Protokoll der Sitzung vom 07.11.2012

Es ist schon darauf hingewiesen worden: Nachdem das Bundesverfassungsgericht entsprechende Übergangslösungen durchgesetzt hat, können wir sehen, dass wir gerade aus Serbien und Mazedonien einen Anstieg an Zuwanderung nach Deutschland zu verzeichnen haben. 500 %, 600 %, 700 % sind zusätzlich nach Deutschland und nach Niedersachsen gekommen. Es ist ganz interessant, wie diese sich äußern. Sie sagen unumwunden, dass sie gehört hätten, dass es hier mehr Geld gibt, und dass sie dieses Geld für einen gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen wollen.

Das zeigt, dass wir sehr sorgfältig damit umgehen müssen. Es darf keine Pull-Effekte geben. Es geht darum, dass diejenigen, die tatsächlich verfolgt sind, ein Asylrecht haben.

Ich gebe offen zu: Wenn man die Leistungen beim Asylbewerberleistungsgesetz 20 Jahre lang nicht angepasst hat, so geschieht es fast sehenden Auges, dass man ein solches Urteil kassiert. Deshalb muss man sich an die Nase fassen. Alle Fraktionen, nicht nur hier, sondern auch auf Bundesebene, müssen das so sehen.

Aber daraus abzuleiten, das Asylbewerberleistungsgesetz müsse abgeschafft werden, ist die völlig falsche Folgerung. Insofern haben wir für die morgige Innenausschusssitzung des Bundesrats beantragt, die Bundesregierung aufzufordern, die

Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes sofort nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, damit Klarheit herrscht und das Urteil so schnell wie möglich umgesetzt wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Antrag soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport und zur Mitberatung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden.

Es gibt einen Antrag zur Geschäftsordnung. Frau Kollegin Polat, bitte!

Frau Präsidentin, wir beantragen aufgrund der morgigen Bundesratssitzung sofortige Abstimmung.

Ebenfalls zur Geschäftsordnung hat Herr Minister Schünemann das Wort. Er hat ohnehin immer das Wort.

Ich möchte nur darauf antworten. Entweder habe ich mich falsch ausgedrückt, oder Sie haben es falsch verstanden. Morgen tagt der Innenausschuss des Bundesrates. Seine Beschlüsse haben empfehlenden Charakter. Die Bundesratssitzung, in der das behandelt wird, findet wesentlich später statt. Insofern ist keine Eilbedürftigkeit gegeben.

Frau Kollegin Polat hat sich noch einmal gemeldet. Bitte sehr!

Wir möchten es gerne als Empfehlung in die Innenausschusssitzung des Bundesrats geben.

Das heißt, Sie bleiben bei Ihrem Antrag. - Gibt es weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung? -

Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur sofortigen Abstimmung, die beantragt ist.

(Jens Nacke [CDU]: Moment! Wir wi- dersprechen!)

- Ich habe keine weitere Wortmeldung zur Geschäftsordnung gesehen.

(Jens Nacke [CDU]: Danach muss man ja fragen!)

Aber Sie haben völlig recht. Bevor wir zur sofortigen Abstimmung über einen Antrag kommen, muss ich erst einmal fragen, ob Ausschussüberweisung beantragt wird. Wird Ausschussüberweisung beantragt?

(Jens Nacke [CDU] meldet sich)

- Ja.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Dazu braucht man 30 Leute! - Heiterkeit)

- Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDUFraktion, Herr Nacke, hat signalisiert, dass er das für die gesamte Fraktion macht. Das können Sie mir abnehmen.

Wir kommen nun zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport, mitberatend soll der Ausschuss für Haushalt und Finanzen tätig werden. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 24:

Abschließende Beratung: Mutterschutzzeit auf 20 Wochen verlängern - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/5165 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration - Drs. 16/5351

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen, sodass ich die Beratung eröffnen kann. Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Kollegin Flauger zu Wort gemeldet. Sie hat das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass die Regierungsfraktionen unseren Antrag einfach vom Tisch fegen, ist nur als arm zu

bezeichnen. Sie täuschen ständig Interesse am demografischen Wandel vor und bejammern den Geburtenrückgang, dabei interessieren sie sich für die Situation der jungen Mütter überhaupt nicht. Denn wenn es anders wäre, hätten Sie zumindest einen Gegenvorschlag einbringen können. Ich hätte mir aber auch gewünscht, dass SPD und Grüne einen Alternativvorschlag machen, wenn sie unserem Vorschlag zur Umsetzung des Beschlusses des Europäischen Parlaments nicht zustimmen können.

