Protokoll der Sitzung vom 06.12.2012

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Bewusst!)

Hier wurde mehrfach von Mythen gesprochen. Der Abgeordnete Poppe hat die Bertelsmann-Stiftung erwähnt. Ich möchte mit zwei weiteren Mythen aufräumen. Zunächst zu Mythos 4 - Sie nannten drei -, die Bertelsmann-Stiftung habe neue Erkenntnisse auf den Weg gebracht. Das ist tatsächlich ein Mythos; denn das stimmt nicht. Die Zahlen sind uns schon lange bekannt.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Auch der vorgeschlagene Maßnahmenkatalog der Bertelsmann-Stiftung ist in Niedersachsen, meine ich, mindestens zu 60 bis 70 % längst auf den Weg gebracht.

Dann zu Mythos 5, der hier heute erwähnt wurde, es gebe zu wenige Ausbildungsplätze, derzeit insbesondere in der Wirtschaft. Ich will das kurz mit Zahlen belegen. Sie können leider gegen Zahlen, Daten und Fakten nicht anbellen, auch als noch so gute Opposition nicht. Ich will sie Ihnen kurz erläutern.

Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen liegt heute bei 53 586 und ist etwa auf dem Niveau des Vorjahres, also 2011, geblieben. Im laufenden Ausbildungsjahr beträgt die Zahl der noch offenen Stellen 2 581. Im Jahre 2011 waren es 2 439. Es gibt also mehr offene Stellen in Niedersachsen.

(Karl-Heinz Bley [CDU]: Siehste!)

Setzen wir dies ins Verhältnis zu der Zahl der Bewerberinnen und Bewerber in Niedersachsen, so ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der Bewerber gegenüber dem Vorjahr auf 67 988 angestiegen ist. Die Zahl der unversorgten Jugendlichen liegt

im Jahre 2012 bei 1 566. Das heißt, es gab weniger unversorgte Bewerber als unbesetzte Stellen. Das ist die Realität in Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Karl-Heinz Bley [CDU]: Siehste!)

Wenn Sie es nicht glauben wollen, dann entnehmen Sie es bitte der amtlichen Statistik der Bundesagentur für Arbeit Bremen/Niedersachsen. Die werden sicherlich am besten wissen, wie die tatsächliche Versorgungslage in Niedersachsen zu bewerten ist.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Herr Minis- ter, das weiß Frau Korter besser!)

Meine Damen und Herren, hier wird sehr oft der Begriff „Warteschleifen“ benutzt. Ich benutze ihn in öffentlichen Diskussionen auch sehr häufig und warte immer auf jemanden, der einmal fragt: Was meinen Sie eigentlich damit? - Wir reden darüber, dass sich in Deutschland rund 300 000 Jugendliche in Warteschleifen befinden, und Frau Korter hat soeben behauptet, Herr Hagenah habe auf seine Frage - ich glaube, es war Herr Hagenah - die Antwort erhalten, 25 % werden am Ende nicht anerkannt, wenn sie sich in sogenannten schulischen Warteschleifen in den Berufsfachschulen befinden. Wie ist die Lage tatsächlich? - Das ist die gemittelte Zahl über alle Berufsfelder hinweg.

(Zuruf von Ina Korter [GRÜNE])

- Das war doch Ihre Behauptung, Frau Korter. Sie können ja gerne noch einmal versuchen, das klarzustellen.

Wir haben inzwischen eine Anerkennung des schulischen Jahres in der Berufsfachschule im Bereich Agrar von fast 100 %.

(Zuruf von Ina Korter [GRÜNE])

- Augenblick!

Wir haben im Bereich Bau inzwischen im Durchschnitt landesweit eine Anerkennung der einjährigen Berufsfachschule von etwa 60 %. Wir haben allerdings große Probleme - da haben Sie recht; da gilt es im Zweifel, auch mit den Industrie- und Handelskammern und den ausbildenden Betrieben in ein Gespräch einzutreten - der Anerkennung im Bereich der kaufmännischen Berufe; das ist in der Tat so.

Dazu kommt dann im Übrigen auch, dass bei der Bertelsmann-Stiftung nachzulesen ist, dass es in Baden-Württemberg und in Niedersachsen eine große Zahl von Realschülerinnen und Realschü

lern im Bereich der höheren Handelsschule gibt, die auch eine sogenannte Warteschleife ist, weil sie auf die kaufmännische Ausbildung nicht anerkannt wird. Ich will nur einmal verdeutlichen, worüber wir uns unterhalten. Das heißt, wir haben einen großen Anteil von Realschülern in höheren Handelsschulen in Baden-Württemberg und in Niedersachsen, bei denen das eine Jahr in der höheren Handelsschule nicht auf die Ausbildung angerechnet wird, weil die ausbildende Wirtschaft dies nicht macht.

(Zustimmung bei der CDU - Karl- Heinz Klare [CDU]: Aber die beste Voraussetzung!)

Genau da gilt es ohne Zweifel anzusetzen; denn wir unterhalten uns ansonsten bei der klassischen Warteschleife im Wesentlichen über den Bereich des BVJ und des BEK, der letztendlich der Ausbildungsvorbereitung dient. Ich habe verdeutlicht, wie die Zahlen sind.

