Protokoll der Sitzung vom 06.12.2012

Bitte schön!

Frau Kollegin Polat!

Herr Kollege Götz, glauben Sie nicht, dass die Zuwanderer um ihr Potenzial wissen, aber die entsprechenden Angebote fehlen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Götz!

Ich denke, dass man beide Seiten betrachten muss: Zum einen müssen die Angebote verbessert werden. Deshalb haben wir ja den Entschließungsantrag eingebracht. Zum anderen muss auch bei den Zuwanderern Werbung gemacht

werden, damit sie wissen, was sie mit dem Schatz ihrer Sprache anfangen können.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Christoph Dreyer [CDU]: Gut reagiert!)

Meine Damen und Herren, weitere Schritte müssen noch getan werden. Wir müssen mehr Werbung im Bereich der Sprachkultur machen und viele bereits bestehende Möglichkeiten besser nutzen.

Bilingualität bietet zusätzliche Chancen in der Ausbildung und im Beruf, und sie erleichtert die Mobilität.

Für unser stark exportorientiertes Land sind Menschen, die die russische, polnische, türkische, spanische und arabische Sprache und Kultur verstehen und anwenden, willkommene Verhandlungspartner bei wirtschaftlichen Kontakten. Gerade die von mir aufgeführten Sprachen werden in Deutschland gesprochen. Sie müssen besser gepflegt und gefördert werden.

Meine Damen und Herren, Allgemeingut ist, dass durch Bilingualität Kreativität stark herausgebildet wird - ein weiteres Argument für die Förderung der mitgebrachten Sprachen.

Ich war in diesem Frühjahr in Rumänien, in Siebenbürgen. Viele Rumänen dort schicken ihre Kinder in deutsche Einrichtungen, wo sie bis zum deutschen Abitur geführt werden. Ich habe die Eltern gefragt, warum sie das tun. Darauf gab es eine ganz schlichte Antwort: Wenn du Deutsch sprichst, hast du einen Beruf. - Das gilt umgekehrt auch bei uns für die Herkunftssprachen der Zuwanderer.

Meine Damen und Herren, mit diesem Entschließungsantrag bitten wir die Landesregierung, die Potenziale dieser Sprachen zu nutzen und mit den Eltern in Partnerschaft mit den Erziehern und Lehrern Netzwerke aufzubauen. Ferner ist zu prüfen, ob das bestehende Sprachenkonzept für herkunftssprachlichen Unterricht weiterentwickelt werden soll. Wir bitten die Landesregierung auch, den herkunftssprachlichen Unterricht auf die Kindergärten, Grundschulen, die Sekundarbereiche I und II und die berufsbildenden Schulen auszuweiten bzw. ihn zu etablieren. Ziel sollte es sein, dass die Herkunftssprache eine Pflichtsprache ersetzen kann. So könnte man sein Abitur z. B. in den Fremdsprachen Russisch und Englisch ablegen. Ich denke, das wäre ein wichtiger Anreiz.

Meine Damen und Herren, zum Ende noch ein weiterer Gesichtspunkt, den ich bei diesem Thema als sehr wichtig erachte: Wer die Sprache und Kultur seines Herkunftslandes beherrscht und achtet, ist auch offener und bereiter für unsere Sprache und Kultur. Er integriert sich und nimmt unsere Gesellschaft an.

Meine Schlussbemerkung: Die Förderung der deutschen Sprache bei den Zuwanderungsgruppen bleibt primäres Ziel in Niedersachsen. Dies wird auch zukünftig so bleiben. Wir müssen aber den Schatz der Herkunftssprachen noch stärker nutzen. Das ist die Zielrichtung unseres Antrages.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Götz. - Nun hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Borngräber das Wort. Bitte schön!

Frau Lieblingspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Oh! bei der SPD und bei der CDU - Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

„Angebote in den Herkunftssprachen haben inzwischen das Ziel, ‚die Zweisprachigkeit der Schülerinnen und Schüler zu erhalten und zu fördern, ihnen Hilfen zur Integration in die hiesige Gesellschaft zu geben und ihre interkulturelle Kommunikations- und Handlungsfähigkeit zu stärken.’ … Beim Eintritt in die Schule und in den ersten Schuljahren sind die Berücksichtigung und Förderung der herkunftssprachlichen Kenntnisse für die gesamte sprachliche Entwicklung und den Lernerfolg, auch im Hinblick auf die deutschen Sprachkenntnisse, von besonderer Bedeutung.“

Soweit Marcella Heine im Schulverwaltungsblatt für Niedersachsen vom September 2005.

