Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Schülerzahlen gehen zurück. Der Fachkräftemangel wird schon spürbar. Trotzdem hatten zu Beginn dieses Ausbildungsjahres noch immer mehr als 11 000 Jugendliche in Niedersachsen keinen Ausbildungsplatz. Zusätzlich befinden sich Tausende von Jugendlichen in sogenannten Übergangssystemen - nicht immer, aber leider viel zu häufig in Warteschleifen, weil die dort erworbenen Qualifikationen nicht auf die Berufsausbildung angerechnet werden. Das wollen wir ändern, meine Damen und Herren. Wir wollen, dass jede und jeder Jugendliche ein Recht auf Ausbildung hat.
Dafür haben wir ein Konzept vorgelegt, das Ansätze des Hamburger Modells für Niedersachsen umzusetzen und weiterzuentwickeln versucht.
Um es gleich vorneweg zu sagen - denn ich höre schon, dass Sie gleich wieder sagen: Angriff auf das duale System -: Unser Konzept legt die Priorität auf das duale System. Dann kommt der wichtigste Vorschlag: Wer nach der Schule sechs Monate lang, obwohl er sich bei den Betrieben beworben hat, keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, soll innerhalb von sechs Monaten ein berufliches Ausbildungsangebot erhalten. Dafür wollen wir die einjährige Berufsfachschule weiterentwickeln. Gemeinsam mit den Betrieben soll sie viel stärker betriebliche Anteile im ersten Ausbildungs
jahr vermitteln und den sogenannten Klebeeffekt nutzen. Wer dann nach dem ersten Jahr von einem Betrieb nicht in weitere Ausbildung übernommen wird, der soll bei einer berufsbildenden Schule oder einem anderen Träger seine Ausbildung weitermachen und mit einer Kammerprüfung abschließen.
Es geht also für jeden nahtlos ohne Bruch weiter: entweder in einem Betrieb in einer betrieblichen Ausbildung oder, wenn das nicht klappt, in einer vollzeitschulischen Ausbildung. Aber alle bekommen ein Recht auf Ausbildung ohne Abbrüche und ohne Lücken.
In der Berufsorientierung wollen wir die Berufseinstiegsklasse und das Berufsvorbereitungsjahr wieder zusammenlegen und auch hier durch Dualisierung verbessern.
Ein ganz großes Problem, meine Damen und Herren, wird der Erhalt der beruflichen Bildung mit dem Rückgang der Schülerinnen- und Schülerzahlen in der Fläche sein. Schon jetzt ist das ein Problem. Hier darf das Land nach unserer Auffassung nicht tatenlos zusehen, wie die eine oder andere Schule ganze Bildungsgänge abschafft, sondern es muss mit Anreizen steuern, damit die Landkreise besser kooperieren und sich z. B. zu Zweckverbänden zusammenschließen, um wenigstens die Erreichbarkeit beruflicher Grundbildung in den Kernberufen auch in der Fläche sicherzustellen.
Last, but not least muss natürlich die von CDU und FDP per Landtagsbeschluss kürzlich festgelegte Vorgabe, sich zu vollzeitlichen Berufsschulausbildungsgängen erst im Juni anzumelden, korrigiert bzw. zurückgenommen werden. Damit tun Sie unseren berufsbildenden Schulen wirklich keinen Gefallen. Das, was Sie dazu letztes Mal beschlossen haben, war einfach Nonsens.
Ich komme zum Schluss: Uns Grünen ist die berufliche Bildung ganz wichtig, ebenso wichtig wie die allgemeine Bildung. Wir werden uns deshalb für ihre Stärkung und dafür einsetzen, dass sie auch in der ländlichen Region in der Fläche erhalten bleibt.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Korter. - Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Frau Reichwaldt das Wort. Bitte schön!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Tagesordnung richtig gelesen habe, sprechen wir heute zum Abschluss der bildungspolitischen Diskussion in dieser Legislaturperiode noch einmal über die berufliche Bildung und über den erheblichen Reformbedarf in Bezug auf die Übergangsysteme.
