Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, Herr Seefried: Ich muss Sie von den Wahlphrasen wieder in die Realität zurückholen.
Dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, über den heute abschließend beraten wird, stimmt die SPD-Fraktion in der Zielrichtung zu; denn die Kernaussage, dass sich immer noch viel zu viele Jugendliche im Übergangssystem befinden und dass sich das vielfach untergliederte System von Berufseinstiegsklasse, BVJ und zusätzlichen einjährigen Berufsfachschulen nicht bewährt hat und nur selten zu nennenswerten Anerkennungsquoten führt, ist einfach nicht zu bestreiten.
Eine ganz aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel „Übergänge mit System“ kommt im Ländervergleich zu dem Ergebnis, dass von allen Anfängern im Ausbildungsgeschehen in Niedersachsen 37,5 %, also deutlich mehr als ein Drittel, im Übergangssystem landen. Das ist nach BadenWürttemberg die höchste Quote bundesweit.
Mythos eins: Es herrsche Azubi-Mangel. - Das ist falsch. Tatsächlich gibt es nach wie vor bundesweit immer noch deutlich mehr Interessenten für eine Berufsbildung als Ausbildungsplätze. Allerdings gibt es riesige regionale und branchenspezifische - - -
(Beifall bei der SPD - Editha Lorberg [CDU]: Die erzählen das? Das glaube ich im Leben nicht! - Zuruf von Ulf Thiele [CDU])
Mythos zwei: Die Probleme im Übergangsbereich lösten sich durch die demografische Entwicklung von selbst. - Das ist falsch. Zitat:
„Die aktuellen Prognosen gehen davon aus, dass die Zahl der jungen Menschen im Übergangsbereich in den kommenden zehn Jahren zwar weiter sinkt, dann aber … auf einem Niveau von ca. 160 000 bis 200 000“
Mythos drei: Die Jugendlichen im Übergangsbereich seien nicht ausbildungsreif. - Auch das ist falsch. Eine derart pauschale Behauptung lässt sich nicht halten. Sowohl die schulischen Voraussetzungen als auch die Ausbildungsprognosen sind höchst unterschiedlich. Eine schweizerische Studie belegt z. B., dass fast 60 % der Schulabsolventen auf der untersten PISA-Stufe ohne Verzögerung in eine Berufsausbildung einsteigen und diese erfolgreich abschließen konnten.
Das alles zeigt, meine Damen und Herren: Es gibt dringenden Handlungsbedarf, und Ihr Wegducken und Leugnen sind offenbar nur dem herannahenden Wahltermin geschuldet.
Was also ist zu tun? - Der Antrag der Grünen enthält vier Kernforderungen: erstens systematische Berufs- und Studienorientierung in allen weiterführenden Schulen, zweitens Warteschleifen reduzieren, drittens Berufsvorbereitung optimieren, viertens Ausbildung in der Fläche sicherstellen.
terungen im Detail befasst, und wir sagen: Die Richtung stimmt. Es gibt Einzelheiten, die uns zögern lassen. Die Vorbehalte gegenüber dem Begriff „Ausbildungsreife“, der darin vorkommt, habe ich schon erwähnt. Ob die Produktionsschulen überall der Weisheit letzter Schluss sind und inwieweit das sogenannte Hamburger Modell tatsächlich auf das Flächenland Niedersachsen übertragbar ist, lohnt jedenfalls eine genaue Prüfung.
Die bereits mehrfach zitierte Bertelsmann-Studie enthält fünf Forderungen - Herr Minister, Sie sollten die Bertelsmann-Studie nicht wieder hochnäsig abweisen, weil Ihnen das Ergebnis nicht passt -:
Berufsorientierung verbindlich einführen, Übergänge begleiten, duales System stärken, betriebsnahe Ausbildungsmöglichkeiten schaffen, Ausbildungsvorbereitungen individualisieren. Dass auch das SPD-Regierungsprogramm ganz ähnliche Schwerpunkte setzt, muss Sie nicht verwundern, darf Sie aber bekümmern; denn es zeigt: Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens für ein besseres Gelingen des Übergangs von der Schule in den Beruf.
Meine Damen und Herren, unter diesen Bedingungen den Antrag der Grünen einfach vom Tisch zu wischen, ist - mit Verlaub - ein Zeichen organisierter Verantwortungslosigkeit.
Herr Kollege Poppe, zu einer Kurzintervention zu Ihrer Rede hat sich der Herr Kollege Bley von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. - Für anderthalb Minuten haben Sie das Wort. Bitte schön!
Herr Poppe diskutiert hier völlig am Thema vorbei. Er redet von Wahlphrasen - völlig daneben - und von zu vielen Jugendlichen in den Übergangssystemen.
Worüber reden wir eigentlich? - Wir wissen, dass wir eine Phase hatten, in der wir die Übergangssysteme brauchten. Jetzt haben wir einen Fachkräftemangel und können die Ausbildungsplätze nicht besetzen. Das ist belegt.
Meine Damen und Herren, das duale Ausbildungssystem soll auch nach Ihren Aussagen Vorrang haben. Aber Sie leben nicht danach.
Die vollzeitschulische Ausbildung, die Sie favorisieren, geht an der Wirtschaft vorbei. Wir müssen für den Arbeitsmarkt und für den Bürger Ausbildungsgänge schaffen. Das machen wir.
Sie sagen, dass der Antrag der Grünen richtig und zu unterstützen sei. Ich sage: Das ist nur Wahlkampf. Man will mit diesem Thema nur Ängste schüren. Wie die Grünen dies zum Thema machen, geht an der Realität vorbei.
Ich bin der Meinung, wir sollten zielgerichtet etwas für die Jugendlichen tun, aber nicht mit dem Antrag der Grünen.