Und was macht nun Schwarz-Gelb in Niedersachsen? - Sie streichen die Mittel für den herkunftssprachlichen Unterricht zusammen. Seit 2007/2008 haben Sie jährlich 2 Millionen Euro in diesem Be

reich gespart bzw. gestrichen. So machen Sie das, meine Damen und Herren!

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In der Tat: Kein Kind darf verloren gehen. - Das hören wir so oft von Ihnen. Das wird von der rechten Seite des Hauses so oft wiederholt und so nett formuliert. Aber bei Schwarz-Gelb gehen viele dieser Kinder verloren. Und das merken die Menschen draußen im Land zunehmend.

Meine Damen und Herren, nun will sich SchwarzGelb aber offensichtlich davon abkehren. Allein der rechte Glaube fehlt mir noch, dass Sie das wirklich tun. Bei CDU und FDP stimmen nämlich das Reden und das Handeln zumindest in dieser Frage nicht überein.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In Absatz 5 Ihres Antrags heißt es: „Ziel ist es, allen Kindern eine erfolgreiche Mitarbeit in den Schulen zu ermöglichen.“ Das ist entlarvend. Schon dieser Satz ist verräterisch; denn das war bisher nicht der Fall.

Ich freue mich natürlich darüber, dass Sie nunmehr die sprachliche, kulturelle und soziale Heterogenität in den Schulen erkannt haben. Das ist sicherlich ein guter Ansatz in Ihrem Antrag, der dazu dient, nun endlich auch die neuerlichen Ergebnisse der Bertelsmann-Studie in politisches Handeln umzusetzen. Denn herkunftssprachlicher Unterricht und interkulturelle Bildung sind sehr wichtig, wenn in den nächsten Jahren nicht wieder auf nur eine einzige Aufschulung zehn Abschulungen folgen sollen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

In der Tat ist eine Intensivierung des muttersprachlichen Unterrichts erforderlich - keine Frage.

Den Aufbau von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften mit Eltern muss man unterstützen. Wie Sie aber den Aufbau von Elternnetzwerken gewährleisten wollen, sagen Sie nicht. Diese Forderung Ihres Antrags ist nicht unterfüttert.

Aber unter Nr. 3 werden Sie so richtig windelweich: Dort bitten Sie die Landesregierung, zu prüfen, ob das bestehende Sprachenkonzept weiterentwickelt werden kann. An dieser Stelle, finde ich zumindest, müssten Sie wesentlich konkreter werden, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Fazit: Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist ein Lippenbekenntnis und Abfeierantrag. Er bleibt nebulös und ist kein Gewinn für Niedersachsen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Insofern kann sich die SPD-Fraktion mit gutem Gewissen dem anschließen, was die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erstmals im November 2008 eingefordert - damals wurde das übrigens von Schwarz-Gelb abgelehnt - und heute in Form eines Änderungsantrags vorgelegt hat. Dem werden wir zustimmen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Borngräber. - Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Korter das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kampf um die Migranten - so ähnlich titelte vor Kurzem eine große Zeitung. Dieser Titel fiel mir sofort ein, als ich den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Mehrsprachigkeit las. Offensichtlich haben Sie kurz vor der Landtagswahl das Wählerpotenzial der Migrantinnen und Migranten entdeckt und möchten da noch schnell mit einem leider sehr nebulösen Antrag punkten.

(Zustimmung bei der SPD - Frauke Heiligenstadt [SPD]: Heiße Luft!)

Die gleichen Fraktionen, die jahrelang den herkunftssprachlichen Unterricht an den Schulen in Niedersachsen abgebaut haben und immer betonten, die Kinder sollten doch erst mal richtig Deutsch lernen, das allein sei wichtig, wollen jetzt auf einmal den herkunftssprachlichen Unterricht ausweiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Unsere Haushaltsanträge dazu haben Sie in schöner Regelmäßigkeit Jahr für Jahr abgelehnt. Und plötzlich dieser Sinneswandel!

Das bleibt in Ihrem Antrag dann aber auch schon die einzige konkrete Forderung, alles andere sind Prüfaufträge. Ansonsten ist offensichtlich der ein

zige Zweck des Antrages, sich selbst und Ihre Landesregierung zu loben. Das werden wir natürlich nicht mitmachen, wie Sie sich vorstellen können.

Mit unserem Änderungsantrag haben wir Grünen deutlich gemacht, was wir seit Jahren gegen Ihren Widerstand eingefordert haben und auch jetzt einfordern: ein ganzheitliches Sprachförderkonzept vom Kindergarten über die Grundschule bis in die Sekundarstufe hinein in allen Schulformen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

die Stärkung der interkulturellen Kompetenz der Lehrkräfte, indem Deutsch als Zweitsprache in der Lehrerausbildung verankert wird,

(Glocke der Präsidentin)