Protokoll der Sitzung vom 09.12.2008

Herr Möllring, es ist gerade einmal drei Wochen her, da haben Sie hier die Gelegenheit gehabt, im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise Ihre Einschätzung vorzutragen.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

- Im Gegensatz zu Ihnen habe ich das Protokoll nachgelesen; denn dann hätten Sie sich den Zwischenruf gespart. - Sie haben sinngemäß ausgeführt: In Niedersachsen ist alles gut. Es gibt zwar eine Finanzmarktkrise. Aber wir können uns - so haben Sie fast wörtlich gesagt - eigentlich zurücklehnen. Wir haben hier eigentlich nichts zu arbeiten. - Meine Damen und Herren, was für eine Fehleinschätzung dieses Finanzministers!

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Noch beeindruckender ist das, was der Niedersächsische Ministerpräsident in den letzten drei Wochen an Arbeitspensum absolviert hat.

(Björn Thümler [CDU]: Guter Mann!)

Meine Damen und Herren, ein derartiges journalistisches Trommelfeuer habe ich wirklich selten erlebt. Über Sie war wirklich jeden Tag etwas zu lesen, Herr Wulff: Wir machen dies. Wir machen das. Wir sind hier dabei. - Wen haben Sie eigentlich mit „wir“ gemeint?

(Heinz Rolfes [CDU]: Jüttner sicher- lich nicht!)

Denn in Ihren Bemerkungen geht es um Straßen- und Schienenbau sowie um energetische Sanierung. Das alles sind im Kern sinnvolle Projekte. Aber hier, Herr Wulff, wo Sie Verantwortung haben, nämlich in diesem Land, in Niedersachsen, findet überhaupt nichts von dem statt, was Sie in diesen Interviews angekündigt haben.

(Starker Beifall bei der SPD)

Sie geben wieder eine Ihrer Lieblingsrollen, nämlich anderen Vorschläge zu machen. Dabei sollten Sie sich nur an Ihr Motto halten: Kehren Sie endlich vor Ihrer eigenen Tür, Herr Wulff!

(Beifall bei der SPD)

Aber wir kennen das ja aus den letzten Jahren - auch in diesem Jahr hat sich das fortgesetzt -: Wenn es ernst wird, wenn es Probleme gibt, wenn sich Krisen andeuten, dann ist eines in der niedersächsischen Landespolitik gewiss: Herr Wulff hat damit nichts zu tun. Er ist abgetaucht, meine Damen und Herren.

(Johanne Modder [SPD]: Weg!)

Das ist eine Politik, die eines Ministerpräsidenten unwürdig ist, Herr Wulff!

(Beifall bei der SPD)

Wo waren Sie denn in diesem Jahr, als sich Ihre Kultusministerin beim Thema Arbeitszeitkonto richtig in den Dreck geritten hat?

(Björn Thümler [CDU]: Was?)

Von Herrn Wulff haben wir zu diesem Thema nichts gehört. Gibt es von Ihnen eine Aussage zum Thema Skandal in der Asse? - Nein. Herr Wulff war anderweitig beschäftigt, meine Damen und Herren. Wo waren Sie, als wir hier über die Situation der kommunalen Finanzen und über die Höhe der Kassenkredite in Cuxhaven diskutiert haben? - Herr Wulff war weg. Immer dann, wenn es ernst wird, ist Herr Wulff verschwunden, meine Damen und Herren. Das ist nicht akzeptabel!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - David McAllister [CDU]: Sie müssen einmal die Augen aufma- chen! - Björn Thümler [CDU]: Er ist so schnell, dass Sie ihn gar nicht sehen!)

Dabei gibt es einen riesigen Handlungsbedarf im Land Niedersachsen. Der Landesbetrieb für Statistik hat ja seinen neuesten Monitor vorgelegt. Dort können Sie lesen - ich weiß, das hat Ihnen nicht gepasst; Sie haben ja hinreichend zu intervenieren versucht -: Bei der Lohnentwicklung sind wir in Niedersachsen Schlusslicht. Der Abstand zum Bundesgebiet vergrößert sich. Polarisierung der Gesellschaft: Der schwächste Teil wird immer weiter abgehängt.

Die Innovationssituation in Niedersachsen ist bedrückend. Wir stehen bei Patentanmeldungen und Gewerbeansiedlungen hinten. Auch die Unternehmensinvestitionen sind rückläufig.

Die öffentlichen Haushalte zeichnen sich durch eine äußerst geringe Investitionsquote aus, meine Damen und Herren. Dies ist durch die Konjunkturumfrage bestätigt worden, die die IHK in Braun

schweig vor wenigen Tagen durchgeführt hat und in der deutlich wird: Es gibt Auftragseinbrüche, die inzwischen auch die Automobilindustrie und die Zulieferer erreichen. - Das Bild rundet sich durch die Einschätzung der NORD/LB ab, die wir heute in den Zeitungen lesen können: Die Auftragssituation bricht ab, und zwar - was gerade für Niedersachsen beängstigend ist - beim Export erdrutschartig, meine Damen und Herren.

