Protokoll der Sitzung vom 10.12.2008

Die Polizei bewältigt diese schwierige Aufgabe seit Jahren in hervorragender Art und Weise.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD)

Ihre Maßnahmen sind dabei stets verantwortungs- und zielbewusst sowie recht- und insbesondere verhältnismäßig. Diese Feststellung ändern weder subjektiv geprägte Schilderungen einzelner Organisationen noch im Einzelfall zu beanstandendes polizeiliches Verhalten.

Soweit die Polizei im Rahmen von Castoreinsätzen Datenerhebungen, Observationen, präventive Freiheitsentziehungen oder ähnliche Maßnahmen durchgeführt hat, erfolgte dies unter rechtmäßiger Anwendung der entsprechenden rechtlichen Befugnisse. So sind beispielsweise die Langzeitgewahrsamnahme von Frau Cecile Lecomte sowie das Notieren der Kennzeichen von Fahrzeugen einzelner Teilnehmer

(Kurt Herzog [LINKE]: Flächende- ckend! Nicht einzelner Teilnehmer!)

an der Auftaktdemonstration am 8. November 2008 durchgeführt worden, um unmittelbar bevorstehende Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Gefahr für die Allgemeinheit abzuwehren.

Im Fall der Ingewahrsamnahme Frau Lecomtes ist die Rechtmäßigkeit gerichtlich sogar bestätigt worden. Dieser Fall ist am Donnerstag Gegenstand des Tagesordnungspunktes 19, Mündliche Anfragen, Frage Nr. 40. Ich möchte deshalb heute noch nicht darauf eingehen.

Die Polizei wertet ständig die einschlägige Rechtsprechung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die polizeiliche Praxis aus. Sofern sich daraus Erkenntnisse von grundsätzlicher und allgemeiner Bedeutung für zukünftige Einsätze ergeben, werden sie z. B. in Form von Handlungsanweisungen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zugänglich gemacht. Bei Besprechungen im Vorfeld der Einsätze wird die aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung ebenfalls regelmäßig umfangreich bis auf die Ebene der Einsatzeinheiten erörtert.

Bei den Castortransporten erhält zudem jede eingesetzte Beamtin und jeder eingesetzte Beamte eine aktuelle Castorinformationsbroschüre, die u. a. die Einsatzleitlinien und wichtige, insbesondere auch rechtliche Hinweise enthält.

Den Eindruck, den die Fraktion DIE LINKE mit dieser Anfrage offensichtlich vermitteln will, die Polizei würde im Rahmen der Castoreinsätze absichtlich und gezielt Rechtsverstöße begehen, lasse ich nicht zu. Ich weise die hier vorgebrachten Behauptungen mit Entschiedenheit zurück.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD)

Die Anfrage ist ja gerade vorgetragen worden. In diesem Zusammenhang darf man, obwohl mir dies nicht zusteht, durchaus die Frage stellen, ob hier wirklich eine Dringlichkeit besteht. Dies ist sicherlich anders zu bewerten. Bei dieser Anfrage geht es vor allen Dingen um lange zurückliegende Polizeieinsätze.

Die Fraktion DIE LINKE täte besser daran, die unter schweren Umständen geleistete hervorragende Arbeit der Polizei zu honorieren - wie dies im Übrigen alle anderen Fraktionen des Niedersächsischen Landtages in der Vergangenheit getan haben -, anstatt sie permanent zu diskreditieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD)

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die drei Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Diese Frage habe ich mit den Vorbemerkungen bereits beantwortet.

Zu Frage 2: Gemäß § 37 a Nds. SOG unterrichtet das Ministerium für Inneres, Sport und Integration den Ausschuss zur Kontrolle besonderer polizeilicher Datenerhebungen über Anlass und Dauer von Datenerhebungen gemäß §§ 33 a bis c, 34, 35, 36 a und 37 Nds. SOG in vertraulicher Sitzung. Für die Jahre 2005 und 2006 ist diese Unterrichtung bereits erfolgt. Für das Jahr 2008 wird sie in der ersten Hälfte des Jahres 2009 erfolgen.

