Protokoll der Sitzung vom 09.11.2012

Herzlichen Dank, Herr Kollege Hagenah. - Für die FDP-Fraktion hat sich zu diesem Punkt Herr Kollege Rickert gemeldet. Sie haben das Wort.

(Olaf Lies [SPD]: Acht vor dem Kom- ma, jetzt wollen wir es hören! - Kres- zentia Flauger [LINKE]: Jetzt kommt es zum Schwur!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Frau Präsidentin! So viel Zeit muss sein.

(Heiterkeit)

Ich bitte vielmals um Nachsicht. Dass ich das übersehen konnte, ist unverzeihlich.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schminke, auch ich habe einschlägige Erfahrungen im Umgang mit Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen. Ich kann

Ihnen einmal in einer Kaffeepause erzählen, wie das aussieht.

Übrigens hat die gestrige Diskussion über den Mindestlohn gezeigt, dass Bewegung in der Szene ist. Ich zitiere einmal aus der Webseite des iGZ, des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.:

„Auch in der Textil- und Bekleidungsindustrie sowie in der Holz- und Kunststoff verarbeitenden Industrie werden die Löhne von Zeitarbeitnehmern und Stammbeschäftigten in Zukunft schrittweise angeglichen.“

Eine entsprechende Vereinbarung ist meines Wissens mit der IG Metall abgeschlossen. Das ist doch ein erster Schritt in Richtung Mindestlöhne und Equal Pay, wie Sie es immer fordern, der hier zwischen - das betone ich ausdrücklich - Tarifvertragsparteien gefunden worden ist. Warum wollen wir dieses Vorgehen jetzt durch gesetzliche Maßnahmen behindern?

Aber jetzt zum eigentlichen Thema. Die Befürchtung, dass durch die Einführung von Mindestlöhnen in der Zeitarbeitsbranche der Werkvertrag zur Umgehung der dann geltenden Mindestlöhne missbraucht werden könnte, teile ich nicht in diesem befürchteten Ausmaß, obwohl natürlich auch ich Hinweise darauf bekommen habe, dass das versucht wird. Der Charakter eines Werkvertrags sieht so aus, dass der Unternehmer eine ganz bestimmte Leistung schuldet und dass er auch für die vertragsgemäße Ausführung dieser Leistung haftet. Er trägt also in gewisser Hinsicht ein Erfolgs- oder auch Erfüllungsrisiko und behält dabei das Direktionsrecht gegenüber seinen eigenen Mitarbeitern. Bei der Arbeitnehmerüberlassung überträgt der Verleiher die Weisungsbefugnis vorübergehend an den Kunden.

Bei dieser Gelegenheit darf ich anmerken, dass Leiharbeiter in Betrieben sogar an Betriebsversammlungen teilnehmen dürfen.

Sie, die Linken, beklagen in Ihrem Antrag, dass mithilfe von Werkverträgen versucht wird, die Lohnuntergrenze für Leiharbeit zu unterschreiten. So heißt es bei Ihnen. Sie räumen in Ihrem Antrag allerdings selbst ein, dass das illegal ist. In der Tat bedeutet das einen Verstoß gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Es ist rechtswidrig und wird natürlich auch mit entsprechenden Bußgeldverfahren etc. belegt.

Ein zweiter Aspekt: Ich bin der Meinung, dass die Informationsrechte des Betriebsrats, die Sie in Ihrem Antrag fordern, im Betriebsverfassungsgesetz ausreichend geregelt sind. Es ist z. B. ein Wirtschaftsausschuss vorgeschrieben, in dem der Betriebsrat umfassend über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu informieren ist. Dazu gehört auch die Form der Auftragsabwicklung. Das ist ein Informationsrecht des Betriebsrats und kann, wie wir wissen, sogar eingeklagt werden kann.

Darüber hinaus fordern Sie in Ihrem Antrag statistisches Material über Werkverträge usw. Ich kann nicht beurteilen, ob das jetzt zielführend ist und ob der Aufwand, der betrieben werden muss, um diese Unterlagen zur Verfügung zu stellen, gerechtfertigt ist. Aber ich denke, in den Ausschussberatungen wird man noch über das eine oder andere nachdenken.