Im Ausschuss wurde von einigen Seiten darauf verwiesen, dass es ja die Elternzeit gebe. Da haben Sie etwas nicht verstanden. Elternzeit ist keine Verlängerung des Mutterschutzes. Unser Anliegen - ich sagte es schon - geht auf einen Beschluss des Europaparlaments zurück und bezieht sich explizit auf den Ausbau von Arbeitnehmerinnenrechten, genauer: auf den Ausbau des Gesundheitsschutzes von jungen Müttern. Ganz unabhängig von der Frage, ob und wie schnell die jeweilige Frau wieder arbeiten gehen will oder auch muss, dient der Mutterschutz dazu, die Zeit vor und nach der Geburt stärker zu entzerren oder - neudeutsch gesprochen - zu entschleunigen, und zwar - das ist ganz wichtig - zu den Bedingungen der Lohnfortzahlung. Da macht es sehr wohl einen erheblichen Unterschied, ob es 14 oder 20 Wochen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Immerhin hat man sich im Sozialausschuss dazu durchgerungen, eine Synopse über die Mutterschutzzeiten in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu erstellen. Ein Blick darauf ist wirklich interessant. In fast allen anderen Ländern liegen die Zeiträume etwas oder sogar deutlich über den 14 Wochen in Deutschland. Zwar werden nicht überall 100 % des Lohns gezahlt, aber in vielen Ländern schon. Deutschland ist das reichste Land der Europäischen Union. Selbst in Litauen zahlt man 18 Wochen lang die gesamten 100 %.

Meine Damen und Herren, ich finde, Sie sollten Ihre Haltung noch einmal überdenken und mit uns für ein deutliches Zeichen im Bundesrat stimmen, damit endlich einmal die sozialen Belange in Sachen EU-Angleichung in den Mittelpunkt gestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Flauger. - Nun hat sich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Twesten zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über den Mutterschutz sprechen, müssen wir leider feststellen, dass Deutschland mit zwei weiteren Mitgliedstaaten das Schlusslicht in der EU bildet. Bislang gilt bei uns in Deutschland lediglich eine Mindestnorm von 14 Wochen, die sich an einer Richtlinie aus dem Jahr 1992 orientiert. Über das Thema, den Mutterschutz auszudehnen, sprechen wir in Europa bereits seit mehr als zwölf Jahren. Acht Jahre ließ sich die Kommission Zeit, eine entsprechende Gesetzesänderung auf den Weg zu bringen. Das Schneckentempo hatten seinerzeit die Regierungen in Europa verursacht; denn sie waren der Meinung, dass der finanzielle Schutz der Arbeitgeber über das Wohl der Betroffenen, nämlich der Mütter und Kinder, zu stellen ist.

Meine Damen und Herren, nach der ILO-Richtlinie von 1992 wird allein abhängig Beschäftigten der Mutterschutz gewährt. Hier, möchte ich festhalten, käme ein verlängerter Mutterschutz insbesondere alleinstehenden und den Müttern zugute, die aus finanziellen Gründen keine Elternzeit nehmen.

Die Gegner einer Verlängerung behaupten, dass in Deutschland das Elterngeld eine Ausweitung des Mutterschutzes überflüssig mache. Tatsächlich sind alleinerziehende Mütter und Frauen im Niedriglohnsektor darauf angewiesen, ihren vollen Lohn zu erhalten. Eine Wahlfreiheit haben diese Frauen nicht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sie müssen, ob es ihnen gut geht oder nicht, wieder zur Arbeit gehen. Diesen Frauen würde eine Regelung mindestens im Sinne der ILO sehr wohl helfen.

(Glocke der Präsidentin)

Auch wird gegen eine Verlängerung gerne ins Feld geführt, dass Arbeitgeber mehr zu zahlen hätten und deswegen weniger Frauen eingestellt würden. Dies entbehrt jeglicher Grundlage. Neun andere EU-Mitgliedsländer zeigen, dass es nicht zum wirtschaftlichen Ruin führt, wenn Müttern der Lohn auch über 14 Wochen hinaus weitergezahlt wird.

Das Europäische Parlament hat sich dieses Themas vor einiger Zeit wieder angenommen. Der Beschäftigungsausschuss des EU-Parlaments hat zusätzlich die Verlängerung des Kündigungsschutzes vorgeschlagen. Die konservativ-liberale Mehrheit hat die Änderung dann abgelehnt und zu Fall gebracht.

(Glocke der Präsidentin)

Auch in Europa zeigt sich wie im Bundestag und hier im Niedersächsischen Landtag, dass der Mix aus Liberalen und Konservativen alles andere als der Vereinbarkeit von Familie und Beruf förderlich ist.