(Björn Thümler [CDU]: Bis zum Ende lesen!)

Wir geraten in eine hoch komplizierte Situation. Das spüren alle; das spürt auch die Bevölkerung. Aber die Mehrheit in diesem Hause verschließt die Augen vor dieser gefährlichen Entwicklung.

(Beifall bei der SPD)

Die Regierung hat im Juli ihren Haushaltsentwurf auf den Tisch gelegt. Aus der Sicht der sie tragenden Fraktionen gibt es daran keinen Änderungsbedarf; denn bei den zwei Dutzend Millionen, die Sie darin eingebaut haben, wollen Sie ja wohl nicht von Veränderungen reden.

(David McAllister [CDU]: Über 50!)

Sie sehen keinen Handlungsbedarf, meine Damen und Herren. Aber was noch schlimmer ist, ist, was Sie seitdem gemacht bzw. unterlassen haben. Sie haben im Oktober dieses Jahres im Nachtragshaushalt mehr als 20 Millionen Euro im investiven Bereich gekürzt. Andere investieren, Sie kürzen, meine Damen und Herren. Ein katastrophaler Fehler!

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Sie haben in den letzten Wochen beim Thema Städtebau verabredet, die Bundesmittel für 2009 nicht in Anspruch zu nehmen.

(Johanne Modder [SPD]: Unglaublich!)

Dabei geht es um 28,6 Millionen Euro. In der Folge hätte das eine konjunkturelle Entwicklung für Niedersachsen von mehr als 200 Millionen Euro, meine Damen und Herren. Unterlassung von Politik - das ist das, was Sie leisten! Das ist hochgefährlich für das Land!

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Sie haben - dies ist das dritte Beispiel - bei den europäischen Mitteln richtig dafür gesorgt, dass das Geld in Brüssel liegen bleibt. Niedersachsen

ist wirklich Spitzenreiter, was Strukturmittel aus Europa angeht.

Herr Althusmann, Sie erinnern sich sicherlich noch an die Finanzausschusssitzung - sie ist gerade einmal einen Monat her -, in der über die Details berichtet worden ist. In einer Titelgruppe 68 stehen 98 Millionen Euro für 2008 zur Verfügung. Verausgabt davon sind 2 Millionen Euro, meine Damen und Herren. Dies gilt auch für andere Titelgruppen.

Ich schätze, dass an europäischen Strukturfondsmitteln in diesem Jahr allein 200 Millionen Euro in Brüssel liegen gelassen worden sind, meine Damen und Herren. Das ist doch keine proaktive Politik! Sie selbst haben im Ausschuss angemahnt: Es muss wohl einmal darüber nachgedacht werden, wie sich das verbessert. - Einsicht ist zwar der erste Weg der Besserung, aber noch lange nicht hinreichend, Herr Althusmann. Dies wissen hoffentlich auch Sie.

(Beifall bei der SPD)

Da wir gerade beim Thema Europa und Investitionen sind: Nichts ist uns so wichtig wie die Zukunft des JadeWeserPorts. Darüber sind wir alle uns einig, meine Damen und Herren. Ich hoffe, dass die Gerüchte nicht stimmen, die lauten, dass die Landesregierung augenscheinlich nicht in der Lage ist, die Notifizierung der Mittel für Brüssel so rechtzeitig zu organisieren, dass der Bau fortgesetzt werden kann, meine Damen und Herren. Ich hoffe, das kann hier entkräftet werden. Dies wäre sonst eine fatale Entwicklung!

(Beifall bei der SPD)

Da wir gerade bei der maritimen Wirtschaft sind, sollte Herr Hirche die Gelegenheit nutzen, dem Landtag einmal mitzuteilen, wie es gegenwärtig um das Unternehmen NPorts steht.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

- Von wegen „sehr gut“. - Uns ist bekannt geworden, dass die Landesregierung viel Arbeit wird aufwenden müssen, um im nächsten Jahr die Insolvenz von NPorts abzuwenden.

(Johanne Modder [SPD]: Was?)

NPorts steht kurz vor der Insolvenz. Ich weiß nicht, ob die Staatskanzlei das weiß. Sie ist ja in Fragen Steuerungskapazitäten gering ausgestattet. Der Wirtschaftsminister hat dies zu verantworten, meine Damen und Herren. NPorts steht mit dem Rücken an der Wand, und das in einer der zentralen

Zukunftsbranchen dieses Landes, nämlich in der maritimen Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: So ein Unfug!)

Mir ist oft der Vorwurf des Miesmachers gemacht worden.