Damit treten wir in die Beratung ein. Zunächst hat sich Herr Bernd-Carsten Hiebing für die CDUFraktion zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem hier zu beratenden Entschließungsantrag fordert der Antragsteller, das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen. Dies wird damit begründet, dass die Abschaffung des Gesetzes quasi eine notwendige Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von diesem Juli sei. Dies trifft, wie ich finde, nicht zu. Insofern ist es auch falsch, daraus diese Schlüsse zu ziehen.
Richtig ist vielmehr, meine Damen und Herren, dass die bisherige Höhe der Geldleistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz nach der Entscheidung des Karlsruher Gerichtes verfassungswidrig ist. Darüber besteht, denke ich, kein Zweifel. Diese Sätze wurden seit 1993 nicht erhöht. Das bedeutet, dass frühere Bundesregierungen und damit auch andere politische Konstellationen die Höhe der Geldleistungen nicht angepasst haben. Vielleicht sollten wir alle einmal darüber nachdenken, ob das richtig gewesen ist. Da haben sich alle Fraktionen, die in den letzten Jahrzehnten in der Regierungsverantwortung waren, nicht gerade - wenn ich das so salopp sagen darf - mit Ruhm bekleckert.
Meine Damen und Herren, das Gericht verlangt allerdings an keiner Stelle, dass Asylbewerber leistungsrechtlich Arbeitslosengeld-II-Beziehern gleichzustellen seien. Es hat aber gesagt - ich finde das richtig -, dass es erforderlich ist, eine
Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls festgestellt, dass die Gefährdung des Existenzminimums sowohl von konkreten Lebensbedingungen der Hilfsbedürftigen als auch von den jeweils wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten abhängt. Hier haben die Richter deutlich gemacht, dass die Leistungsbezieher durchaus nicht immer gleichzustellen sind, und die Notwendigkeit eines eigenständigen Leistungsrechts betont.
Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat übrigens eine Übergangsregelung geschaffen. Die dort vorgeschlagenen Sätze, die derzeit Gültigkeit haben, liegen unter den Hartz-IV-Sätzen. Das ist an dieser Stelle einmal festzustellen.
Um eines klar und deutlich zu sagen - das lässt auch keinen Interpretationsspielraum zu -: Politisch Verfolgte genießen in Deutschland und auch in Niedersachsen Asylrecht ohne Wenn und Aber. Das ist ein wichtiges und hohes Menschenrecht. Ich glaube, mit diesem Asylrecht können wir uns auch europaweit durchaus sehen lassen.
Meine Damen und Herren, vielleicht sollten wir mit gegenseitigen Vorwürfen etwas vorsichtiger sein. Aussagen wie z. B. „Das Boot ist voll“ stammen nicht von uns.
Dies hat seinerzeit ein Innenminister gesagt, werte Kollegin. Er gehört nicht der CDU an; das wissen Sie auch. Ich will die Diskussion nicht verschärfen, sondern nur darauf hinweisen, dass uns diese Debatten nicht weitergeholfen haben.
Meines Erachtens ist es wichtig, dass den Menschen dort geholfen wird, wo sie sind, wo sie sich in wirtschaftlichen Notlagen und in Armut befinden. Das ist eine Aufgabe für Deutschland und sicherlich auch für ein friedliebendes Europa.
Meine Damen und Herren, ich bin fest davon überzeugt, dass wirtschaftliche Notlagen in der Welt nicht allein durch das Asylrecht gelöst werden können. Ziel muss es sein, das Asylrecht als eigenständiges wichtiges Recht zu erhalten. Ich glaube, dass es sich lohnt, einmal darüber nachzudenken, wie man zu höheren Anerkennungsquo
ten kommen könnte. Wenn wir die wirtschaftliche Notlage vielleicht von wirklichen Asylnotwendigkeiten trennen, dann gibt es vielleicht bessere Ergebnisse.
Es steht außer Frage, dass besondere Lebensumstände eigenständige Regelungen erfordern. Gerade aus Krisengebieten Eingereiste haben besondere Bedürfnisse. Hier sind eigenständige Regelungen notwendig.
Wenn ich es richtig weiß, hat die SPD-Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, bei dem auch die Bundesregierung gefordert ist. Ich meine, die SPD muss an dieser Stelle einmal sagen, was sie eigentlich will. Wenn die Landes-SPD der Meinung ist, das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen, sollte sie vielleicht einmal bei ihrer Bundestagsfraktion nachfragen, weshalb diese einen entsprechenden Antrag eingebracht hat.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gehört zum Gesamtkontext dieses Antrags der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, den wir unterstützen, dass er auf eine Bundesratsinitiative der Länder Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Schleswig-Holstein Bezug nimmt. Herr Hiebing, hier steht die niedersächsische SPD nicht allein. Auch in diesen Ländern haben sozialdemokratische Landesregierungen beschlossen, mit einer Bundesratsinitiative auf die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes beim Bund hinzuwirken. Uns trennt da auch nicht die Sichtweise mit der Bundestagsfraktion der SPD.