Ich wollte zu Herrn Schminke nur noch Folgendes sagen: Wenn es denn tatsächlich so ist, dass gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verstoßen wird, dann ist es in der Tat richtig, dass das kontrolliert wird und dass entsprechende Sanktionsmechanismen entwickelt werden, wenn die bisherigen nicht ausreichen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP - Ronald Schmin- ke [SPD]: Das funktioniert doch gar nicht!)

Herzlichen Dank. - Herr Schminke hat sich nicht zu einer Kurzintervention gemeldet, aber das gilt für Frau Kollegin Weisser-Roelle. Die darf jetzt anderthalb Minuten reden. Bitte schön!

Danke schön. - Frau Präsidentin! Herr Rickert, Sie haben auf das Informationsrecht von Betriebsräten hingewiesen. Ich weiß aus dem Unternehmen, in dem ich seit 42 Jahren beschäftigt bin, wo ich zurzeit allerdings nicht arbeite, dass Werkverträge nicht über die Personalabteilungen abgewickelt und geschlossen werden. Werkverträge werden von dem Einkauf geregelt. Die Menschen werden vom Einkauf eingekauft. Somit liegen der Personalabteilung keine Zahlen vor, und somit erhalten Betriebsräte auch keinen Einblick in die Zahl von Werkverträgen. Es ist unendlich schwer.

Darum fordern wir, dass Statistiken erstellt werden müssen, um überhaupt erst einmal zu sehen, wie stark dieses Problem ist und ob es nicht nur die Spitze des Eisbergs ist, die wir hier ansprechen. Die Betriebsräte bekommen keine Informationen. Auch das soll unser Antrag ändern.

(Beifall bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Alles andere ist pra- xisfern!)

Herzlichen Dank. - Herr Kollege Rickert möchte antworten. Bitte schön! Auch für Sie anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Wie ich Ihnen gesagt habe, ich habe einschlägige Erfahrungen im Umgang mit Werkverträgen. Sie haben natürlich völlig recht: Das macht nicht die Personalabteilung, sondern das macht die Einkaufsabteilung.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Men- schen werden doch nicht eingekauft!)

Wenn Sie meinen Ausführungen zugehört hätten, hätten Sie gehört, dass ich gesagt habe, es gibt einen Unterausschuss, den sogenannten Wirtschaftssausschuss. Dieser Ausschuss ist im Betriebsverfassungsgesetz vorgeschrieben.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das wis- sen wir doch! Da waren wir selbst schon drin!)

Die Unternehmensleitung hat diesen Ausschuss über die wirtschaftliche Situation zu informieren, unabhängig davon, ob es sich um Personal handelt. Ich habe ausdrücklich gesagt, dass es dabei natürlich auch um die Form der Auftragswicklung gehen muss.

(Beifall bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist praxisfern, Herr Rickert! Das funktioniert nicht!)

Ganz herzlichen Dank. - Jetzt hat sich für die CDUFraktion Herr Kollege Hillmer zu Wort gemeldet. Bitte schön!

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist Traumtänzerei, dass das funktioniert!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und dem Einsetzen von Fremdfirmen ist auf Basis der Rechtsprechung bereits jetzt rechtlich möglich. Insbesondere schuldet der Verleiher - anders als der Werkunternehmer - nicht die Herstellung eines bestimmten Werkes. Die entliehenen Arbeitnehmer werden nach den Weisungen des Entleihers tätig. Bei einem Werkvertrag besteht dagegen kein Weisungsrecht des Bestellers gegenüber dem Werkunternehmer und dessen Mitarbeitern.

Ein echter Werkvertrag liegt vor, wenn die Fremdfirma ein selbständiges Werk schuldet. Von einem Scheinwerkvertrag spricht man, wenn zwei Unternehmen formal einen Werkvertrag schließen, tatsächlich aber kein Erfolg, sondern die Überlassung von Arbeitnehmern geschuldet wird.

