Protokoll der Sitzung vom 10.12.2008

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Wir kommen zur allgemeinen Aussprache. Zur Reihenfolge - - -

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Zuerst die Grünen!)

- Die Grünen wollten nicht als Erste.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Die müssen aber! Das ist immerhin ihr Gesetzentwurf!)

- Es ist Ihr Gesetzentwurf, Herr Limburg. Ich bemühe mich ja, Ihren Wünschen sehr entgegenzukommen. Aber in diesem Fall ist es nicht möglich. - Bitte schön, Herr Limburg!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Althusmann, das war gerade der Versuch, mit einer Tradition in diesem Parlament zu brechen und die Debatte ein wenig dadurch aufzulockern, dass nicht auch in der zweiten Beratung immer die einbringende Fraktion anfangen muss.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Zum Auflockern können Sie rausgehen!)

- Dass Sie als Erzkonservativer jeglichen Traditionsbruch massiv bekämpfen, hätte ich ahnen müssen.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Vielen Dank für die Blumen! - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Es ist schwierig mit der Pubertät! Aber das kriegen wir alles hin!)

Aber nun bin ich hier und rede zum Thema.

Wir haben bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs zur Senkung des Wahlalters auf 14 Jahre bei Kommunal- und Landtagswahlen eine sehr kontroverse Debatte geführt. Zahlreiche Argumente sind ausgetauscht worden; ich möchte sie hier nicht wiederholen. Zwischenzeitlich gab es in den Ausschüssen schriftliche Anhörungen, durch die aus meiner Sicht viele neue Aspekte in die Beratung gekommen sind.

Entgegen der Prognose der Regierungsfraktionen in der ersten Beratung haben zahlreiche Expertinnen und Experten in ihren schriftlichen Stellungnahmen den Vorschlag einer Senkung des Wahlalters auf 14 Jahre aber durchaus begrüßt. Ich hoffe, Sie haben das alle gelesen. Unter den Befürworterinnen und Befürwortern des Gesetzentwurfs waren eine ehemalige Justizsenatorin, Professorinnen und Professoren sowie anerkannte Fachverbände, also durchaus Expertinnen und Experten auf diesem Gebiet.

Aber es gab natürlich auch kritische Stellungnahmen. Ich gehe hier exemplarisch auf zwei dieser kritischen Stellungnahmen ein, weil sie ganz gut zeigen, wie der Diskussionsstand ist.

Ich komme zunächst zu der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens und nehme mir die Zeit, sie komplett im Wortlaut vorzulesen:

„In der Sache können wir mitteilen, dass wir der vorgeschlagenen Senkung des Wahlalters ablehnend gegenüberstehen. Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund für diese Rechtsänderung.“

Punkt, Ende!

(Zustimmung bei der CDU)

Mit anderen Worten: Der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände ist die Wahlberechtigung von Kindern und Jugendlichen ganze zwei

Zeilen wert. Dies zeigt exemplarisch, wie nötig die Senkung des Wahlalters ist.

(Lachen bei der CDU)

Das hätte nämlich zur Folge, dass sich Kommunal- und Landespolitiker mit den Problemen und Sorgen von Kindern und Jugendlichen ernsthaft auseinandersetzen müssten. Dann könnten sie das nicht mehr wie hier mit zwei Zeilen in einem Schreiben abbügeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die zweite Stellungnahme, auf die ich eingehen möchte, war die des ehemaligen Justizministers Professor Dr. Pfeiffer. Er hat sich zum Wahlalter 14 kritisch geäußert, aber ein Wahlalter 16 durchaus begrüßt und empfohlen, dies einzuführen. Der Kollege Adler hat im Rechtsausschuss einen entsprechenden Änderungsantrag gestellt. Aber der wurde von den Regierungsfraktionen - wie üblich ohne Debatte - abgebügelt.

(Beifall bei der CDU)

Damit haben Sie deutlich gemacht, dass Sie sich nicht einen Zentimeter auf Kinder und Jugendliche zu bewegen. Auch ein Wahlalter 16 ist mit Ihnen nicht zu machen; das zeigt Ihre Haltung.

Ich gehe natürlich davon aus, dass Sie Ihre Meinung nicht geändert haben und unseren Gesetzentwurf ablehnen werden. Dies wird zu der skurrilen Situation führen, dass ich, wenn ich mit Ihren politischen Jugendorganisationen, den Jungen Liberalen und der Jungen Union, diskutiere, den Leuten immer sagen muss: Eure Mutterparteien trauen euch nicht zu, politisch fähig zu diskutieren, eure Mutterparteien halten euch für politisch noch nicht reif, um in der Kommunal- und Landespolitik ernsthaft mitzureden.

