Protokoll der Sitzung vom 12.12.2008

(Unruhe)

Frau Flauger, entschuldigen Sie! - Meine Damen und Herren, ich halte es zumindest für ein Gebot der Höflichkeit, auch der Fraktion DIE LINKE zu ermöglichen, ihre Schlusserklärung so abzugeben wie die anderen Fraktionen. - Danke schön.

„Sie hören und sehen, dass sich einige wenige die Taschen vollstopfen - ich spreche von Korruption - und die große Mehrheit nur mit Mühe überlebt. Sie sehen, dass wir jenem System, das unser Kapital verspielt hat, noch 28 Milliarden Euro hinterherwerfen, während wir kein Geld für die Erziehung unserer Kinder haben, keine Krankenhäuser, keine Ärzte, keine Lehrer. Der Tod des 15-Jährigen an einem Sonnabend hat den kochenden Zorn explodieren lassen.“

Das ist nicht die Situation in Deutschland, noch nicht, und ich hoffe ganz ernsthaft - und das hoffen wir als Linke insgesamt -, dass es in Deutschland nicht so weit kommt. Aber es ist auch Ihre Verantwortung als Regierung, dazu beizutragen.

(Zurufe von der CDU)

- Dass Sie das nicht glauben oder nicht glauben wollen, das mag ja sein, aber ich sage es trotzdem, und es ist auch richtig.

Es ist Ihre Verantwortung, dazu beizutragen, dass es tatsächlich nicht so weit kommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich verstehe weder die CDU noch die FDP.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist auch gut so! - Ursula Körtner [CDU]: Das müssen Sie auch nicht! - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Dann läuft es ja!)

Mir scheint, Sie nehmen überhaupt nicht wahr, was um uns herum passiert. Die CDU beschäftigt sich auf ihrem Bundesparteitag Stunden und Aberstunden mit dem sozialistischen System, mit dem politischen Gegner. Das Wort „sozial“ kommt bei Ihnen

zu einem ganz nennenswerten Teil in Ihrem ganzen Antragsbuch - - -

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Sie waren doch gar nicht dabei!)

- Erstens gibt es Phoenix, zweitens habe ich Ihr Antragsbuch angeguckt. Das Wort „sozial“ kommt in Ihrem Antragsbuch zu einem ganz nennenswerten Teil nur in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner in den Worten „Sozialismus“ und „Sozialisten“ vor, manchmal auch noch im Bereich Sozialdemokratie, verbunden mit dem Appell, sie solle sich mit diesen Schmuddelkindern nicht abgeben.

Damit befassen Sie sich auf Ihrem Bundesparteitag. Dort befassen Sie sich auch damit, die Sprache Deutsch im Grundgesetz zu verankern. - Das hat die Welt wirklich gebraucht!

(Beifall bei der LINKEN)

Bisher sind ja alle Leute herumgelaufen und wussten überhaupt nicht, welche Sprache sie reden sollen. Womit Sie sich auf Ihrem Bundesparteitag befassen, während ringsherum die Wirtschaft nach und nach zusammenbricht, das ist wirklich bezeichnend!

(Zuruf von der CDU: Das ist doch un- sere Sache! Das geht Sie einen feuchten Kehricht an! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Sind Sie sicher, dass Sie zum Haushalt des Landes sprechen?)

Herr Wulff, ich möchte etwas zu der Sendung mit Herrn Friedman sagen, allerdings nicht das, was Sie jetzt vielleicht denken. Ich habe mir das im Internet angeguckt, sonst hätte ich die Sendung gar nicht gesehen. Herr Friedman stellt Ihnen die Frage: Wenn manche 40 Millionen Euro im Jahr verdienen und andere nicht einmal 1 000 Euro im Monat haben, was soll das für ein Land werden?

Diese Frage hängt wirklich so dick in der Luft, dass man nicht daran vorbeigucken und auch nicht einfach durchgehen kann. Sie gucken nach unten - eine Sekunde, zwei Sekunden, fast drei Sekunden -, und dann kommt Ihre Verteidigung von Managern.

Dass Sie auf diese Frage, auf eine der drängendsten Fragen in dieser Gesellschaft, keine Antwort haben, dass Sie erst einmal darüber nachdenken müssen und sie auch dann nicht wirklich beantworten, das spricht nicht für Ihren Realitätssinn!

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Schwachsinn hoch drei! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Es ist vielleicht ganz gut, dass man mal nachdenkt!)

Herr McAllister hat am Dienstag zutreffend gesagt, wir beide können ganz ordentlich miteinander reden. Vielleicht kann er mir ja gelegentlich mal die Politik der CDU erklären. Wir sind jedenfalls gern bereit, uns mit den Positionen unserer politischen Gegner inhaltlich auseinanderzusetzen, und zwar auch dann, wenn wir mit einzelnen Abgeordneten Ihrer Fraktion Probleme haben.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Machen Sie es doch mal, Sie tun es doch gar nicht!)

Die FDP versucht, sich als die eigentliche Hüterin der sozialen Marktwirtschaft aufzuspielen. Das finde ich ganz merkwürdig.

(Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Das sind wir auch!)

Herr Riese hat im Mai-Plenum noch gesagt, soziale Gerechtigkeit sei ein wohlklingender Begriff aus dem Mustopf. Vielleicht sollten Sie sich mal eine Weile neben die Linken setzen, da können Sie noch ordentlich was dazulernen.

(David McAllister [CDU]: Das sieht man ja bei Tanke!)

Herr Rösler, Sie haben gesagt, zum Thema Gerechtigkeit hätten Sie hier noch nichts gehört. Wenn es die Meinung Ihrer Fraktion ist, dass soziale Gerechtigkeit ein Begriff aus dem Mustopf ist, warum wollen Sie dann überhaupt etwas dazu hören?

(Björn Thümler [CDU]: Hätten Sie mal zugehört! - Zuruf von der CDU: Und jetzt zum Haushalt!)

Ich muss meine Aussage von vorhin, dass die Regierung nichts tut, korrigieren. Das stimmt nicht ganz. Die Regierung tut einiges. Sie sucht nämlich Gründe für ihr Nichtstun, und das tut sie ganz intensiv. Vielleicht tun Sie demnächst auch etwas anderes. Wir haben von Herrn McAllister ja schon gehört - er fängt ja schon an, zurückzurudern -, dass man sich allmählich doch der Realität stellen musste. Wie geht es einem eigentlich dabei?

Als Hauptursache für Ihr Nichtstun geben Sie an, dass Sie keinen Handlungsspielraum haben, weil Sie kein Geld haben. Sie begründen Ihre unsozia

le, kalte Politik mit Sachzwängen nach dem bekannten neoliberalen Motto: There is no alternative, abgekürzt TINA. Das trifft mich schon deswegen hart, weil meine Freunde und Bekannten mich so nennen und weil ich mit so einer Politik nicht in Verbindung gebracht werden möchte.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Verschonen Sie uns mit tragischen Einzelschicksalen!)

Aber ich finde eine solche Grundhaltung auch generell erschreckend und außerdem völlig falsch. Es gibt immer Alternativen! Diese Landesregierung ist frei, anders zu entscheiden, als sie es bisher getan hat. Es liegt ganz in ihrer Hand.

Die Linke hat Ihnen Wege aufgezeigt, wie Sie Mehreinnahmen erzielen können. Dazu komme ich nachher noch. Wenn Sie all das umsetzen, können Sie alle Vorschläge der Linken zu Bildung, Sozialem, Wirtschaft und Umwelt umsetzen und haben noch 400 Millionen Euro, um Schulden zu tilgen.

(Unruhe)

- Hören Sie zu, das könnte helfen!

(Ursula Körtner [CDU]: Das lohnt sich gar nicht!)

Aber diese Regierung versucht ja Folgendes: Sie definieren Haushaltskonsolidierung für sich als höchstes Ziel. Sie verzichten auf Einnahmemöglichkeiten. Und dann knausern Sie bei unbestritten notwendigen Ausgaben mit der Begründung, Sie hätten keinen Spielraum und kein Geld. Das geht nicht! Durch Ihre Definitionen erzeugen Sie die Sachzwänge selbst, und dann sagen Sie unter Hinweis auf diese Zwänge, Sie können nicht anders. Das ist unredlich.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Seien Sie wenigstens ehrlich, und stehen Sie zu Ihrer Politik! Sagen Sie den Menschen offen: Haushaltskonsolidierung ist Ihnen wichtiger als Mittagessen für unsere Schulkinder. Schuldenabbau steht bei Ihnen vor Verbesserung der Bildungsbedingungen in Niedersachsen, z. B. durch kleinere Klassen. Sagen Sie, Sie wollen den Vermögenden und den Großerben nicht in die Tasche greifen, obwohl unsere Kommunen unbestritten mehr Geld bräuchten. Stehen Sie dazu, dass Ihr Schuldenabbaucredo Ihnen wichtiger ist als dringend notwendige Konjunkturimpulse. - Das können Sie alles so machen. Sie sind die Regierung, Sie sind an der Macht. Aber dann stehen Sie auch zu

Ihren Entscheidungen und Priorisierungen! Sagen Sie den Menschen die Wahrheit!

(Beifall bei der LINKEN)

Noch besser wäre es gewesen, Sie hätten den Wählerinnen und Wählern schon vor der Wahl gesagt: All unsere Wahlversprechen zu Bildung, Arbeit und Sozialem setzen wir nur dann um, wenn unser goldenes Schuldenabbaukalb nicht angekratzt wird. - Wenn Sie das vor der Wahl ehrlich auf Ihre Plakate gedruckt hätten, hätten die Wählerinnen und Wähler eine ordentlich informierte Entscheidung treffen können.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das stand sogar auf unseren Plakaten!)

So wie Sie das gemacht haben, bin ich mir sicher, dass viele Eltern, Lehrerinnen, Arbeitnehmerinnen, Umweltschützerinnen und Kommunalpolitikerinnen sich von Ihnen getäuscht fühlen. Das wird sicher Folgen haben.

Herr McAllister, liebe CDU, Sie wurden zwar gewählt, aber Sie werden nicht mehr gewählt, weil die Menschen von dem realitätsverleugnenden „Das Glas ist halb voll“ die Nase voll haben.

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Frau Flauger, die Zu- schauer gehen schon raus! - David McAllister [CDU]: Gucken Sie, was Sie angerichtet haben! - Unruhe)

Frau Flauger, bitte warten Sie noch einen Moment! - Meine Damen und Herren, ich möchte die Kollegen, die jetzt Gespräche führen, bitten, sich auf ihre Plätze zu setzen oder den Plenarsaal zu verlassen.