Mir fällt an dieser Stelle, ehrlich gesagt, noch einmal Pippi Langstrumpf ein: Ich mache mir die Welt, wir sie mir gefällt. - Das fängt an bei dem angeblichen Überangebot an Ausbildungsplätzen, das Sie immer propagieren, und geht bis hin zu den angeblich erfolgreichen Übergangssystemen; das stimmt nicht. Die Übergangssysteme - ich nenne sie „Warteschleifen“ - sind in der Form, in der sie existieren, gescheitert. Das gilt auch für die einjährige Berufsfachschule. Da wird eine gute Ausbildung geboten, wie ich ohne Weiteres zugebe. Sie wird aber nur sehr selten als erstes Ausbildungsjahr anerkannt.
In den anderen vollschulischen Ausbildungen ist die Quote derjenigen, die keinen Abschluss erreichen, skandalös hoch. Es sind vor allem eh schon sozial benachteiligte Jugendliche, die diese Schulen ohne Abschluss verlassen. Das geht so nicht. Ich bestreit auf der anderen Seite aber auch nicht, dass es noch viele offene Ausbildungsplätze gibt.
Die Frage ist nur: Wie finden diejenigen, die einen Ausbildungsplatz suchen, und diejenigen, die Auszubildende suchen, zusammen? - Der Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen geht völlig in die richtige Richtung, weil er genau diese Diskrepanz sehr gut analysiert: Berufsorientierung und Studienorientierung ab Klasse 8 viel systematischer an Schulen sowie individuelles Coaching, woran alle beteiligt werden müssen, also die Berufsschulen, die Berufsschüler, die Ausbildungsbetriebe und auch die Kammern. Hier gilt es, eine gemeinsame Anstrengung zu starten.
Das viel diskutierte Hamburger Modell bietet hier gute Ansätze. Vielleicht ist nicht alles übertragbar. Wir brauchen vor allem aber ein Recht auf einen Ausbildungsplatz im dualen System, und zwar möglichst schnell.
Der Antrag greift für mich zu kurz, was die Ausbildungsplatzumlage angeht. Wer nicht ausbildet, der muss zahlen. Das gilt immer noch, weil wir insgesamt zu wenige Ausbildungsplätze haben.
Das hätte ich gern noch im Antrag gehabt. Trotzdem werden wir ihm zustimmen und insofern die Ausschussempfehlung ablehnen.
Nach fünf Jahren habe ich nicht das Recht, eine große Abschlussrede zu halten. Es ist heute aber meine letzte Rede. Ich kandidiere nicht mehr; dazu habe ich mich im letzten Jahr entschlossen. Ich war vom Parlamentarismus überzeugt und bin es nach diesen fünf Jahren noch mehr. Wir konnten einiges in Bezug auf Transparenz ändern. Vielleicht gibt es zu viele Rituale. Für mich aber ist Schluss.
(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustim- mung bei der CDU und bei der FDP)
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Reichwaldt, auch für die Zusammenarbeit in den Ausschüssen. Ich denke, dass ich hier im Namen aller spreche, wenn ich sage, dass Sie sich immer sachlich eingebracht haben. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft weiterhin viel Erfolg und vor allem Gesundheit. Danke schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Dem Fachkräftemangel begegnen“ - so steht es in der Überschrift. Als ich die Überschrift das erste Mal gelesen habe, habe ich gedacht: Ah, ja, sie gehen auf die Leistungsbilanz dieser Landesregierung ein. - Unsere Landesregierung ist es gewesen, die viele Maßnahmen auf den Weg gebracht hat, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Wir haben den Übergang von der Schule in die Berufswelt besser unter
stützt. Wir bieten jedem Jugendlichen in Niedersachsen eine Chance auf Ausbildung. Das ist unsere Aufgabe, und die haben wir in den letzten Jahren sehr ernst genommen.
Der Antrag, der heute zur Debatte steht, bringt nichts Neues. Das, was sich in dem Antrag sinnvoll anhört - so haben wir es auch in der Ausschussberatung dargestellt -, ist bereits heute Realität in unseren Systemen, und das, was von uns nicht angenommen werden kann, ist auch nicht dazu geeignet, gute Politik für die Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen zu machen.
Wir haben in den vergangenen Jahren die Berufsorientierung systematisch gesteigert. Nicht, dass wir so etwas nur hier in Hannover im Landtag entscheiden, sondern wir gehen diese Wege gemeinsam. Mit der Wirtschaft, mit den Kammern und vielen anderen Institutionen bereiten wir unsere Schülerinnen und Schüler gut auf das künftige Berufsleben vor. Wir machen eben Politik mit den Beteiligten, mit der Wirtschaft und auch mit unseren berufsbildenden Schulen.
Der Anmeldetermin wurde angesprochen. Das ist ein Thema, das, nachdem wir es in den Landtag eingebracht haben, in der Debatte massiv hochgezogen und nach meiner Auffassung auch massiv überhöht worden ist. Ich habe bereits damals im Landtag sehr deutlich gemacht, dass wir bei der Verlagerung des Anmeldetermins an den berufsbildenden Schulen wirklich auf den Dialog miteinander setzen. Wir wollen hier nicht auf Konfrontation zu unseren berufsbildenden Schulen gehen; wir wollen im Konsens einen gemeinsamen Weg finden. Unser Ziel ist eindeutig. Dieses Ziel, junge Menschen in Ausbildung zu bringen, sollte uns hier im Landtag vereinen. Es muss einen klaren Vorrang für die duale Ausbildung und nicht für vollzeitschulische Maßnahmen geben.
Wir setzen in Niedersachsen auf ein umfassendes Unterstützungssystem. Seit einem Jahr gibt es die Koordinierungsstelle Berufsorientierung. Das Hauptschulprofilierungsprogramm hat viele Maßnahmen auf den Weg gebracht, die wir auch bei der Umsetzung der Oberschule mit übernommen haben. Wir bieten mit den Kompetenzfeststellungsverfahren, mit Schülerbetriebspraktika, Betriebserkundungen, Schülerfirmen und vielem mehr die beste Vorbereitung auf das Berufsleben.
Wie erfolgreich unsere Maßnahmen sind, lässt sich belegen: Wir haben die Schulabbrecherquote in Niedersachsen von über 10 % zu Zeiten der SPDRegierung auf heute 5,6 % nahezu halbiert.
Das sollte man an dieser Stelle auch noch einmal betonen und es nicht so darstellen, wie Sie, Frau Heiligenstadt, es gestern versucht haben. An den Zahlen ist nichts schöngerechnet. Man muss die Realitäten nur zur Kenntnis nehmen.
Meine Damen und Herren, wir sind in Niedersachsen stolz auf das duale Bildungssystem. Nicht ohne Grund schauen andere Länder in Europa auf Deutschland und auch auf unser Bundesland und versuchen, unser Bildungssystem zu übernehmen. Nicht ohne Grund haben wir in Deutschland die geringste Jugendarbeitslosigkeit aller europäischen Länder zu verzeichnen. Wir wollen die duale Ausbildung qualitativ weiterentwickeln. Darüber können wir auch miteinander reden. Wir wollen darüber reden, wie man junge Menschen am besten in Ausbildung bringt. Auch daran arbeiten wir als CDU und FDP. Aber wozu wir in keinem Fall bereit sind - das will ich so deutlich hier sagen -, ist - wir haben es gerade bei der Vorstellung des Antrags der Grünen gehört -, eine zweite staatlich organisierte Ausbildungsebene aufzubauen. Das lehnen wir für Niedersachsen ab.
Mit wohlklingenden Namen wie Hamburger Modell kann man die Welt eben nicht schönreden. Wir müssen die Realitäten miteinander vergleichen. Ziel darf es eben nicht sein, eine berufliche Vollausbildung in schulischer Verantwortung unserem bewährten System in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft vorzuziehen.
Wir stellen unsere berufsbildenden Schulen demografiefest auf. Wir sorgen dafür, dass auch kleinere Lerngruppen und kleinere Bildungsgänge erhalten bleiben. Dafür werden wir die Lehrersollstundenzuweisung zum nächsten Schuljahresbeginn verändern, sodass auch kleinere Lerngruppen erhalten bleiben.
Was Sie in Ihrem Antrag fordern, das will weder die Wirtschaft noch wollen es die berufsbildenden Schulen. Unsere berufsbildenden Schulen in Niedersachsen können sich darauf verlassen, auch nach dem Januar 2013 gemeinsam mit CDU und