Meine Damen und Herren, die Forderung nach mehr Berufsorientierung ist richtig. Das machen wir inzwischen an nahezu allen Schulformen in Niedersachsen. Das Hamburger Modell haben wir im Wesentlichen in Niedersachsen schon zum Teil durch unsere einjährige Berufsfachschule umgesetzt. Es gibt nur ganz wenige Unterschiede. Der einzige Unterschied zu Hamburg ist letztendlich, dass die Zahl der Ausbildungsberufe in Hamburg stark eingeschränkt ist. Es gibt im Rahmen des Hamburger Modells nahezu keine Möglichkeiten, im kaufmännischen Bereich ausgebildet zu werden. Es sind letztendlich nur die gewerblichtechnischen Berufe abgebildet. Ansonsten sind die Voraussetzungen gleich.

Wir haben die Berufsvorbereitung optimiert; denn im Gegensatz zu Hamburg oder Nordrhein-Westfalen haben wir die Berufsvorbereitung in Niedersachsen bereits im Jahre 2009 durch die Einführung der Berufseinstiegsschule BVJ und BEK reformiert; ich erwähnte es bereits.

Wir werden auch mit Blick auf die zurückgehenden Schülerzahlen an den berufsbildenden Schulen den Anteil der zuzuweisenden Unterrichtsstunden anheben müssen, um auch Kleinststandorte oder kleiner werdende Standorte der berufsbildenden Schulen in den nächsten Jahren trotz des demografischen Wandels zu stärken und zu erhalten.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Daher kann ich nur feststellen: Das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, ist zu, meine ich, 80 % erfüllt. Über das andere werden wir mit den Vertretern der ausbildenden Wirtschaft auch weiterhin in einem konstruktiven Dialog ringen; denn letztendlich geht es darum, möglichst vielen Jugendlichen eine echte Zukunftsperspektive und einen Ausbildungsabschluss zu vermitteln. Vorrang hat die duale Berufsausbildung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Karl-Heinz Bley [CDU]: So machen wir das!)

Verehrte Frau Kollegin Korter, wir hatten gestern schon eine ähnliche Situation. Wenn es Ihnen um zusätzliche Redezeit geht, bitte ich Sie, einfach Ihre Wortmeldung abzugeben.

(Zuruf von Ina Korter [GRÜNE])

- Sie haben jederzeit die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Jetzt gehe ich davon aus, dass Sie das wollen. Nicht dass wir zu pingelig sind. Aber sonst ist die Regelung - - -

(Zuruf von Ina Korter [GRÜNE])

- Nein. Bitte schön, Frau Korter, Sie haben für eine Minute das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich muss doch eines richtigstellen. Der Minister hat hier wieder eine Reihe von Zahlen genannt und damit gezeigt, dass er das Problem nicht verstanden hat. Es ist hier klar ausgeführt worden, dass das Verhältnis von Angebot und Nachfrage an Ausbildungsplätzen nicht zusammenpasst, weil es ganz andere Branchen betrifft. Das muss man erst einmal analysieren. Nicht alle wollen Fleischer oder Koch werden. Da gibt es massenhaft Ausbildungsplätze. Das muss man erst einmal richtig analysieren. Das ist der erste Schritt.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das wissen wir schon seit 20 Jahren!)

Eine aufrichtige Analyse ist der erste Schritt.

Das Zweite, was Sie verschwiegen haben, ist: Die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze in Niedersachsen ist um 4,7 % zurückgegangen. Wir haben mit dem Handwerk gesprochen. Wir haben mit dem NIHK gesprochen. Wir haben mit den

berufsbildenden Schulen gesprochen, Herr Hagenah und ich. Wir haben eine große Veranstaltung dazu gemacht. Daraus stammen alle diese Vorschläge. Sie aber wissen alles besser.

Die Anerkennungsquote des ersten Ausbildungsjahres aus dem Hamburger Modell ist nur der eine Punkt. Das Entscheidende ist, dass es danach keinen Abbruch gibt. Ob man es dann anerkannt bekommt oder nicht - das Entscheidende ist, dass es keinen Abbruch gibt und man weiter in Ausbildung geht und einen Abschluss mit Kammerprüfung macht. Das ist für mich das Wichtigste; denn jeder Jugendliche und jede Jugendliche soll einen Ausbildungsplatz haben und eine Berufsausbildung absolvieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Frau Korter. - Es liegt noch eine Bitte um zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung vor. Wie ich gerade sehe, haben Herr Minister und Herr Försterling sich geeinigt. Bitte schön, Herr Kollege Försterling, Sie haben für eine Minute das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Korter, ich habe den Minister nicht über Gespräche, die er mit irgendjemandem geführt hat, oder Ähnliches reden hören, sondern ich habe gehört, wie der Minister hier anhand von öffentlichen Statistiken ganz klar nachgewiesen hat, dass es den Jugendlichen heute besser geht als noch vor Jahren und dass viel mehr Jugendliche Chancen für die Zukunft haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In der Tat muss man es ein Stück weit aufgeben, Sie mit Fakten überzeugen zu wollen. Ich glaube, das kann ich nach fünf Jahren hier sagen. Das funktioniert anscheinend wirklich nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Försterling. Ebenfalls vielen Dank, Herr Minister. - Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Beratung.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/5319 ablehnen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde gefolgt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: