Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Wie man als Kommune damit umgeht oder wie man es machen muss, wenn sich ein Land wie Niedersachsen aus einer solchen Förderung zurückzieht, kann man im lokalen Integrationsplan, aber auch in dem flächendeckenden Konzept für Sprachförderung in Kitas und Grundschulen der Landeshauptstadt Hannover nachlesen. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, die Lektüre dieses lokalen Integrationsplanes würde ich Ihnen allen empfehlen.

(Beifall bei der SPD)

Hannover wird im Gegensatz zum Land Niedersachsen seiner Verantwortung gerecht, obwohl es hier um eine Aufgabe geht, die nicht in erster Linie eine Aufgabe der Stadt Hannover ist. Ob ein ganzheitliches Konzept der Sprachförderung in der Gesamtschule oder in einer gemeinsamen Schule oder im Rahmen welcher Lösung auch immer, die sich für ein Land im demografischen Wandel anbietet, umgesetzt wird, ist letztendlich zweitrangig, solange die Marschrichtung, dass der Aufstieg für alle möglich sein muss, klar ist.

Fest steht: Sprachförderung muss zum Schwerpunkt in unseren Bildungseinrichtungen werden, und zwar - das sei ausdrücklich betont - beginnend im ersten Kindergartenjahr und mindestens bis hin zum 8. Schuljahr. Das Land ist in der Pflicht, nun endlich ein ganzheitliches Konzept vom Anfang der Kindergartenzeit bis zum 8. Schuljahr mit einer ausgewogenen Finanzierung vorzulegen. Den Worten müssen nun Taten folgen. Der Arbeitgeberverband hat es zum Bildungsgipfel wie folgt formuliert: Es müssen messbare Zielmarken erkennbar werden. - So lautete die Kritik des nicht gerade CDU-feindlichen Arbeitgeberverbandes am Bildungsgipfel.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Ende. Es geht um Schulen, die allen Kindern faire Chancen bieten. Nicht das Sortieren nach Unterschieden in Leistung, Herkunft und Geschlecht darf im Mittelpunkt stehen. Vielmehr muss es um das Leistungsvermögen jedes einzelnen Kindes und um seine optimale Entwicklung gehen. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit höheren Abschlüssen muss steigen, und die Zahl von Jugendlichen ohne Abschluss muss sinken. In diesem Zusammenhang dürfen und können wir uns den Verzicht auf die Begabungen und Kompetenzen von Kindern mit Migrationshintergrund, weil für diese die sprachlichen Barrieren in unserem Bildungssystem zu hoch sind, nicht leisten.

Ich will noch einmal auf den neuen Präsidenten der USA zurückkommen. Bildung sei das Wichtigste überhaupt. Wie sonst hätte ihr Enkel jemals so weit kommen können? Das hat eine 86-jährige Frau gesagt. Die alte Dame hieß Sarah Obama und war die Großmutter von Barack Obama.

Wir von der SPD werden den Antrag der Grünen in weiten Teilen unterstützen. An einigen Stellen gibt es für uns allerdings noch Diskussionsbedarf. Wir würden uns wünschen, dass wir uns mit dem Ausschuss einmal die praktische Sprachförderung in

den Einrichtungen angucken und uns mit den Fachleuten vor Ort unterhalten, statt nur theoretische Debatten zu führen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD - Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Klare hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Ich gebe ihm das Wort.

Herr Präsident! Herr Politze, ich möchte Sie darüber aufklären, dass ich die Debatte hier heute den ganzen Tag sehr aufmerksam verfolgt habe. Insofern können Sie sich Ihre persönlichen Beleidigungen ersparen. Das ist aber nicht der Punkt, weshalb ich mich zu Wort gemeldet habe.

Es stört mich, wenn man hier gute Reden hält und nette Worte findet, dies aber genau im Gegensatz zu dem steht, was man in eigener Verantwortung getan hat. Das passt nicht. Während Ihrer Regierungszeit, als Sie die Verantwortung trugen, haben Sie all das nicht getan.

(Widerspruch bei der SPD)

Ganz im Gegenteil - auch das gehört zum Thema -, Sie haben gekürzt und gestrichen, gerade was die Förderung für Migranten- und Ausländerkinder angeht.

(Zuruf von der SPD: Unverschämt!)

- Hören Sie doch erst einmal zu! - Von 1994 bis 2003 haben Sie die Förderstunden für Ausländerkinder und Migrantenkinder jedes Jahr um 14 % gekürzt. Das ist nachzulesen.

Zweitens. Wenn Sie wissen und davon überzeugt sind, dass Sprachförderung für Fünfjährige eine so große Bedeutung hat, warum haben Sie sie dann nicht eingeführt? Wir haben sie eingeführt. Sie hätten es tun können.

(Beifall bei der CDU)

Die Ergebnisse waren damals allen bekannt. Sie haben sie aus finanziellen Gründen nicht eingeführt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie haben das übernommen, was wir eingeführt haben, und dann haben Sie gekürzt!)

Natürlich haben wir das getan, weil Sie nicht in der Lage waren, es umzusetzen.

Ein dritter Punkt. Bis zur Regierungsübernahme durch Gerhard Schröder gab es eine sogenannte Doppelzählung für Ausländerkinder. Das heißt, diese Kinder wurden doppelt gezählt, damit man doppelt so viele Förderstunden für Ausländerkinder in den Schulen anbieten konnte.

Herr Klare, die 90 Sekunden sind um.

Die erste Maßnahme, die Rot-Grün ergriffen hat, war, diese Doppelzählung für Ausländerkinder abzuschaffen. Das nennen Sie Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund. Das Gegenteil haben Sie getan. Das ist negativ.

