Protokoll der Sitzung vom 07.12.2012

(Johanne Modder [SPD]: Das ist doch unmöglich!)

- Bitte!

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Sie müssen auch Zwischenrufe hören!)

- Sie können jetzt gerne den Plenarsaal verlassen und das draußen austragen. Ich möchte jetzt gerne in der Tagesordnung fortfahren. Frau Polat hat das Wort. - Bitte schön!

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das ist doch kleinlich! Er hat sich doch gleich korrigiert! Hanne!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

(Johanne Modder [SPD] meldet sich zur Geschäftsordnung)

Frau Polat, ich muss unterbrechen. Einen kleinen Moment! Ich habe hier gerade eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung gesehen. - Frau Modder, bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte, dass Herr Nacke als Parlamentarischer Geschäftsführer,

der hier gerade den Zwischenruf „den vorbestraften Oberbürgermeister“ gemacht hat, sich hier öffentlich entschuldigt. Das ist eine Entgleisung, die wir so nicht durchgehen lassen.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Kollegin Modder, ich muss zugeben, ich habe diesen Zwischenruf in der Form

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Wir alle!)

leider nicht gehört.

(Daniela Behrens [SPD]: Aber wir alle! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aber wir alle!)

Ich gebe Herrn Nacke die Gelegenheit, sich dafür zu entschuldigen. Aber ich möchte klar und deutlich sagen: Ich habe diesen Begriff hier so nicht gehört.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Was?)

- Es tut mir leid! Ich habe mich auf Frau Polat konzentriert. Ich habe es so nicht gehört. Ich habe nur „Oberbürgermeister“ gehört.

Bitte schön, Herr Nacke! Möchten Sie das Wort ergreifen?

(Jens Nacke [CDU]: Ich habe mich so- fort korrigiert! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das haben alle gehört! Stel- len Sie sich hier hin und sagen Sie: Es tut mir leid! Und gut ist es! - Das haben wir alle gehört, Herr Nacke! - Björn Thümler [CDU]: Er hat sich doch korrigiert!)

- Herr Kollege Nacke geht davon aus, dass er sich sofort korrigiert hat. Das nehmen wir jetzt auch zur Kenntnis. Wenn er das getan hat - - -

(Jens Nacke [CDU]: Angeklagt ist er!)

- Er ist angeklagt. Er ist aber nicht vorbestraft! Das wollen wir hier einmal festhalten. - Das hat er korrigiert. Wenn das im Protokoll steht, nehmen wir das jetzt erst einmal so zur Kenntnis. Und dann wird das nachgeprüft.

Jetzt hat Frau Polat das Wort. Bitte schön!

(Johanne Modder [SPD]: Eine Un- möglichkeit ist das! - Hans-Dieter Haase [SPD]: Unglaubliches Verhal- ten! - Johanne Modder [SPD]: Aber er ist ja auch nicht mehr lange da! Ihr werdet nach hinten durchgeschoben! - Gegenruf von Björn Thümler [CDU]: Uns kann man schlecht schieben!)

Sehr verehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem kürzlich vorgelegten Gesetzentwurf zur Neuregelung der Asylbewerberleistungen von Schwarz-Gelb auf Bundesebene wird einmal mehr die Notwendigkeit unserer Initiative deutlich: die Abschaffung dieses Sondergesetzes. - Denn das Grundsatzurteil zum Asylbewerberleistungsgesetz des Bundesverfassungsgerichts ist sehr deutlich. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

„Die in Artikel 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“

Deshalb hören Sie endlich auf, das Sozialrecht für Ihre Ordnungspolitik zu instrumentalisieren!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das menschenwürdige Existenzminimum ist immer das Gleiche, egal ob es sich um Deutsche, Nichtdeutsche, Flüchtlinge oder um wen auch immer handelt, Herr Hiebing. Akzeptieren Sie das endlich!

Exakt 20 Jahre nach dem großen Asylkompromiss beziehen Sie denselben migrationspolitischen Schützengraben, Asylmissbrauch bekämpfen zu wollen. Die Folgen dieser gefährlichen Argumentation führten damals zu den Anschlägen von Rostock, Mölln und Solingen. Nichts haben Sie dazugelernt!

