Protokoll der Sitzung vom 08.11.2012

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist doch in anderen Ländern auch pas- siert!)

Eine zweite Anmerkung: Wenn wir über den Kommissionsvorschlag sprechen, dann reden wir über sechs Gewerkschaftsvertreter, über sechs Unternehmervertreter und über einen Schlichter. Die werden dann anfangen, auf der Grundlage ganz bestimmter Kriterien - u. a. auch auf der Grundlage Ihrer 8,50 Euro, von denen man ja auch nicht weiß, ob sie noch stimmen - einen Lohn festzulegen, der dann in das Gesetzgebungsverfahren einfließt. Was hat das denn dann noch mit Tarifverhandlungen zu tun? - Wer so wie ich schon einmal Tarifverhandlungen miterlebt hat, der weiß, wie anstrengend und schwierig, aber auch zielführend sie sein können. Denken Sie an die Flächentarifverhandlungen im Metallbereich! Das würden Sie auf Dauer zwar nicht eliminieren, aber ausfransen. Und das ist meine Sorge.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Hagenah möchte antworten. Er hat jetzt dazu die Gelegenheit. Bitte sehr!

(Unruhe)

- Einen kleinen Moment, Herr Hagenah. - Verehrte Kollegen, bitte! - Herr Hagenah!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Rickert, Ihre Sorge in allen Ehren. Der Arbeitsmarkt, über den wir heute reden und den wir vor diesen Armutslöhnen schützen wollen, ist aber nicht der, über den Sie eben mit Hinweis auf Ihre Erfahrungen berichtet haben. Es geht um diejenigen, die aus den Tarifgemeinschaften ausgestiegen sind, das sind die, die Tarifflucht begangen haben oder sich überhaupt gar nicht erst einem Tarif angeschlossen haben.

(Gabriela König [FDP]: Warum haben die das gemacht?)

- Weil sie meinten, sich auf diese Art und Weise Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen sichern zu können. Genau das. Außerdem konnten sie sicher sein, dass ihnen der Staat beispringt und den Arbeitnehmern mit Hartz IV ein auskömmliches Einkommen ermöglicht.

Eigentlich eine absurde Situation: ein durch die kalte Küche massenhaft öffentlich geförderter Arbeitsmarkt. Wir müssen bedenken, wie stark wir die Sozialkassen entlasten würden, wenn die Einkommen denn auskömmlich wären. Was wäre das in diesem unteren Segment letztendlich für eine Beruhigung, mit all diesen Versuchen, mit all diesen gewaltigen und zahlreichen Tricks bezüglich Teilzeitarbeit, Leiharbeit und anderem mehr unter diese normalen Einkommen zu kommen?

Wir haben bei uns in Deutschland doch die absurde Situation, dass für Firmenchefs und Personalmanager sogar Seminare dazu angeboten werden, wie sie die deutschen Arbeitsregeln am besten unterlaufen können. Davor müssen wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen. Die können es nämlich nicht allein. Die sind doch denen, die solche Löhne zahlen, ausgeliefert, weil sie keine andere Chance haben und weil sie es sich selbst wert sind, lieber arbeiten zu gehen, als direkt von Hartz IV zu leben. Diesen Leuten wollen wir helfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit sind wir am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Die auf Ablehnung lautende Beschlussempfehlung ist die weitestgehende Empfehlung. Wir stimmen daher zunächst über diese ab. Nur falls diese abgelehnt wird, stimmen wir anschließend noch über den Änderungsantrag ab.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/5186 ablehnen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war die Mehrheit. Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden, und damit ist zugleich der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/5326 nach § 39 Abs. 2 Satz 5 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung abgelehnt.

Wir verlassen diesen Tagesordnungspunkt, und ich rufe den Tagesordnungspunkt 45 auf:

Abschließende Beratung: Soziale Wirtschaftsförderung in Niedersachsen - dringend geboten und rechtlich möglich - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4970 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 16/5298

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein.

Zu Wort gemeldet hat sich die Kollegin Frau Weisser-Roelle. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Weisser-Roelle. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ausdrücklich um Zustimmung zu unserem Antrag werben. Wir wollen endlich auch in Niedersachsen damit beginnen, die Wirtschaftsförderung nachhaltig auch an soziale Kriterien zu binden. In Bundesländern wie dem Freistaat Thüringen oder in Sachsen-Anhalt gibt es wenigstens erste Einzelbeispiele für die zwingende Einbeziehung sozialer Kriterien in die Wirtschaftsförderung.

Immerhin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, geht es in Niedersachsen um ein Volumen von insgesamt rund 500 Millionen Euro, das aus Landesmitteln - sprich: Steuergeldern - für die Ankurbelung der Wirtschaft eingesetzt wird. Wer öffentliche Mittel für sich beansprucht, muss auch Bedingungen erfüllen. Er muss ökonomische Bedingungen erfüllen und Effektivitätskriterien entsprechen. Natürlich - das ist keine Frage - ist das weitgehend geregelt. Selbstverständlich muss er auch ökologische Bedingungen erfüllen; auch das ist keine Frage. Wer aber als Unternehmer Geld aus dem Topf des Landes erhalten will, muss dafür aber auch soziale Kriterien verbindlich erfüllen.

Fördergeld an Unternehmen in Niedersachsen darf - so unser Antrag - ab sofort nur für gute Arbeit ausgereicht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist für die Linke nicht hinnehmbar, wenn Betriebe, die Tarifverträge ignorieren, Dumpinglöhne zahlen und Betriebsräte verhindern, auch noch aus der Landeskasse mit Steuergeldern unterstützt werden. Das darf es nicht mehr geben.

Dem rasanten Anstieg des Niedriglohnsektors sowie von prekärer Beschäftigung in Niedersachsen wie auch bundesweit muss endlich auch in der Wirtschaftsförderung ein Riegel vorgeschoben werden.

Fördergelder zwischen Nordsee und Harz sollen nur noch an Unternehmen ausgereicht werden, die einen Mindestlohn zahlen - die Linke hält 10 Euro für dringend geboten - und die sich an tariflichen Regelungen orientieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Bestandteil der Wirtschaftsförderung sollen demnach künftig auch Mindestquoten für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, von Auszubildenden oder von Menschen mit Behinderung sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle diese Kriterien halten wir für wichtig, wenn es darum geht, Betriebe mit Steuergeldern zu fördern. Darum: Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei der LINKEN)

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau König für die FDP-Fraktion. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soziale Marktwirtschaft ist ein hohes Gut und muss gegen jegliche Angriffe verteidigt werden. Darin sind wir alle uns hoffentlich einig. Was Sie jedoch sonst in Ihren Antrag hineininterpretieren, nämlich die Wirtschaftsförderung sei der Oberwächter, ist jenseits der Realität.

Schlagworte wie „Niedriglohn“ und „prekäre Beschäftigung“ kennen wir von Ihnen zur Genüge. Dass Ihre gewerkschafts- und SPD-nahen Stiftungen eine Zunahme im Gutachten erkennen, überrascht nicht wirklich. Das ist jedoch deshalb noch lange nicht richtig. Sie unterscheiden nämlich nicht, und darauf kommt es an.

Meine Damen und Herren, richtig ist: Im Verlauf der abnehmenden Arbeitslosigkeit ist bereits ein großer Teil an Arbeitnehmern aus der unteren Lohngruppe aufgestiegen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten stieg in Niedersachsen allein in den letzten zwölf Monaten um 67 200 Arbeitnehmer bzw. um 2,7 % auf 2,6 Millionen an.

(Zustimmung von Dr. Karl-Ludwig von Danwitz [CDU] und Dr. Stephan Sie- mer [CDU])

Damit belegt Niedersachsen zusammen mit Bayern bei der Beschäftigungsentwicklung bundesweit aktuell den zweiten Platz hinter Berlin mit 3,5 %. In Niedersachsen entstehen derzeit an jedem Arbeitstag etwa 266 neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Das müssen wir uns einmal richtig vor Augen führen. Sie wollen uns doch nicht wirklich weismachen, dass das alles prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind!

Meine Damen und Herren, von 2010 auf 2011 ging die marginale Beschäftigung in Niedersachsen um 1,2 % zurück.

(Zustimmung bei der CDU)

Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung stieg aber um 3,1 %

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Eine Untersuchung des DIW hat zur Mittelschicht Stellung bezogen. Das Institut beweist damit, dass 50 % der Bevölkerung zur Mittelschicht gehören. Abstiege sind dort selten, aber es gibt vermehrt Aufstiege. Darin wird auch erklärt, dass der Mangel

an Geld nicht das größte Problem darstellt, sondern die Armut an Bildung. Dies erschwert die realen Chancen beim sozialen Aufstieg. Da setzen wir von CDU und FDP an. Da setzen wir den Hebel an. Sie hingegen, Rot-Grün oder Grün-Rot in Rheinland-Pfalz, in NRW und vor allen Dingen in Baden-Württemberg, schaffen die Bildung gerade ab.

(Glocke des Präsidenten)

Das ist das Problem, das die Armut in diesen Bereichen erhöhen wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau König, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Letzter Satz!