Zu Frage 3: Die polizeiliche Ingewahrsamnahme richtet sich nach §§ 18 ff. des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Freiheitsentziehung bedarf der richterlichen Entscheidung über ihre Zulässigkeit und Dauer. Die Höchstdauer ist gemäß § 21 Nds. SOG auf maximal zehn Tage in Fällen des sogenannten Unterbindungsgewahrsams begrenzt. Die Behand

lung festgehaltener Personen richtet sich nach § 20 Nds. SOG und ergänzend nach der Polizeigewahrsamsordnung.

Da die meisten Dienststellen nicht über die geeigneten Zellen für eine längerfristige Unterbringung verfügen, erfolgt in diesen Fällen die räumliche Unterbringung in entsprechend eingerichteten Gewahrsamszellen der Polizeidirektionen Hannover und Braunschweig. Nach § 20 Abs. 5 Nds. SOG kann der Gewahrsam außerdem im Wege der Amtshilfe in einer Justizvollzugsanstalt vollzogen werden.

Hinsichtlich der Vollzugsbedingungen sind hier insbesondere folgende Regelungen der Polizeigewahrsamsordnung zu nennen, die bis auf die räumliche Unterbringung und die Möglichkeit des Aufenthalts im Freien nicht hinsichtlich der Dauer der Ingewahrsamnahme differenzieren:

Unterbringung: Die festgehaltene Person soll gesondert, insbesondere ohne ihre Einwilligung nicht in demselben Raum mit Straf- oder Untersuchungsgefangenen untergebracht werden. Männer und Frauen sollen getrennt untergebracht werden. Der festgehaltenen Person dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Freiheitsentziehung oder die Ordnung im Gewahrsam erfordern.

Ausstattung der Gewahrsamszellen: In den Gewahrsamszellen müssen sicher befestigte Liegen und eine Gegensprechanlage oder Klingel vorhanden sein. Die Zellentüren sollten aus Sicherheitsgründen mit Weitwinkelspionen versehen sein. Die in Gewahrsam genommenen Personen erhalten eine Matratze oder eine Kunststoffauflage und je nach Jahreszeit eine oder zwei Wolldecken. Matratzen, Kunststoffauflagen und Decken sind nach Gebrauch zu reinigen und mindestens alle sechs Monate zu desinfizieren. Hat eine Person, bei der der Verdacht einer ansteckenden Krankheit besteht, die in Satz 1 genannten Gegenstände benutzt, so sind diese unverzüglich zu desinfizieren. Die Gewahrsamszellen müssen ausreichend temperiert, beleuchtet und belüftet sein.

Behandlung festgehaltener Personen: In Gewahrsam genommene Personen sollen nur von Personen gleichen Geschlechts betreut werden. Ist dies nicht möglich, so sind mindestens zwei Bedienstete einzusetzen.

Sachen zum persönlichen Gebrauch oder Verbrauch, die für in Gewahrsam genommene Personen abgegeben oder übersandt werden,

dürfen nur nach Durchsicht und im Zweifel nur mit Zustimmung der sachbearbeitenden Dienststelle ausgehändigt werden.

Der in Gewahrsam genommenen Person ist ein Merkblatt über ihre mit der in der Gewahrsamnahme verbundenen Rechte auszuhändigen. Das Merkblatt wird selbstverständlich in gängigen Sprachen vorgehalten.

Vernehmungen dürfen nicht in Gewahrsamszellen durchgeführt werden.

Ärztliche Betreuung: Personen, die im Polizeigewahrsam untergebracht werden sollen oder sind, aber offensichtlich verletzt oder krank sind bzw. angeben, krank oder verletzt zu sein, sind in jedem Fall einer Ärztin oder einem Arzt vorzustellen.

Verpflegung: In Gewahrsam genommene Personen sind zu den gängigen Zeiten ausreichend zu verpflegen und mit Trinkwasser zu versorgen, wobei gesundheitliche und religiöse Umstände berücksichtigt werden sollen.

Aufenthalt im Freien: Wenn es die personellen und räumlichen Voraussetzungen zulassen, ist den Personen, die länger als 24 Stunden in Gewahrsam genommen werden, die Möglichkeit zu geben, sich täglich 45 Minuten im Freien aufzuhalten.

Besuche: Personen können Besuch empfangen, soweit dadurch der Zweck oder die Durchführung der Maßnahme nicht gefährdet wird. Besuche bedürfen der Zustimmung der sachbearbeitenden Organisationseinheit. Die Besuchsdauer soll 15 Minuten nicht übersteigen. Besuche sind nur in Gegenwart einer oder eines Bediensteten des Gewahrsamdienstes oder der sachbearbeitenden Organisationseinheit zulässig. Die vorgenannten Einschränkungen gelten nicht für Besuche von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, Konsularvertreterinnen und Konsularvertretern oder Geistlichen.

Nachtruhe: Die in Gewahrsam genommenen Personen haben, wenn das Einsatzgeschehen dies zulässt, Anspruch auf ausreichende Nachtruhe. Sie soll um 21 Uhr beginnen und um 6 Uhr enden.

Zwangsmittel: Die Anwendung von Zwangsmitteln, insbesondere bei Gewalttätigkeiten, Widerstand, Fluchtversuchen, bei Gefahr der Selbsttötung oder wenn besondere Umstände für eine mögliche Gefangenenbefreiung sprechen, richten sich nach den Vorschriften des Nds. SOG.

Dies sind nur die wichtigsten Auszüge aus der Verordnung. Wenn Bedarf besteht, kann ich sie verteilen oder weiter daraus vorlesen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine erste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Schünemann, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die statistische Wahrscheinlichkeit dagegen spricht, dass eine Mündliche Anfrage, die mit der Ordnungsnummer 40 vorliegt, morgen noch zur Beantwortung kommt, hätte ich die Bitte, die Frage von Ihrer Seite aus doch schon jetzt zu beantworten, nämlich wie die Landesregierung die Haftbedingungen der in Braunschweig im Zusammenhang mit den Gorleben-Transporten inhaftierten Cecile Lecomte, die von Ihnen ja schon erwähnt worden ist, beurteilt.

Herr Minister Schünemann!

Ich zitiere nur auszugsweise aus meiner Antwort, weil diese Antwort Ihnen noch schriftlich zugänglich gemacht werden wird:

„Bei den regelmäßigen Kontrollgängen stellten die Gewahrsamsmitarbeiter mehrfach fest, dass Frau Lecomte auf dem ca. 190 cm hohem Regalschrank der Gewahrsamszelle saß und teilweise den Putz von der Zellendecke kratzte. Den Aufforderungen, den Schrank zu verlassen, kam sie nicht nach. Um die Gefahr eines Sturzes vom Schrank auf den gefliesten Zellenboden zu verringern, ohne Frau Lecomte Fesseln anlegen zu müssen, blieb die Beleuchtung der Zelle über Nacht eingeschaltet.

Am 8. November 2008 sowie am 9. November 2008 erhielt Frau Lecomte jeweils Gelegenheit zu einem begleiteten Freigang auf dem Gelän

de der Polizeiinspektion Braunschweig.“

(Kurt Herzog [LINKE]: Gefesselt!)

„Beim ersten Freigang wurde Frau Lecomte mittels einer locker am Handgelenk arretierten Handfessel mit einer Polizeivollzugsbeamtin der Polizeiinspektion Braunschweig verbunden, um zu verhindern, dass die als ausgezeichnete Kletterin bekannte Frau Lecomte einen Baum oder Gebäudeteile auf dem Grundstück erklimmt.

Zum Ende des Freigangs weigerte sich Frau Lecomte, dann in das Polizeigewahrsam zurückzukehren, setzte sich auf den Boden und war auch durch Ansprechen nicht zum Aufstehen zu bewegen. Sie musste letztlich in das Gewahrsam zurückgetragen werden.

Der Freigang am 9. November 2008 fand in Begleitung einer Beamtin und zweier Beamten der Polizeidirektion Lüneburg statt. Da Frau Lecomte über zu wenig Bewegung klagte, wurde auf eine Fesselung verzichtet und ihr gestattet, kurzzeitig einen der im Hof befindlichen Bäume zu erklettern. Danach kehrte sie sofort in die Räumlichkeiten des Polizeigewahrsams zurück.“

Sie sehen also, dass auch hier bei der Ingewahrsamnahme auf bestimmte Notwendigkeiten Rücksicht genommen wird. Wer also Bewegungsmangel hat und gerne klettert, kann sogar im Gewahrsam in Braunschweig klettern.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Abgeordnete Herzog von der Fraktion DIE LINKE möchte zwei Zusatzfragen stellen. Ich erteile ihm das Wort.