Wir sind der Auffassung, dass diese Jugendverbände dieses durchaus sind. Aber ihre eigenen Fraktionen im Landtag sprechen ihnen die politische Mündigkeit ab. Dies sollten Sie bitte im Hinterkopf haben, wenn Sie jetzt dagegen stimmen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Focke gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten, Herr Focke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Limburg, Sie haben die Jugendorganisationen der Parteien angesprochen. Ich kann Ihnen sagen: Wenn wir von der Jungen Union mit unserer Mutterpartei diskutieren, wirken wir auch auf sie ein. Wir suchen die Debatte in unserer Mutterpartei. So bekommen wir auch Veränderungen hin. Wir werden dort nämlich ernst genommen. Aber das hat doch überhaupt nichts damit zu tun, dass man Jugendlichen mit 14 das Wahlrecht einräumt.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Dr. Philipp Rösler [FDP])

Herr Limburg möchte antworten. Bitte schön!

Geschätzter Herr Kollege Focke, ich glaube doch, dass das etwas damit zu tun hat, ob man das Wahlrecht hat oder nicht. Sie haben Ihre innerparteilichen Diskussionen angesprochen. Ich habe auch keinen Zweifel, dass sich die Junge Union und die Schülerunion in diesen Diskussionen einbringen. Das haben Sie als Landesvorsitzender sicherlich über lange Jahre getan.

Aber das ist nur ein kleiner Ausschnitt, ein Element von Demokratie. Das wichtigste Element jedoch sind aus meiner Sicht die demokratischen Wahlen zu den Kommunalparlamenten und zum Landesparlament.

Wenn Sie sagen, Sie würden von Ihrer Mutterpartei im innerparteilichen Diskussions- und Demokratieprozess völlig ernst genommen, aber Ihnen werde, sobald es nach draußen und in die ganz normalen Institutionen geht, aus irgendeinem Grund die Mündigkeit abgesprochen mitzureden, dann halte ich das für nicht stimmig, Herr Kollege Focke.

Wenn Sie als Jugendverband fähig sind, auf die CDU einzuwirken, dann muss es auch möglich sein, dass denselben Personen die Möglichkeit eingeräumt wird, sich an einer allgemeinen Wahl zu beteiligen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als nächster Redner hat sich Herr Coenen von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem in Niedersachsen das Wahlalter für das aktive Wahlrecht für die Landtagswahlen und den kommunalen Bereich auf 14 Jahre abgesenkt werden sollte.

Der Gesetzentwurf hatte zunächst einmal formal dadurch überrascht, dass nach dem vorgeschlagenen Text der Änderung unserer Verfassung das passive Wahlrecht verschwinden sollte. Dass dies von den Grünen aber gar nicht gewollt war, haben die Beratungen in den Fachausschüssen gezeigt.

Außerdem habe ich in dem Gesetzentwurf eine Anpassung des Landeswahlrechts vermisst; denn das Wahlalter ist auch in § 2 des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes normiert. Insofern wäre zumindest eine entsprechende Änderungsregelung erforderlich gewesen.

Hier hätte ich mir für den Gesetzentwurf mehr Sorgfalt gewünscht. So leichtfertig und oberflächlich sollten Änderungen mit Wirkungen auf die Verfassung nicht beantragt werden.

Daneben ist bereits heute seit 1995 in der Niedersächsischen Gemeindeordnung ein aktives Wahlrecht für 16-Jährige vorgesehen. Der Artikel 2 Ihres Entwurfs geht aber noch von 18-Jährigen aus. Auch diesen Fehler haben Sie inzwischen wohl bemerkt.

Für den Bereich des Landeswahlrechts ist nach meiner Einschätzung der notwendige Nachweis der Sachgerechtigkeit überhaupt nicht erbracht und deswegen das Festhalten an der Beschränkung auf Erwachsene geboten. Von daher lehnen wir von der CDU-Fraktion die Absenkung der Wahlberechtigung auf 16 oder gar 14 Jahre ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Niedersachsen mit einer Absenkung des Wahlalters die Bundeseinheitlichkeit verlassen und von der vergleichbaren Regelung zum Bundes- und Europawahlrecht und vom Wahlrecht der anderen Länder abweichen würde.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wir ha- ben doch Föderalismus!)

Für den Bereich des Bundeswahlrechts hat Bundesinnenminister Schäuble im Frühjahr 2007 eine Absenkung des Wahlalters für die Bundesregierung abgelehnt.

Den entscheidenden Grund dafür, sich bei der Beibehaltung des Wahlalters weiterhin an dem Alter für die Volljährigkeit zu orientieren, die die Vollendung des 18. Lebensjahres voraussetzt, sehe ich aber in dem erheblichen Wertungswiderspruch hinsichtlich der abweichenden Einschätzung der Reife der Jugendlichen. Eine plausible Erklärung dafür, dass ein Jugendlicher zwar über die politischen Gestaltungsfragen des Landes mitentscheiden können soll, gleichzeitig aber einen großen Teil seiner eigenen Belange nur mit Zustimmung seiner Eltern regeln darf, sind die Grünen in den Fachausschüssen schuldig geblieben.