Sicherlich braucht es auch in Zukunft im Rahmen des Aufnahmegesetzes Verfahrensrichtlinien, wie Leistungen umgesetzt werden. Aber wir haben mittlerweile Rechtsprechung und eine Praxis, die es absolut rechtfertigen, das in dieser Form bestehende Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen und durch eine neue Rechtsetzung zu überarbeiten. Insofern unterstützen wir diese Initiative unserer Kolleginnen und Kollegen der Grünen
Es gibt auch einen Sachzusammenhang - den will ich sehr wohl herstellen - zu der eindrucksvollen Debatte, die wir gerade im Falle der Familie Salame hatten. Ich danke allen Rednerinnen und Rednern der Fraktionen ausdrücklich für ihre Beiträge. Zweifel bekam ich jedoch bei der Integrationsministerin. Sie klang eher wie die Innenministerin dieses Landes.
Meine Damen und Herren, warum stelle ich diesen Sachzusammenhang her? - Das Ganze ist insbesondere dem segensreichen und erfolgreichen Wirken meiner Kollegin Rübke zuzuordnen, die sich hier als örtliche Abgeordnete engagiert hat wie niemand anderer. Sie ist im Moment bei dieser Debatte nicht hier, weil sie den Medien Rede und Antwort über das steht, was wir gerade erlebt haben.
Ich möchte deutlich machen: Da haben wir aus humanen Gründen auch mit rechtsstaatlichen Mitteln ohne Zweifel einen Einzelfall entschieden. Hier geht es aber um die vielen anonymen Fälle in diesem Land, die wir nicht aus dem Fokus verlieren dürfen. Denn es kann nicht nur darum gehen, einen in die Medien geratenen Fall zu lösen, sondern es geht darum, insgesamt zu einer humaneren Flüchtlingspolitik beizutragen. Da, meine Damen und Herren, haben Sie nach wie vor Defizite.
Hier, Frau Integrationsministerin, hätten Sie einmal die Chance, ein Zeichen der Veränderung in einem wichtigen Teilaspekt einer humanen Migrationspolitik zu setzen, indem Sie jetzt an dieses Pult treten und sagen: Ja, als Integrationsministerin dieses Landes unterstütze ich diese Bundesratsinitiative.
Der Innenminister, vor dem Sie meist Angst haben und dessen Texte Sie hier vortragen, ist weit weg. Ich mache Ihnen Mut: Haben Sie einmal den Mut, sich wirklich als Integrationsministerin dieses Landes zu zeigen!
Meine Damen und Herren, wahrscheinlich müssen wir am Ende wieder feststellen, dass in der Rede, die die Ministerin hoffentlich dazu hält - nicht der
Justizminister; aber ich bezweifele fast, dass sie es tut -, wieder die Meinung des Innenministers vorgelesen wird, was nur bestätigt: Über Integrationspolitik in diesem Land entscheidet Herr Schünemann, und Frau Özkan darf das tun, was Herr Schünemann zulässt.
(Zustimmung bei der SPD - Bernd- Carsten Hiebing [CDU]: Bei welchem Tagesordnungspunkt bist du eigent- lich?)
Ich sage Ihnen in diesem Zusammenhang: Hier geht es auch um eine grundsätzlich veränderte humane Politik. Deswegen unterstützen wir diese Bundesratsinitiative.
Frau Özkan, Sie beschränken sich darauf, Symbolpolitik in diesem Land zu betreiben, Preise zu verleihen und bei Projektförderungen, die wir im Einzelfall unterstützen, in erster Linie Wert darauf zu legen, dass Ihr Bild in einer Hochglanzbroschüre abgedruckt ist und dass Sie bei diesen Veranstaltungen ein Grußwort sprechen können.
Deswegen sage ich noch einmal sehr deutlich: Hier geht es auch um die Abschaffung der sogenannten Gutscheinpraxis. Nach den höchstrichterlichen Urteilen haben andere Länder die Nachzahlungen und die höheren Leistungszahlungen in Bargeld vorgenommen. Herr Schünemann bündelt das in Wertgutscheinen, obwohl in vielen Kommunen - das wird auch in diesem Antrag dargelegt - vorrangig Aspekte des Bürokratieabbaus und auch humane Aspekte gesehen werden und Räte beschlossen haben, das Gutscheinsystem für Asylbewerber durch Barleistungssysteme zu ersetzen. Dieser Minister hält daran fest, zu diskriminieren und nach wie vor Gutscheine auszugeben, wobei ich am Ende meiner Rede sagen möchte: Der Begriff Gutschein ist an dieser Stelle wohl auch noch zusätzlich fehl am Platze; denn um eine gute Politik handelt es sich nicht.
Geben Sie sich einen Ruck! Unterstützen Sie die Bundesratsinitiative, die andere SPD-geführte Länder in dieser Frage bereits eingeleitet haben! Unterstützen Sie wie wir den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen!
(Jens Nacke [CDU]: Es sind diese Beiträge, warum der vorbestrafte Oberbürgermeister ran muss - der angeklagte! - Johanne Modder [SPD]: Hey, hey, hey! Was soll das denn? - Weitere Zurufe von der SPD)
(Johanne Modder [SPD]: Das hat er zurückzunehmen! Das ist doch un- möglich! - Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Das geht nicht, was er da sagt! - Jens Nacke [CDU]: Ich habe mich gleich korrigiert auf „angeklagt“! - Johanne Modder [SPD]: Das verlangt eine Entschuldigung!)