürr.

Was wir Schwarz-Gelb allerdings nicht vorwerfen, was in der Presse stand, ist eine bewusste Einschränkung der Möglichkeiten der neuen Landesregierung für den kommenden Haushalt. Das ist ein Trugschluss, der die Entscheidung des Staatsgerichtshofs nicht berücksichtigt, die ja zum Tra

gen kommt, wenn man den vor der Gerichtsentscheidung verabschiedeten Doppelhaushalt entsprechend ändert.

Meine Damen und Herren, hierbei geht es nicht um die Verleihung des großen Konsolidierungsordens. Denn konjunkturbedingt hohe Steuereinnahmen können nun einmal eigene Konsolidierungsbemühungen auf Dauer nicht ersetzen, Herr Dürr. Hier geht es allenfalls um den Sonderpreis für die plumpeste Wählertäuschung. Den gewähren wir Ihnen gern.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE hat nun Herr Dr. Sohn das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Wahlkampf beginnt, von Tag zu Tag mehr Spaß zu machen. Herr Dürr erklärt sich selbst zum Kämpfer gegen die Macht der Finanzmärkte - das ist eine ganz neue Variante -, und Herr Klein entpuppt sich auf seine letzten Tage als der eigentliche Sparkommissar dieses Parlaments.

Wo Herr Thümler recht hat, hat er recht. Was dort passiert ist, hat ein bisschen die Wirkung eines selbst angestrengten Urteils von Bückeburg. Herr Dürr, manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Kokolores ist das nicht. Das ist sozusagen das November-Herbstmanöver eines Wahlkampfes, der für Sie ziemlich schlecht läuft. Das ist natürlich mehr als Kokolores.

Manchmal sieht man bei solchen Manövern den Wald vor lauter Bäumen nicht. Es sind mindestens zwei Waldstücke, auf die ich Sie dezent hinweisen will.

Den Schuldenanstieg, den Sie zu verantworten haben, dämpfen Sie nur leicht ab. Es bleibt im Kern bei der nackten Tatsache, dass Sie mit einem Schuldenberg von 40 Milliarden Euro für das Land Niedersachsen und seine Bürger angefangen haben und - das ist Ihre Schlussbilanz - mit einem Schuldenberg von fast 60 Milliarden Euro abtreten. Das ist das Ergebnis Ihrer unterirdischen Haushaltspolitik.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Vor allem aber häufen Sie außerdem einen Berg von sozialen Schulden auf. Dazu kommen wir gleich noch. Die Schulausbildung wird immer stärker vom Geldbeutel der Eltern abhängig, die Krankenhäuser verfallen, die Löhne reichen bei vielen nicht zu einem gescheiten Leben, geschweige denn zu einer ordentlichen Rente. Dieser Berg der Ungerechtigkeiten wächst schneller als Ihr Schuldenberg. Herr Klein, da hätten wir schon den einen oder anderen Gedanken, um an diesem Schuldenberg etwas zu tun.

Natürlich gibt es Alternativen, auch haushalterische Alternativen.

Nun gibt es kluge Antimarxisten. Das ist eine seltene Kombination, aber es gibt sie. Einer von denen hat in der heutigen Ausgabe der HAZ zu der Perspektive, was das alles heißt, Folgendes geschrieben. Das beschreibt den eigentlichen Zweck dieses Gesetzentwurfs Im Grunde ist das ein Gesetzentwurf, der zeigt, dass sich zumindest die CDU schon auf die Oppositionsrolle vorbereitet.

(Oh! bei der CDU)

Der Gesetzentwurf hat einen einzigen politischen Sinn, nämlich die Fesselung der künftigen Regierung, die man nicht selber stellt. Sonst ergibt er überhaupt keinen politischen Sinn.

(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist der Beweis dafür, dass Sie schon einmal anfangen, sich auf die Opposition einzurichten. Das ist der politische Kern dieser Geschichte.

(Sehr schön! bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Dieser erstaunlicherweise kluge Antimarxist sagt heute in der HAZ:

„Wer immer 2013 das Land regiert, kann also seine geplanten Ausgaben kaum über neue Schulden finanzieren. Dann fehlt das Geld für großartige Investitionen in Kindergärten, neue Lehrer oder einen Ausgleich für die Universitäten, sollten die Studiengebühren abgeschafft werden. Die nächste Regierung wird, sobald sich die Konjunktur“

- ein drohender Satz -

„tatsächlich eintrüben sollte, als Erstes ein Spar- und Kürzungsprogramm auflegen müssen.“

(Jens Nacke [CDU]: Wem winken Sie da eigentlich immer zu?)

Nun endet leider dieser Kommentar - weil darunter Reklame erscheint - an dieser Stelle eigentlich zu früh.

(Zurufe von der CDU: Von irgendwas muss die HAZ auch leben! - Jetzt hat er auch schon etwas gegen Reklame!)

Das ist zu früh geschlussfolgert; denn das ist nur dann richtig, wenn man nicht im Falle von Spekulanten, Banken und Geldbesitzern endlich steuerlich konsequenter vorgeht und sie zur Kasse bittet.

Wenn es also tatsächlich keine Neuverschuldung mehr gibt, dann gibt es immerhin noch die Alternative eines kräftigeren Zugriffs durch Steuern bei denen, die in der letzten Zeit zunehmend Steuergeschenke bekommen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist im Übrigen auch vor dem Hintergrund des Bückeburger Urteils folgerichtig. Wir sind ja sozusagen die Verteidiger der Verfassung, insbesondere des Artikels 71 unserer Verfassung.

(Oh! bei der CDU - Dr. Stephan Sie- mer [CDU]: Glauben Sie das selbst? Sie sind verfassungsfeindlich! Sie lehnen die Verfassung doch ab, Herr Dr. Sohn, das wissen Sie genau!)

- Herr Dr. Siemer, ich halte nach wie vor den Artikel 71 unserer Verfassung für völlig sinnvoll. Es ist nämlich vernünftig, Kredite aufzunehmen, wenn man als Häuslebauer oder -bauerin oder als Unternehmer eine Investition für die Zukunft leistet. Deshalb muss es auch für das Volk sinnvoll sein, eine Investition in die Zukunft zu leisten und dafür Kredite aufzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Stephan Siemer [CDU]: Wir investieren in Bil- dung, Wissenschaft und Infrastruktur!)

Das ermöglicht Artikel 71. Den wollen Sie abschaffen. Wir halten das für Blödsinn, wie Sie wissen.

Das wäre die sinnvolle Alternative, die leider von der FDP nicht gesehen wird. Da sehen Sie den Wald vor lauter Bäumen nicht. Diese Alternative wird auch von anderen nicht gesehen. Wir werden das nachher beim Nachtragshaushalt - es gibt eine Nachtragshaushaltsdebatte, egal ob Sie das wollen oder nicht oder wie Sie das nennen - genauer ausführen.

Ansonsten bewerten wir das, was Herr Dürr gesagt hat, tatsächlich als das letzte Wahlkampfmanöver der FDP. Sie wird den Platz frei machen, den vernünftigerweise andere ausfüllen.

Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu dem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht vor.

(Zuruf von der CDU: Schade!)

- Das kann man so oder so sehen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 c auf: