Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Ich verrate wohl auch kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es morgen so kommen wird.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Wortmeldung kommt aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Kollegin Helmhold, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nun einmal ernsthaft: Die medienpolitische Auseinandersetzung fand im vergangenen Jahr vor allem im Zusammenhang mit der Diskussion um die Änderung des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags statt.

Inzwischen ist klar, dass Ministerpräsident Wulff und seine Kollegen ARD und ZDF auf dem Weg in die Online-Welt ausbremsen wollen.

In dieser Auseinandersetzung stehen die massiven Interessen kommerzieller Anbieter, mit dem World Wide Web Geld zu verdienen, dem berechtigten Wunsch der Gebührenzahler gegenüber, nicht von kommerziellen Interessen geleitete Informationen jederzeit und überall abrufen zu können. Nur wenn diese Angebote kostenlos im Netz zur Verfügung stehen, wird die Schere zwischen Arm und Reich - zwischen denen, die sich alle Medien leisten können, und denen, die ein Angebot vielleicht nicht anklicken können, weil es kostenpflichtig ist - nicht noch weiter auseinanderklaffen. So gesehen kann nur ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der auf allen Übertragungswegen seine Angebote zur Verfügung stellt, seinen gesellschaftlichen Auftrag einlösen und dafür sorgen, dass jeder an der Vielfalt teilhaben kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat die Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks immer wieder hervorgehoben. Er muss neue Übertragungswege nutzen und das Internet zur dritten Säule ausgestalten können. Sie wollen jetzt Inhalte nach sieben Tagen löschen, Sportangebote bereits nach 24 Stunden, und das, obwohl die Gebührenzahler dies bereits bezahlt haben. Die EU-Kommission hat diese strengen Regeln keinesfalls gefordert. Das verantworten vor allen Dingen und nur die CDU-Ministerpräsidenten.

Meine Damen und Herren, im nächsten Jahr will sich die Koalition nun offenbar der Einführung des kommerziellen lokalen Rundfunks widmen. Die Koalitionspartner „wollen prüfen, ob lokaler kommerzieller Rundfunk die einheimische Medienlandschaft zusätzlich beleben könnte“. So steht es in der Koalitionsvereinbarung.

(Jörg Bode [FDP]: Gute Vereinbarung! - David McAllister [CDU]: Richtig zi- tiert!)

Nun ist es ja nicht gerade so, dass es einen Mangel an Sendern gibt, wenn man sein Radio einschaltet. Im lokalen Bereich leisten die niedersächsischen Bürgermedien hervorragende Arbeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sie wären die Ersten, die durch kommerzielle Angebote gefährdet wären. Ich bin sehr skeptisch, ob durch zusätzliche kommerzielle Angebote tatsächlich ein Mehrwert an Informationen entstehen würde. Wenn wir uns in Erinnerung rufen, mit welchen Glücksversprechen die Unionsparteien und die Liberalen die Einführung des privaten Fernsehens und Rundfunks durchgesetzt haben, und dies mit dem überwiegend erschreckenden Niveau der heutzutage ausgestrahlten Sendungen vergleichen, dann sollten wir alle gemeinsam überlegen, wie wir statt weiterer Privatisierung eine Verbreiterung und Verbesserung der Informationsangebote der bestehenden Öffentlich-Rechtlichen und der Bürgermedien erreichen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Seit kurzer Zeit liegt uns eine Studie vor, die im Auftrag des Verbandes Nordwestdeutscher Zeitungsverlage entstand, um - ich zitiere - „die Vorgaben des Koalitionsvertrages zu substantiieren“. Es geht darin vor allem darum, zu prüfen, wie hoch mögliche Werbeeinnahmen sein können und ob sich die Einführung kommerzieller lokaler Angebote überhaupt lohnt. Ich glaube, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, die Ergebnisse der Studie gefallen Ihnen nicht. Erster Befund. Frequenzkapazitäten für weitere Regionalradiosender sind nicht vorhanden. Zweiter Befund. Es gibt nur ein theoretisches Potenzial für neue Sender. Dritter Befund. Der Erfolg für neue regionale TV-Sender ist unklar und lohnt sich höchstens in einem Verbund für ganz Niedersachsen mit lokalen Fenstern. Das wiederum würde ich nicht als lokales Angebot bezeichnen.

Ich kann Ihnen nur raten: Begraben Sie diese Pläne! Denn auch wenn es niedersächsisch wäre; wir brauchen nicht mehr „Big Brother“, „Bauer sucht Frau“, „Frauentausch“ oder gar ein Dschungelcamp im Deister, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - David McAllister [CDU]: Wie Sie mit privaten Medien umgehen, das ist unglaublich! Sie beleidigen Hunderte von Privatmedienjournalis- ten!)

Danke schön, Frau Kollegin Helmhold. - Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Frau Flauger das Wort.

(David McAllister [CDU]: Sie haben pauschal die Privatmedienanbieter diskreditiert! Schlimm ist das! - Ge- genrufe von der LINKEN)

- Frau Flauger, wir können noch einen Augenblick warten. Es sind noch so viele Diskussionen hier im Saal. Ich finde sie ganz spannend.

(David McAllister [CDU]: Ja!)

- Gut. - Frau Flauger!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich verstehe gar nicht, warum Sie, Herr Hogrefe, so traurig darüber sind, dass Sie von den Oppositionsparteien nicht gelobt werden. Denn das tun Sie in einem derart umfangreichen Maß, dass das schon völlig hinreichend ist. Da kann Ihnen eigentlich nichts mehr fehlen.

(Beifall bei der LINKEN)

In einem halben Jahr haben wir Wahlen zum Europäischen Parlament. Ich nehme an, dass nicht zuletzt deshalb in den nächsten Monaten und hoffentlich auch darüber hinaus das Thema Europa mehr in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit dieses Parlamentes rücken wird. Wir als Linke werden jedenfalls unseren Beitrag dazu leisten, dass das geschieht, weil uns Europa wichtig ist und weil wir ein Europa für die Menschen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben uns im Haushaltsausschuss für eine deutliche Stärkung des Europäischen InformationsZentrums eingesetzt, das, wie auch Vorredner hier schon betont haben, eine hervorragende Arbeit leistet. Deren Ausführungen kann ich mich vollinhaltlich anschließen.

Wir haben einen Änderungsantrag zum Haushalt für ein Konzept zur Erhöhung der Wahlbeteiligung zur Europawahl gestellt. Das fördert die Auseinandersetzung der Menschen mit dem Thema Europa und erhöht daher auch die demokratische Legitimation der gewählten Vertreter im Europäischen Parlament.

Vor dem heutigen Europagipfel, über den schon gesprochen worden ist, hat es ein Vorbereitungstreffen gegeben, und zu dem ist Angela Merkel nicht eingeladen worden. Das ist eine schallende Ohrfeige. Diese Ohrfeige hat diese Bundesregierung übrigens auch verdient; denn wenn man sich im Vergleich zu Großbritannien und Frankreich derart zurücklehnt, solche kleinen Brötchen backt

und nach dem Motto handelt: „Wir sind ja schließlich Exportnation, also lasst andere Nationen Konjunkturprogramme machen, die kaufen dann unsere Waren, und dann wird es schon werden“, wer also so handelt oder - richtiger gesagt - nicht handelt, der darf sich auch nicht wundern, wenn er zu solchen Gesprächen nicht eingeladen wird. Sie würden im umgekehrten Fall sicherlich genauso handeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre Medienpolitik ist leider auch nicht besser als Ihre Europapolitik. Es ist schon gesagt worden: Sie wollen lokalen kommerziellen Rundfunk, obwohl Sie genau wissen oder wissen sollten, dass dadurch die Existenz der Bürgerradios massiv bedroht wird. Sie haben übrigens an dieser Stelle wieder einmal gezeigt, auf wessen Anforderungen hin Sie politisch gestalten. Denn im Ausschuss haben Sie begründet, dass die private Wirtschaft bei lokalen Radiosendern gerne Werbung machen würde. An dieser Stelle, wenn die Wirtschaft ruft, setzt bei Ihnen ein Reflex ein, und dann springen Sie zuverlässig.

(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Wollen Sie Werbung ver- bieten?)

Das Gleiche gilt im Bereich des öffentlichrechtlichen Rundfunks. Sie haben leider zusammen mit der SPD mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag deutlichen Einschränkungen für den Internetauftritt der öffentlich-rechtlichen Sender zugestimmt. Auch da haben Sie seitens der CDU und der FDP klar gesagt, dass das auf Anforderung der privaten Wirtschaft, in diesem Fall auf Veranlassung der privatwirtschaftlichen Zeitungsverleger, geschehen ist. Wieder hat die Wirtschaft gerufen, Ihr eingebauter Reflex hat funktioniert, und Sie sind zuverlässig gesprungen. Ja, allerdings, ich nenne das übertriebene Wirtschaftsfreundlichkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, dass Sie da hätten besser auf DIE LINKE hören und die Öffentlich-Rechtlichen stärken sollen. Allerdings - da ich weiß, dass Sie noch nicht so weit sind - hätten Sie in diesem Fall auch auf ver.di oder den DGB, die hierzu den gleichen Standpunkt vertreten, hören können.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zum Thema Bundesangelegenheiten: Sie haben die Möglichkeit, über Bundesratsinitiativen

Gesetzesinitiativen für nachhaltig höhere Steuereinnahmen für Niedersachsen anzustoßen. Diese Möglichkeit nutzen Sie aber nicht. Sie haben uns hier inzwischen mindestens zwanzigmal vorgehalten, wie würden immer nur Geld ausgeben und nicht prüfen, wo es herkomme. Ich sage: Wer lesen kann, ist ganz klar im Vorteil. - In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen zwei Papiere zur Lektüre besonders ans Herz legen. Das Erste ist unsere Broschüre „Für ein soziales Niedersachsen“, erhältlich bei der Fraktion DIE LINKE im Niedersächsischen Landtag.

(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Wie teuer?)

- Kostenlos, aber nicht umsonst!

(Ulf Thiele [CDU]: Das war der Linke- Werbeblock, oder was war das?)

Das zweite Papier, das Sie lesen sollten, ist unser Antrag „Bundesratsinitiativen für die Absicherung der Konsolidierung des Haushalts des Landes Niedersachsen durch nachhaltig höhere Steuereinnahmen“, Drs. 16/501, erhältlich über die Internetseite des Landtags.

(Beifall bei der LINKEN)

Darin können Sie nachlesen, wie unsere Haushaltsvorschläge finanziert und sogar noch Schulden getilgt werden können, z. B. durch die Wiedereinführung einer verfassungskonformen Vermögensteuer. Das würde Haushaltseinnahmen für das Land Niedersachsen in Höhe von ungefähr 1 Milliarde Euro bedeuten.

(Minister Walter Hirche: Das Perpe- tuum mobile des Sozialismus!)

Deshalb sind alle Ihre Behauptungen, wir wollten nur Geld ausgeben und nicht prüfen, wo es herkommt, schlicht und einfach falsch - auch wenn Sie sie weitere zwanzig- oder hundertmal wiederholen, werden sie nicht richtiger. Haben Sie endlich den Mut und den Anstand, sich inhaltlich differenziert mit unseren Vorschlägen auseinanderzusetzen!

(Beifall bei der LINKEN)

Ergreifen Sie umgehend entsprechende Bundesratsinitiativen! Reden Sie nicht immer nur von Ausgabendisziplin! Praktizieren Sie Einnahmendisziplin, indem Sie z. B. den Steuervollzug verbessern und für Steuereinnahmen sorgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann können Sie auch Ihrer Verantwortung für die Zukunft dieses Landes im Bereich Soziales, im Bereich Bildung und im Bereich Wirtschaft endlich nachkommen.