(Beifall bei der CDU)

Herr Politze, möchten Sie antworten?

(Zuruf: Nein, der ist sprachlos!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach meinem Kenntnisstand haben wir § 54 a im Schulgesetz eingeführt, nicht die CDU-Regierung. Im Übrigen habe ich meinen Ausführungen nichts hinzuzufügen. Das war es.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat Herr Försterling von der FDPFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um bei Barack Obama, der ja nun frisch gewählt worden ist, zu bleiben: Man kann hier feststellen, dass FDP und CDU auch aufgrund der guten Bildungspolitik wiedergewählt worden sind. Man kann also sagen: Yes, we could, and yes, we can.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund liegen den Liberalen besonders am Herzen. Unser Land benötigt in der Zukunft gut ausgebildete Jugendliche, die eigenverantwortlich ihr Leben in die Hand nehmen und sich aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligen. Natürlich sind wir dabei auf die Mitwirkung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund ange

wiesen. Die Grundlage für diese gesellschaftliche Partizipation ist eine gute Schulausbildung. Dies haben FDP und CDU 2003 erkannt und entsprechend gehandelt. Grundlegende Voraussetzung für gute Bildungschancen von Beginn an ist natürlich eine ausreichende Kenntnis der Unterrichtssprache. Das ist übrigens nicht nur ein Problem von Kindern mit Migrationshintergrund, sondern zunehmend auch ein Problem von Kindern ohne Migrationshintergrund. FDP und CDU haben daher die Sprachförderung vor der Einschulung ausgebaut. Niedersachsen hat als erstes Bundesland die flächendeckende Sprachstandsfeststellung und die verpflichtende Sprachförderung vor der Einschulung eingeführt. Es wird berichtet, dass diese Vorgehensweise positive Erfolge hat. Erhebliche Fortschritte gibt es nicht nur im Fach Deutsch, sondern auch in anderen Fächern, in der Konzentrationsfähigkeit, der Lernmotivation und den sozialen Kompetenzen. Bis 2013 wollen wir auch den Bereich der frühkindlichen Bildung weiter ausbauen. Dadurch erreichen wir schon vor der Sprachstandsfeststellung eine höhere Bildungspartizipation von Kindern mit Migrationshintergrund. Gerade unter Berücksichtigung der allgemeinen Bedeutung der frühkindlichen Bildung ist es wichtig, hier Partizipation zu ermöglichen. Mit der Freistellung der Elternbeiträge für das erste und das zweite Kindergartenjahr noch in dieser Legislaturperiode gehen wir diesen Weg konsequent weiter. Auch der Ausbau von Ganztagsschulen wird von uns nach den finanziellen Möglichkeiten weiter vorangetrieben. Auch dies ist wichtig, um Partizipation und Integration zu ermöglichen.

FDP und CDU haben in den letzten fünfeinhalb Jahren viel für die Integration und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund getan. Diesen Weg werden wir eigenständig und konsequent weitergehen.

Da scheinbar jede gesellschaftliche Herausforderung und jedes gesellschaftliche Problem nach Ihrer Meinung seine Wurzel immer im gegliederten Schulsystem hat, würde es mich nicht wundern, wenn irgendwann ein Entschließungsantrag kommt „Klimawandel stoppen! - Das selektive Schulsystem muss abgeschafft werden!“, in dem Sie den Klimawandel auch damit begründen. Das scheint aus Ihrer Sicht die Lösung aller gesellschaftlichen Herausforderungen und Probleme zu sein. Dazu muss man deutlich sagen, dass auch in den Bundesländern mit einer wesentlich höheren Gesamtschulquote die Probleme von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund genau dieselben

sind. Wahrscheinlich geht es ihnen sogar schlechter, weil sie nicht in dem Maße Sprachförderung erhalten wie die Kinder hier in Niedersachsen. Da hilft auch keine Gesamtschule.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Frau Ernst von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Rundumschlag in unser Bildungssystem zu dieser späten Stunde, dieser Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist einfach gigantisch.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist ein Rundumschlag, und man könnte meinen, Sie haben die letzten Jahre in Niedersachsen verschlafen. Sie haben überhaupt nicht mitbekommen, was alles bei uns in Niedersachsen passiert ist. Herr Klare hat Ihnen ja noch einmal aufgezeigt, was vor unserer Zeit geschehen ist, nämlich überhaupt nichts.

(Beifall bei der CDU)

Sie wissen genau - ich kann unterstreichen, was Herr Försterling gesagt hat -: Für uns hat Bildung und gerade die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen höchste Priorität. Wir haben seit 2003 sehr große Anstrengungen unternommen, um diesen Bildungsgedanken weiterzutragen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Dieser Rundumschlag - Ihr Antrag bezieht sich im Grunde auf drei Ministerien - ist einfach gigantisch.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ja, das ist gut! Bildung ist eine Quer- schnittsaufgabe! - Weitere Zurufe)

- Sie können ruhig einmal zuhören; das haben wir auch getan. - Viele Dinge darin stimmen nicht, und vieles haben wir in Niedersachsen längst. Wir wissen, dass Bildung der Schlüssel für die Zukunft unserer Kinder ist, auch für die Zukunft unseres Landes. Wir haben Erhebliches angefangen. Ich sage allerdings auch ganz offen - das wissen Sie ebenfalls -: Erstens haben wir schon Erfolge, Frau Körtner hat es vorhin aufgezeigt. Zweitens dauert es in der Bildung aber etwas länger. Das bezieht sich sowohl auf die Umsetzung, als auch auf die