Im Vorgriff auf die Entwicklung in Hessen haben Grüne und SPD diesem Entwurf schon nicht zugestimmt, also schon damals den Kurs Ypsilantis verlassen. Das ist eine interessante Entwicklung. Das Relikt werden wir alsbald abheften.
Meine Damen und Herren, die Studienbeiträge in Niedersachen sind in diesem Hause schon oft diskutiert worden. Sie wissen, dass wir im Jahr 2010 eine Evaluierung der Studienbeiträge vornehmen werden. Es gibt zwei Große Anfragen der SPD-Fraktion, in denen hochinteressante Daten abgefragt werden. Das ist sehr spannend, wenn es um die Diskussion dieser Fragen geht. Die Präsidien der Universitäten sagen uns, dass sie die Studienbeiträge brauchten, um damit viel Gutes und Wirkungsvolles an den Universitäten zu schaffen.
Eines muss klar sein: Ein Studium war und ist in Deutschland nicht kostenfrei. Legt man den BAföG-Satz zugrunde, der 643 Euro im Monat beträgt, dann erhält derjenige, der diesen BAföGSatz in Anspruch nehmen oder vergleichbare Mittel einsetzen will, in drei Jahren einen Betrag in Höhe von 23 148 Euro. Die Hälfte davon wird als Darlehen vergeben. Das heißt, wer den vollen BAföGSatz in Anspruch nimmt, geht mit einem Darlehen von 11 574 Euro nach Hause. Dies muss jedem klar sein. Daher halte ich es für etwas unredlich, wenn von einem gebührenfreien oder kostenfreien Studium die Rede ist. Wir sollten hier schon deutlich machen, dass ein Studium nicht umsonst zu haben ist. Wenn die Studienbeiträge für drei Jahre in Höhe von 3 000 Euro hinzukommen, dann beträgt das Darlehen 14 574 Euro. Davon reden wir, wenn hier in angstmacherischer Art und Weise die SPD von einem Schuldenberg redet.
(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Was ist denn mit den Zinsen? - Gegenruf von Jörg Bode [FDP]: Was ist denn mit dem hohen Einkommen, das man dann hat?)
- Addieren wir die Zinsen, dann sind es meinetwegen 15 000 Euro. Da ist die Deckelung dessen, was als maximaler Betrag aufkommen kann.
Ich gehe nun auf die Gründe für einen Studienverzicht ein. Es ist ja klar, dass hier die HIS-Studie zur Sprache kam. Es ist immer schwierig, aus einer Studie mit 100 Seiten eine Statistik zu zitieren. Ich mache es an dieser Stelle trotzdem. Auf Seite 20 der HIS-Studie werden die Gründe für den Studienverzicht aufgeführt. 70 von 100, die auf ein Studium verzichten, sagen, sie wollen möglichst bald selbst Geld verdienen. 26 von 100 sagen, Studiengebühren übersteigen ihre finanziellen Möglichkeiten. Nahezu genauso viele, nämlich 24 von 100, sagen, ihnen fehlen die finanziellen Voraussetzungen für ein Studium insgesamt. Und 21 von 100 geben an, sie seien nicht bereit, wegen des Darlehenanteils beim BAföG Schulden zu machen. Das heißt, dass die Studienbeiträge allein noch nicht dazu führen, dass diese jungen Menschen aus finanziellen Gründen kein Studium aufnehmen möchten, sondern es handelt sich um eine ganze Bandbreite von Gründen, die dazu führen.
Wenn dann angeführt wird, es sei die soziale Unverträglichkeit, wegen derer die Studienbeiträge abgeschafft werden müssten, dann muss man fragen: Warum dann für alle? Der Sozialstaat prägt sich darin aus, dass jemand, der sich etwas Wesentliches nicht selbst leisten kann, dies vom Staat erhält. Wer sich Essen und Wohnen nicht leisten kann, bekommt die Unterstützung vom Staat. Wenn Sie sich auf das Argument der sozialen Unverträglichkeit berufen, macht es also keinen Sinn, auch denjenigen die Studienbeiträge zu erlassen, die sie sich leisten können. Das führen Sie nie aus, weil Sie sonst nicht mehr Ihre Argumentation nach dem Motto „Freibier für alle“ in der ganzen Bandbreite aufrechterhalten können.
Nun kann man auch anders argumentieren - Frau Lesemann hat das gerade gemacht -, nämlich: Die Bildungsangebote müssen kostenfrei sein. - Darüber kann man nachdenken. Sie wissen, dass die Fraktionen der CDU und der FDP bereits in der vergangenen Legislaturperiode ein Kindergartenjahr mit genau diesem Argument gebührenfrei gestellt haben und die nächsten beiden Kindergartenjahre in dieser Legislaturperiode gebührenfrei stellen werden. Also ist dieses Argument nicht unbedingt von der Hand zu weisen. Aber wir hatten seinerzeit das Ziel, dass wir eine qualitativ hochwertige Ausbildung zur Verfügung stellen wollen. Damals ergab sich die Frage und das Dilemma, ob wir die Bildungseinrichtungen verbessern wollen - um den Preis eines Beitrages, der ein Weniges von dem beträgt, was an tatsächlichen Kosten entsteht -, oder ob wir die Bildungseinrichtungen nicht verbessern und dafür das Studium beitragsfrei anbieten wollen. In dieser Situation sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass es angemessen ist, jenen, die vom Staat ein vernünftiges Studium erhalten und später hoffentlich einen guten Job bekommen, einen Beitrag zuzumuten und sie damit zu beteiligen. Wer das Geld nicht sofort hat, kann es zurückzahlen, wenn er dieses höhere Einkommen auch tatsächlich erzielt. Das haben wir für angemessen gehalten. Das ist die Konsequenz gewesen.
Herr Kollege, wenn es so ist, wie Sie sagen, dass die Verpflichtung, Studienbeiträge zu entrichten, nur eines von vielen Argumenten ist, ein Studium nicht aufzunehmen, dann stellt sich trotzdem noch die Frage, warum man diese Gebühr einführt und damit den Zugang zum Studium erschwert. Es wäre ja anders, wenn wir zu viele Studenten hätten, sodass man steuernd eingreifen müsste. Aber wir haben im internationalen Vergleich eher zu wenig Studierende. Dann müssten wir doch eigentlich eher darüber nachdenken, wie man den Zugang zum Studium finanziell erleichtert, anstatt ihn zu erschweren.
Ich habe gerade versucht, Ihnen zu erläutern, vor welchem Dilemma wir seinerzeit mit der Frage standen, ob wir die Bildungseinrichtungen verbessern wollen und dafür den Beitrag nehmen oder ob wir die Bildungseinrichtungen belassen wollen, wie sie sind, und sie dafür beitragsfrei halten. Das war das Dilemma.
Ich habe vorhin deutlich gemacht, dass es mehrere betriebswirtschaftliche Gründe gibt, kein Studium aufzunehmen. Denn es ist ja ein betriebswirtschaftliches Gedankengut, wenn man etwas für zu teuer hält, wenn man keine Kredite aufnehmen will, wenn man keine Schulden machen will. All das sind betriebswirtschaftliche Überlegungen, warum man kein Studium aufnimmt. Daran müssen wir arbeiten. Das ist genau das, was Herr Grascha gesagt hat: Wir müssen mehr informieren. Wenn die Eltern der Abiturienten anderen Bildungsschichten angehören als diese jungen Leute und anders denken, dann ist das irrational. Da müssen wir mehr aufklären und daran arbeiten. Wenn Sie permanent Panikmache betreiben, das könne man sich nicht leisten, Arbeiter könnten sowieso nicht studieren, sie sollten und wollten das auch gar nicht, dann ist gerade das kontraproduktiv und führt dazu, dass diese Leute kein Studium aufnehmen.
Meine Damen und Herren, nun ein paar Sätze zu dem Antrag der Grünen. Er müsste mit „Freibier für alle“ überschrieben sein. Frau Heinen-Kljajić, das ist nun wirklich eine Enttäuschung. Frau Lesemann hat die Gegenfinanzierung angesprochen und sie bei den Linken vermisst. Bei den Grünen ist sie nicht vorhanden. Studienbeiträge abschaffen: 92 Millionen Euro.
- Darüber haben wir lange genug diskutiert. - Stipendienprogramm - Sie wissen, dass das jetzt angenommen wird und dass wir gerade Mittel eingestellt haben -: 7,7 Millionen Euro. - Sie sagen, das ist alles zu wenig. - Mittel für die Verbesserung der Lehre und für die Senkung der Abbrecherquote: 50 Millionen Euro. Studentenwerke - darüber haben wir gerade im Ausschuss diskutiert; darüber wollten wir noch einmal gemeinsam sprechen -: 1,4 Millionen Euro. Insgesamt 150 Millionen Euro für 2009 an zusätzlichen Mitteln - und das zu einem Zeitpunkt, an dem wir mitten in den Haushaltsberatungen sind. Die Haushaltsberatungen laufen gerade. Wir besprechen in der nächsten Woche in der Fraktion den Haushalt für das Jahr 2009. Im Dezember, in vier Wochen, beraten wir den Haushaltsplanentwurf. Was wird dann passieren? - Wir alle kennen doch die parlamentarischen Abläufe. In vier Wochen, wenn wir den Haushaltsplan verabschieden, werden wir diesen Antrag für erledigt erklären, weil er ausschließlich haushaltspolitische Forderungen enthält. Damit ist er beendet und beerdigt. Sie werden ihn als Forderung verschicken: Schaut mal, was wir haben: Freibier für alle! - Große Enttäuschung. Wir werden bei den Haushaltsplanberatungen wirklich darauf achten, ob Sie diese Punkte tatsächlich auch in die Beratung einbringen,
ob das drinsteht, was uns hier vorliegt. Wir sind sehr darauf gespannt, wie Sie das gegenfinanzieren wollen.
Zum Schluss möchte ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen. Ich habe, wie die allermeisten in diesem Hause, zu Hause ein Arbeitszimmer. Für meine drei Kinder - sieben, vier und zweieinhalb Jahre alt - ist das Arbeitszimmer eine heikle Sache; denn es ist kein Spielplatz. Der Schreibtisch ist tabu.
- Meistens ja. - Aber es gibt eine Ausnahme: Auf der linken Seite meines Schreibtisches gibt es mehrere Schubladen. In der zweiten Schublade von oben liegt das Schmierpapier. Schmierpapier ist auf der einen Seite mit etwas beschrieben, was nicht oder nicht mehr relevant ist, während die andere Seite noch leer ist und einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden kann. Wenn ich am Freitag nach Hause komme, Frau Heinen-Kljajić, werde ich diesen Antrag genau dort ablegen.
(Beifall bei der CDU - Zurufe: Ach, witzig! Sie haben sich mit dem Antrag ernsthaft auseinanderzusetzen! - Björn Thümler [CDU]: Ökologisch sehr verantwortungsvoll! - Weitere Zurufe - Unruhe)
Wenn Sie Glück haben, Frau Kollegin, dann wird Ihnen eines meiner Kinder einen Bauernhof darauf malen. Die Zeichnung bringe ich Ihnen dann mit. Das wäre die beste Verwertung für diesen Antrag.
Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Stratmann zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eben kurz darüber nachgedacht, ob es überhaupt noch Sinn macht, allen bekannten Argumenten weitere bekannte Argumente hinzuzufügen. Diese Debatte haben wir in diesem Hause schon häufig geführt. Ich finde es eigentlich ein bisschen enttäuschend, dass ausgerechnet wir Bildungs- und Wissenschaftspolitiker nicht in der Lage sind, eine Debatte so differenziert zu führen, wie sie es verdient hätte.
Übrigens, Frau Heinen-Kljajić, ich finde, dass Sie in der vergangenen Legislaturperiode hier erheblich klügere Beiträge abgeliefert haben, als es bei den letzten Malen der Fall war. Das meine ich wirklich ernst.
Also fangen wir mit dem Thema noch einmal von vorne an. Zum Gesetzentwurf der Linken brauche ich nichts zu sagen. Er ist im Ausschuss sogar von
der SPD und von den Grünen abgelehnt worden, lieber Herr Dr. Sohn. Allerdings - das muss man fairerweise sagen - haben SPD und Grüne gesagt, dass ihre Ablehnung nicht den Punkt der Abschaffung der Studienbeiträge betreffe. Wir wollen hier die Sachverhalte so darstellen, wie sie sind.