Statt sich nun von den Rechtspopulisten der NPD zu distanzieren, stimmen Ihre Innenminister in diese populistische Stimmungsmache gegen Asylsuchende aus Serbien und Mazedonien mit ein. Innenminister Schünemann hat der gegenwärtig tagenden Innenministerkonferenz einen Beschlussvortrag vorgelegt, mit dem er - Zitat - die Ausnutzung und Diskreditierung des Asylrechts verhindern will. - Dabei ist er es selber, der durch nicht zu beweisende Unterstellungen und das Aufblähen von vorübergehend und im Vergleich zu damals nur leicht gestiegenen Asylbewerberinnen- und Asylbewerberzahlen Stimmung macht und dadurch das Asylrecht in Misskredit bringt, meine Damen und Herren.

Mit Ihren politischen Vorstößen auf der Innenministerkonferenz verhindern Sie eine objektive und einzelfallbezogene Prüfung der Asylanträge und bagatellisieren den strukturellen Rassismus gegen

Roma in Serbien und Mazedonien. Mich ärgert dabei besonders, dass Frau Merkel, die Bundeskanzlerin, immer mal wieder so tut, als sei das nicht so. Bei der Eröffnung des Mahnmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma sagte die Bundeskanzlerin:

„Sinti und Roma leiden heute erneut unter Ausgrenzung und Ablehnung. Nicht nur die Politik, jeder Einzelne ist aufgerufen, sich jedweder Art von Diskriminierung zu widersetzen.“

Folgen wir doch diesen Sätzen, und fangen wir hier und heute bei der Politik an. Ich sage Ihnen: Den Worten, Frau Ministerin, müssen auch Taten folgen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Stimmen Sie unserem Antrag zu! Das Asylbewerberleistungsgesetz relativiert in der Praxis die Menschenwürde. Es muss weg!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Klaus-Peter Bachmann [SPD])

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Herr Humke das Wort. Bitte schön!

Danke. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Linke fordert, wie es ihre Vorgängerpartei PDS tat, bereits seit vielen Jahren die Abschaffung aller rassistischen Sondergesetze wie des Asylbewerberleistungsgesetzes. Gerade nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vor etwa einem halben Jahr, das die ökonomische Schlechterstellung von Flüchtlingen gegenüber Leistungsempfängern nach dem SGB II zumindest in Teilen aufgehoben hat, besteht hier ein dringender Handlungsbedarf.

Der nun vorgelegte Entwurf der Bundesregierung erfüllt nach Auffassung der Linken die Auflagen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts jedoch in keiner Weise.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit der Kombination von 202 Euro an Sachleistungen und einem sogenannten Taschengeld in Höhe von 134 Euro liegt der Satz nach wie vor unterhalb

der Regelleistungen nach Hartz IV, also unterhalb der Armutsgrenze.

Darüber hinaus werden die Leistungen von Partnern und Partnerinnen und Kindern noch deutlicher nach unten geregelt. Aus linker Sicht ist das ein Schlag gegen die 130 000 Betroffenen und zeigt einmal mehr, welch schräges Menschenbild die Vertreter einer sich „christlich“ nennenden Partei und einer Partei, die vorgibt, für Bürgerrechte einzutreten, haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen wird die diskriminierende Ungleichbehandlung bei der medizinischen Versorgung weiter zementiert. So sind der Willkür weiterhin Tür und Tor geöffnet, wenn manche Sozialämter oder Ausländerämter etwa Anträge auf Ausstellung eines Krankenscheins für Flüchtlinge ablehnen, weil sie dem Flüchtling per se unterstellen, dass sein Leiden oder ihr Leiden nicht akut sei, sondern chronisch, und somit im Ergebnis diese betroffenen Menschen aus der medizinischen Versorgung gänzlich herausfallen. Das ist inhuman und missachtet grundlegende Menschenrechte!

(Beifall bei der LINKEN)

Des Weiteren hat der Abschiebemeister Schünemann den Spielraum, die menschenverachtende, bürokratische und für die Kommunen teurere Gutscheinpraxis abzuschaffen, nicht ausgenutzt. Ich kann nur sagen, dass es nötiger denn je ist, diesen Minister vielleicht aus humanitären Gründen einfach in die Wüste zu schicken. Unser demokratischer Rechtsstaat muss stark genug sein, ein Existenzminimum zweiter Klasse genauso abzuschaffen, wie er Minister wie den Rechtsaußen Schünemann abwählen kann.