Protokoll der Sitzung vom 15.01.2009

Meine Damen und Herren, beim Endlagersymposium in Berlin im letzten Oktober bewegte sich der Atomlobbybeton keinen Nanometer. Deutlich wurde, dass die Sicherheitsanforderungen an Endlager nicht klarer wurden - im Gegenteil. Umweltminister Gabriel gab den Begriff „Mehrbarrierensystem“ schlicht auf. Weiterhin wurden bestimmte Kriterien einfach auf Gorleben zugeschnitten. So soll es für einen Standort sprechen, wenn in der Nähe viele Atomanlagen vorhanden sind. Das ist regelrecht ein Maßanzug für Gorleben. Vorhanden

sind ein Fasslager für schwach radioaktiven Müll, ein Zwischenlager für hoch radioaktiven Müll und die Pilotkonditionierungsanlage.

Interessant waren die Vorträge über das Vorgehen in anderen Ländern. Diese Vorträge zeigten auf, wie allein Deutschland mittlerweile mit seinem sachfremden, undemokratischen und bürgerfernen Verfahren dasteht.

(Beifall bei der LINKEN)

Frankreich, die Schweiz und Großbritannien hatten ähnliche autoritäre Top-Down-Verfahren. Nach Widerständen aus der Bevölkerung brach man diese jedoch ab, ging zu Standortvergleichen über und führte in hohem Maß eine Öffentlichkeitsbeteiligung ein - bis hin zu plebiszitären Elementen. Besonders bezeichnend ist dabei, dass sich die Schweiz ausdrücklich auf die deutschen Arbeiten, die Vorschläge des deutschen AkEnd beruft.

Die Unbeweglichkeit der Atomlobby und der sie tragenden politischen Parteien hat einen einfachen Grund: Man will sich über die kommende Bundestagswahl retten und hofft, dann mit einer atomfreundlichen CDU/CSU/FDP-Regierung - assistiert durch eine eben solche Regierung in Niedersachsen - Laufzeitverlängerungen und alle Endlagerprojekte in Niedersachsen, insbesondere Gorleben, durchzusetzen. Wo es hingehen soll, sagen die CDU-Oberen auch sehr offen - angefangen bei Kanzlerin Merkel, die kein Geld mehr in die weitere Suche investieren will, bis hin zur stellvertretenden CDU/CSU-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Reiche, Herrn Pofalla, MdB Flachsbarth und anderen. Alle wollen Gorleben und nichts anderes. - Ach ja, ich habe den bayerischen Umweltminister - oder besser Umweltlehrling - Söder vergessen. Der könnte in so einer rechtsliberalen Regierung dieses Amt ja durchaus bekleiden. Wer Söder im bayerischen Fernsehen zur Endlagerproblematik gehört hat, der bekommt das Gefühl, da spielt jemand mit Bauklötzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Ich empfehle dem politischen Gegner an dieser Stelle: Bedrucken Sie so viele bunte Märchenbroschüren, wie Sie wollen, aber lassen Sie Söder nicht mehr ins Fernsehen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

1979 gab es mit dem Anti-Atom-Treck nach Hannover - zeitgleich mit dem Teil-GAU des AKW Har

risburg - eine der mächtigsten Demonstrationen in Niedersachsen. Auch sie wird ihren Teil dazu beigetragen haben, dass Ministerpräsident Ernst Albrecht schließlich die in Gorleben vorgesehene Wiederaufarbeitungsanlage für politisch nicht durchsetzbar erklärte und fallen ließ. Aus Anlass des dreißigjährigen Jubiläums in diesem Jahr wird es wieder einen solchen Treck geben, meine Damen und Herren - Ziel ist dieses Mal Berlin. Es ist an der Zeit, dass sich dort Vernunft und die Einsicht durchsetzen: Gorleben ist verbrannt, geologisch und gesellschaftlich. Es ist nicht durchsetzbar.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die nächste Rednerin ist Frau Bertholdes-Sandrock von der CDUFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin darauf eingestellt, zum Antrag der Fraktion der Linken zu sprechen, und nicht darauf, ein scheinwissenschaftliches Fachsymposion im Kleinformat zu halten, Herr Herzog, wie Sie das getan haben.

(Widerspruch bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der Antrag der Linken fordert die endgültige Aufgabe des Standortes Gorleben und eine komplett neue Suche nach einem Endlager - dies aber geknüpft an die Voraussetzung, dass überhaupt kein Atommüll mehr produziert wird. Da liegt übrigens schon der Hase im Pfeffer; denn der Atommüll ist da. Er muss sicher endgelagert werden, und zwar unabhängig davon, wie man zur Zukunft der Kernenergie steht. Das muss diese Generation leisten, und das muss in Deutschland geschehen, alles andere wäre verantwortungslos.

Die Kolleginnen und Kollegen von der Linken kritisieren den Auswahlprozess für Gorleben und bezeichnen ihn als willkürlich. Dem ist aber nicht so. Bereits bis Mitte der 60-Jahre hatte man sich in Deutschland nach entsprechenden Forschungen in verschiedenen Wirtsgesteinen für eine Endlagerung in tiefen geologischen Formationen und im Salz entschieden. Das ist auch nach heutigen Maßstäben unverändert vertretbar.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Trotz As- se? - Zuruf von Kurt Herzog [LINKE])

Entgegen Ihren Behauptungen - Herr Herzog, jetzt hören Sie einmal her; das sagt Ihnen ja sonst vielleicht niemand - hat es sehr wohl ein abgestuftes Auswahlverfahren gegeben, zunächst auf Bundesebene, später auf niedersächsischer Ebene.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist ei- ne reine Legende, Frau Bertholdes- Sandrock!)

Fest steht - entgegen Ihren Behauptungen -, dass die Kriterien nicht auf Gorleben zugeschnitten waren. In anderem Zusammenhang haben Sie ja selbst zugegeben, dass Gorleben bei dem Auswahlverfahren anfangs gar nicht dabei war. Warum übrigens nicht? - Als man ein nukleares Entsorgungszentrum suchte, klammerte man Tourismus- und Feriengebiete aus. Und der damalige Bundeskanzler Schmidt wollte kein nukleares Entsorgungszentrum in DDR-Nähe. Ernst Albrecht soll dann später gesagt haben - so kam der bis dahin geeignete Salzstock wieder ins Verfahren -, dass er sich seine Politik nicht von der DDR diktieren lassen wolle.

Auch Ihr Vorwurf der fehlenden Öffentlichkeitsarbeit, Kolleginnen und Kollegen der Linken, ist - gemessen an den damals zur Verfügung stehenden Möglichkeiten - unberechtigt.

(Kurt Herzog [LINKE]: Ich rede von heute!)

Im Gegenteil: 1977 wurde eine Einrichtung gegründet, die es bis dato gar nicht gab, nämlich die Gorleben-Kommission, in der auch kritische Wissenschaftler waren. Es gab eine intensive Öffentlichkeitsarbeit von Bundes- und Landesbeauftragten - dafür gab es eigene Büros - und der DWK. Es wurden viele Veranstaltungen durchgeführt, und über alles wurde in der Zeitung berichtet. Kein Thema - das wollen wir festhalten - ist jemals so intensiv in Lüchow-Dannenberg diskutiert worden wie das Thema Gorleben. Es wurden sogar neue, bis heute anerkannte Formen der Öffentlichkeitsarbeit eingeführt, etwa die Hearings. Damals fand das allererste internationale Gorleben-Hearing statt.

(Zustimmung bei der CDU)

Ein Kommunalpolitiker von damals notierte von 1977 an in fünf Jahren 157 Veranstaltungen zum Thema Gorleben in Lüchow-Dannenberg.

(Zuruf von Kurt Herzog [LINKE])

Übrigens gab es eine Informationsblockade - Sie waren ja auch mal grün - erst seit Bundesumweltminister Trittin. Der hat nämlich die Anzahl der Schachtbefahrungen von zwei pro Tag auf eine in der Woche reduziert, damit die Leute nicht mitkriegten, was sich in Gorleben schon getan hat. So ist es gewesen.

Wie ist der derzeitige Stand? - Seit 2000 gibt es das Moratorium, einen totalen Erkundungsstopp. In der Vereinbarung hieß es damals - so etwas zitieren Sie nie -: Es stehen „die bisherigen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit nicht entgegen“. Es wurde betont: „Das Moratorium bedeutet keine Aufgabe von Gorleben als Standort für ein Endlager.“ Aber es sollten zwölf Zweifelsfragen von zehn internationalen Wissenschaftlern abgearbeitet werden. Die Ergebnisse lagen fünf Jahre später - auch davon sprechen Sie nicht - vor, und zwar in Form der Studie „Wirtsgesteine im Vergleich“. Es blieben keine Fragen offen, und die Zweifel haben sich nicht erhärtet - anderenfalls hätte Rot-Grün Gorleben ja längst vom Tisch gewischt. Im Gegenteil: Das Bundesumweltministerium ließ verlautbaren, dass „nach dem gegenwärtigen Stand - 2005 - keine sicherheitstechnischen Argumente gegen die Eignung des Salzstockes Gorleben abgeleitet werden können.“ Das ist der Stand bis heute, auch wenn sich manche Kräfte, wie Sie, noch so bemühen, Gorleben wissenschaftlich zu diskreditieren.

Zentrale Aussage der Studie von 2005 war - das gilt bis heute -: Es ist grundsätzlich kein Wirtsgestein dem anderen überlegen. - Dass Sie Salz ausschließen wollen, ist also überhaupt nicht gerechtfertigt.

Dann beziehen Sie sich auch auf die Asse - das ist ja ein Totschlagargument. Ich bin heilfroh, dass der Bundesumweltminister selbst im Sommer vor dem Bundestag klargestellt hat, dass man zwar „wegen Gorleben“ gegen Gorleben sein kann, dass man aber „nicht wegen der Asse gegen Gorleben sein“ kann. Ich denke, dieses Totschlagargument kann jetzt endgültig ad acta gelegt werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das hätten Sie wohl gerne!)

Kolleginnen und Kollegen, Sie verweisen ja auch so gerne auf das Ausland. Es ist richtig, jedes Land führt eine eigene Endlagersuche durch, aber natürlich - Sie wettern ja immer gegen das Salz - immer nur in den Gesteinsformationen, die es dort gibt. Wenn Schweden, Finnland und die Schweiz

sich jetzt nicht für Salz entscheiden, dann liegt das nicht daran, dass Salz unsicher ist - das wird häufig behauptet -, sondern daran, dass es Salz dort nicht in entsprechender Art und Weise gibt. In Deutschland gibt es Salz und jede Menge wissenschaftliche und bergmännische Erfahrung mit Salz.

Den Verfechtern der Forderung nach einem Standortvergleich sei ins Stammbuch geschrieben: Kein Land, auch keines der von Ihnen zitierten, untersucht untertägig mehr als einen Standort; das passiert nirgends auf der Welt. Genau da haben Sie aber natürlich die größte Erkenntnisdichte.

Nun zu den auch von Ihnen eben genannten „Sicherheitsanforderungen“, die zu entwickeln sind, bevor Sie an eine Endlagerung gehen wollen. Das kann man natürlich machen. Aber man muss immer wissen, dass sie notgedrungen so allgemein sein müssen, dass sie auf jedes Gestein mit seinen unterschiedlichen Eigenschaften übertragen werden können. Selbst bei zwei Standorten in demselben Gestein werden Sie eine eigene abschließende Bewertung machen müssen. Der eine Salzstock hat vielleicht ein besseres Deckgebirge, der andere ist tiefer, und beim dritten ist vielleicht die Umgebung besser. Das müssen wir uns in der Diskussion jedenfalls in aller Sachlichkeit klarmachen, damit sich nicht jemand einbildet, dass man nur an ein paar Stellen nach einem passenden Endlager zu suchen braucht und dass man nach einer gewissen Zeit automatisch den besten Standort hat. Das ist eine absolute Illusion.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wo stehen wir jetzt? - Von 1977 bis 2000 sind zwei Drittel aller Arbeiten für rund 1,5 Milliarden Euro erledigt worden. Wenn jemand wie die Bundeskanzlerin - Sie haben sie gerade zitiert - auf diesen Aufwand verweist, heißt das nicht, wir erklären Gorleben jetzt für geeignet, weil wir schon so viel hineingesteckt haben, sondern es heißt vielmehr - und das meint die Bundeskanzlerin -: Wir wollen abschließende Ergebnisse, weil die aufwendigen Vorarbeiten sonst überhaupt nicht zu rechtfertigen sind.

(Rolf Meyer [SPD]: Glos sagt da et- was ganz anderes!)

Aber das ist ein Punkt, mit dem Sie ja überhaupt keine Schwierigkeiten haben.

Außerdem müssen wir feststellen, dass Gorleben bis heute der weltweit am besten untersuchte potenzielle Endlagerstandort ist. Wir können es uns nicht erlauben, hier vor einem endgültigen Ergeb

nis aufzuhören, zumal wir es in ungefähr fünf Jahren hätten. Wir müssen die Mosaiksteine an Erkenntnissen zusammenbringen, ergänzen und abschließend auswerten. Deshalb fordern wir, wie übrigens die Standortgemeinden mit allen SPD- und CDU-Stimmen: Aufhebung des Moratoriums, zügige, ergebnisoffene Erkundung, vollkommene Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung - nach den heutigen Maßstäben; das ist klar -, und das unter wissenschaftlicher Begleitung und nach den Regularien der OECD.

Ich denke, wir sind den Menschen in LüchowDannenberg nach 32 Jahren Unklarheit eine endgültige Entscheidung dazu schuldig, ob Gorleben geeignet ist oder nicht. Ich hoffe, in den nachfolgenden Beratungen kommen wir zu diesem Ergebnis.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Herzog von der Fraktion DIE LINKE gemeldet. Bitte!

Frau Bertholdes-Sandrock, zunächst einmal: Die von Ihnen zitierte Gorlebenkommission war ein nicht öffentlicher Klüngelhaufen.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Das waren Fachleute!)

Die Öffentlichkeit war ausgeschlossen. Die Hunderte von Veranstaltungen, die gemacht wurden, haben im Wesentlichen die Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg betrieben und nicht die entsprechenden Behörden.

(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE] - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Der Landkreis war auch da- bei!)