Was ich übrigens auch sehr häufig vermisse: Wir haben in bestimmten Themenfeldern, wie etwa in der Bildungspolitik, eine Ritualisierung der politischen Argumentation, die mir die Diskussion kaum noch erträglich macht; das muss ich ganz ehrlich sagen.
Zitate werden aus dem Gesamtzusammenhang gerissen, und Dinge werden nicht so benannt, wie man sie benennen müsste.
Erstens. Die Probleme, die wir im Bildungsbereich haben - das wird selbst von Ihnen niemand bestreiten -, sind mit Sicherheit nicht erst mit der Entscheidung, Studienbeiträge einzuführen, entstanden. Ich sage noch einmal: Dass wir in Deutschland im internationalen Vergleich eine beschämende Bildungsmobilität haben, kann mit Studienbeiträgen überhaupt nichts zu tun haben, weil sich dieser Prozess seit Jahrzehnten dahin entwickelt hat, wo wir heute sind.
Ich erinnere noch einmal daran, lieber Herr Adler, dass die Ministerpräsidenten Anfang der 70erJahre die damaligen Studienbeiträge abgeschafft haben, weil sie glaubten, damit das Ziel erreichen zu können, die Bildungsmobilität in Deutschland zu verbessern. Sie haben dieses Ziel damit nicht erreicht, sondern es ist das Gegenteil eingetreten. Schlimmer noch: Die Qualität an unseren Hochschulen war zum Schluss so katastrophal, dass wir den Studenten im Grunde nicht mehr guten Gewissens sagen konnten, sie seien auf das Berufsleben gut vorbereitet. Deshalb ist neben einer Steigerung der Zahl der Studentinnen und Studenten die allererste Prämisse, dafür Sorge zu tragen, dass die Studentinnen und Studenten an unseren Hochschulen eine Qualität vorfinden, die sie auf die Herausforderungen der Zukunft in allen Bereichen wirklich vorbereitet. Deshalb bin ich dankbar dafür, dass uns an den Hochschulen durch das
Aufkommen aus den Studienbeiträgen rund 100 Millionen Euro - zurzeit 92 Millionen Euro - zusätzlich zur Verfügung stehen, um etwas zur Verbesserung der Studienbedingungen in Niedersachsen zu tun.
Herr Kollege Grascha wies darauf hin, dass wir zurzeit in Niedersachsen einen Wanderungssaldo zu verzeichnen haben, also dass die Zahl derjenigen, die Niedersachsen verlassen, um woanders zu studieren, so gering ist wie nie zuvor. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass Studienbeiträge nicht das auslösen, was Sie hier ständig benennen. Dass die Zahl unserer Studienanfänger fast doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt ist, ist ein weiteres Indiz.
Die HIS-Studie lag noch nicht einmal schriftlich vor, als schon die Ersten meinten, daraus - wiederum aus dem Zusammenhang gerissen - zitieren zu müssen. Eines sagt die HIS-Studie deutlich - auch das ist hier erwähnt worden -: Studienbeiträge haben für Kinder aus bildungsnahen Schichten nicht den abschreckenden Effekt, der behauptet wird. - Aber ich gebe hier durchaus Folgendes, was uns umtreiben und uns Sorge bereiten muss, zu: Studienbeiträge schrecken offensichtlich diejenigen stärker ab als erwartet, die aus bildungsfernen oder - in Klammern - sozial schwachen Verhältnissen kommen. Das kann nach den Ergebnissen der Studie niemand bestreiten.
(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE] - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das wussten wir schon vorher!)
Nun hat Frau Heinen-Kljajić aus dem Gutachten des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und anderer Beteiligter, die Sie hier zugegebenermaßen als unverdächtig dargestellt haben, zitiert. Liebe Frau Heinen-Kljajić, auch in dem Zusammenhang hätten Sie erwähnen müssen, dass in diesem Gutachten sozusagen eingefordert wird, dass die Länder, die noch keine Studienbeiträge eingeführt haben, sie einführen mögen, um genauso wie Niedersachsen, Baden-Württemberg und andere einen größeren Beitrag zur Verbesserung der Studienbedingungen leisten zu können, weil der Stifterverband, wie ich gerade ausgeführt habe, auch aufgrund der internationalen Erfahrungen - wir können doch beobachten, was sich in anderen Ländern abspielt - erkannt hat, dass die Frage der Studienbeiträge eben nicht der Schlüs