Ob ein echter Werkvertrag vorliegt oder ob in Wirklichkeit Arbeitnehmer an den Werkbesteller überlassen werden, ist anhand von bestimmten Kriterien zu beurteilen, z. B. Erstellung eines qualitativ individualisierbaren und dem Werkunternehmer zurechenbaren Werkergebnisses und einer unternehmerischen Dispositionsfreiheit des Werkunternehmers gegenüber dem Besteller. Die Abgrenzung Werkvertrag/Arbeitnehmerüberlassung muss also stets im Einzelfall anhand der beschriebenen Kriterien erfolgen.

Unternehmen steht es grundsätzlich frei, sich zu entscheiden, ob sie innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen Tätigkeiten durch eigene Arbeitnehmer ausführen lassen oder Dritte mit Werkverträgen beauftragen. Diese Entscheidungsfreiheit ist Ausfluss der allgemeinen Handlungs- und Vertragsautonomie.

Ihre Vorschläge einer Vermutungsregelung, wonach Werkverträge unter bestimmten Voraussetzungen als Scheinwerkverträge gelten sollen, sind aus unserer Sicht problematisch, weil sie in die grundgesetzlich geschützte unternehmerische Entscheidungsfreiheit und in die Privatautonomie eingreifen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Meine Güte, sind Sie ein Lexikon? - Olaf Lies [SPD]: Wikipedia!)

Zum Teil bestehen die geforderten Rechte des Betriebsrats bereits, zum Teil sind sie verfassungsrechtlich problematisch. Bereits jetzt ist der Betriebsrat im Einzelbetrieb zur Feststellung seiner

Beteiligungsrechte über die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsarbeitgeber stehen, zu unterrichten. Im Fall eines Einsatzes von Fremdfirmenarbeitnehmern kann der Betriebsrat Einsicht in die zugrunde liegenden Verträge mit den Fremdfirmen verlangen. Im Rahmen der Personalplanung ist mit dem Betriebsrat auch über geplante Fremdvergaben zu beraten.

Stellt eine Fremdvergabe, meine Damen und Herren, eine Betriebsänderung dar, führt dies nach den Vorgaben der §§ 111 und 112 Betriebsverfassungsgesetz zur Verhandlungspflicht über einen Interessenausgleich und zur Erzwingbarkeit eines Sozialplans.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Sind Sie jetzt bei Wikipedia, oder was?)

Meine Damen und Herren, interessant an der Debatte, die ich eben sehr interessiert verfolgt habe, ist die Positionierung der SPD.

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Sa- gen Sie doch mal was zu Ihrem Kolle- gen Bley, was der gesagt hat! 8 Euro!)

Dieser Antrag ist im Bundestag schon einmal fast wortgleich von den Linken eingebracht und dort auch mit den Stimmen der SPD abgelehnt worden.

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Fordern Sie auch 8 Euro wie Ihr Kol- lege?)

Der Beitrag des Kollegen Schminke und den ihn unterstützenden Beifall aus der SPD-Fraktion aus Niedersachsen hat doch noch einmal allen deutlich vor Augen geführt, wie weit links die SPD in Niedersachsen von der SPD in Deutschland steht.

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Das ist gut für Niedersachsen!)

Ich möchte darauf hinweisen, was vielleicht der Grund dafür ist, dass die SPD in Deutschland etwas vorsichtiger ist.

(Christian Meyer [GRÜNE]: 8 Euro sind linksradikal? Dann ist Herr Bley auch sehr links!)

Der SPD in Deutschland ist sehr bewusst, dass sie selbst auch noch nicht alle ihre Fehler bereinigt hat. Ich möchte nur einmal an das Schiff erinnern, das schon zweimal erwähnt wurde, an die „MS Princess Daphne“. Wir werden uns einmal genau anschauen, ob es vielleicht auch dort Lohndumping gibt. Warum haben Sie die in Madeira ange