Protokoll der Sitzung vom 16.01.2009

Es ist spannend, zu schauen, was in der Hamburger Koalitionsvereinbarung zu den Themen Kindergelderhöhung und Anpassung der Regelsätze nach SGB XII auf Landesebene steht. Liebe Frau Helmhold, dort steht nicht ein einziges Wort davon.

Es lohnt sich auch, in der Koalitionsvereinbarung von Bremen nachzulesen. Dort regieren Sie gemeinsam mit der SPD. In dieser Koalitionsvereinbarung steht immerhin etwas zum Thema Anpassung der Regelsätze nach SGB XII für Kinder, und zwar, dass dieses Thema auf die Bundesebene gehört und das Bundesland Bremen eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen soll.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Mehr wollen wir doch gar nicht!)

Sie wollen aber mehr, Sie wollen eine Einzellösung des Landes, das ist Ihre Forderung unter Nr. 1. Dazu - das darf ich Ihnen schon sagen - werden Sie die Zustimmung der Koalitionsfraktionen in diesem Land nicht erhalten, und zwar zum einen, weil in diesem Bereich nicht das Land, sondern der Bund zuständig ist. Ein weiterer Grund ist, dass die Beträge, die Sie ausgeben wollen, haushalterisch dargestellt werden müssen, wir aber gerade mit Mühe dabei sind, unseren Haushalt zu konsolidieren, der immer noch unter den Spätfolgen einer rot-grünen Regierung in Niedersachsen leidet.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das ist doch eine Konjunkturmaßnahme! - Zuruf von Uwe Schwarz [SPD])

- Verehrter Herr Kollege Schwarz, bereits am 18. September 2008 hat Ihnen von dieser Stelle meine Kollegin Frau Meißner dargelegt, dass die FDP auf der Bundesebene sehr wohl der Ansicht ist, dass eine Anpassung der Regelsätze für Kinder erforderlich ist. Sie hat dort mehrere Initiativen dazu eingebracht. Auf dieser Ebene werden wir das Thema weiter bearbeiten. Wir freuen uns auf Ihre Finanzierungsvorschläge im Ausschuss.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt hat Herr Focke das Wort. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Grünen, hat ja einen achtbaren Kern. Aber die Überschrift „Taten statt warmer Worte“ stellt eine deutliche Kritik dar, die an dieser Stelle nicht angebracht ist. Ihr im Antrag formulierter Vorwurf hat überhaupt keine Grundlage. Das werde ich Ihnen auch darstellen.

Zunächst möchte ich für die CDU-Fraktion feststellen, dass uns das Thema Kinderarmut niemals in Ruhe lassen wird und auch nicht in Ruhe lassen darf. Aber, meine Damen und Herren, was Sie gemacht haben, nämlich eine Neiddebatte zu schüren - sie haben gesagt, dass Ursula von der Leyen jetzt mehr Kindergeld bekommt und sich das jetzt leisten kann -, ist in diesem Zusammenhang ungeheuerlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte auch an Folgendes erinnern - ich habe mir das extra aufgeschrieben -: Wer hat denn die Hartz-IV-Regelungen eingeführt? - Das waren Sie, zusammen mit der SPD in Berlin. Sie haben beschleunigt, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergegangen ist.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und Sie waren gar nicht beteiligt im Vermitt- lungsausschuss? Am Ende waren das nur noch Sie und die SPD!)

Erst seitdem wir in Niedersachsen regieren, erst mit Mechthild Ross-Luttmann und der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen findet in Niedersachsen bzw. in Deutschland wieder eine ausgewogene Familienpolitik statt. Das muss auch einmal gesagt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Hier in Niedersachsen wurden Maßnahmen wie beispielsweise das kostenlose dritte Kindergartenjahr oder das Elterngeld eingeleitet, die die Familien unterstützen. Seitdem werden in unserem Land endlich auch wieder mehr Kinder geboren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Focke, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Sohn?

Nein, danke. - Ihr Vorwurf entbehrt jeder Grundlage. Die Zahlen des „Armuts- und Reichtumsberichts 2008 - Entwicklung von Armut und Reichtum in Niedersachsen 2005 bis 2007“ sagen etwas anderes aus. Das Ausmaß der Armut hat von 2005 bis 2007 nicht zugenommen, sondern ist in Niedersachsen sogar zurückgegangen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Es hat sich ver- stetigt!)

Alle drei ermittelten Armutsquoten von 2005 auf 2006 sind deutlich zurückgegangen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Sie sollten mal eine Lesebrille aufsetzen!)

In 2007 sind die Quoten insgesamt stabil gewesen und nur zum Teil marginal angestiegen. Das heißt, wir haben diesen Trend endlich gestoppt, wir haben es geschafft, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Niedersachsen nicht mehr weiter auseinandergeht.

Ich bin unserer Landesregierung außerordentlich dankbar, dass sie bereits einige Maßnahmen ergriffen hat, um für Kinder in Niedersachsen eine echte Chancengerechtigkeit herzustellen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Bei der heutigen Debatte über Ihren Antrag müssen wir klar zwischen SGB II und SGB XII, also der Sozialhilfe, unterscheiden. Einfach nur die Regelsätze im SGB XII um 10 bzw. 16 Euro aufzustocken, ist zu kurz gedacht. Den Familien ist damit nicht wirklich geholfen. Das befriedigt höchstens das Gerechtigkeitsempfinden einiger. Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, um Kinder langfristig aus der Sozialhilfe zu holen, bedarf es schon etwas mehr.

Zu Ihrer zweiten Forderung darf ich Ihnen mitteilen, dass Sie wieder einmal zu spät gekommen sind. Das ist doch alles schon passiert: Auf Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen und des Saarlandes wurde am 23. Mai 2008 in der 844. Sitzung des Bundesrates unter der Drucksache 329/08 - damit Sie das nachlesen können - eine Entschließung des Bundesrates zur Berücksichtigung des kinderspezifischen Bedarfs bei der Bemessung der Regelleistungen nach dem SGB II

und der Regelsätze nach dem SGB XII beschlossen. Die CDU/FDP-geführten Länder waren es, die dieses wichtige Anliegen vorangebracht haben. Der Bundesrat hat das dann beschlossen:

„Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Regelsätze für Kinder nach SGB II sowie die Regelsätze nach SGB XII unverzüglich neu zu bemessen und als Grundlage dafür eine spezielle Erfassung des Kinderbedarfs vorzusehen.“

Niedersachsen hat mit den CDU/FDP-regierten Ländern Saarland und Nordrhein-Westfalen gehandelt, um auch auf Bundesebene entsprechend Druck zu machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Ihr Antrag läuft hinterher. Er ist zum Teil erledigt. Unsere Landesregierung war Ihnen wieder einmal einige Schritte voraus. Die Bundesregierung hat nun den Beschluss gefasst, und er wird umgesetzt. So steigen die Förderungen für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres auf 70 % des Eckregelsatzes, also auf nunmehr 247 Euro monatlich.

Zu Ihrer Polemik zu den 2 500 Euro will ich Ihnen sagen: In den schwierigen Zeiten, in denen wir uns befinden, geht es um den Erhalt von Arbeitsplätzen und darum zu verhindern, dass nicht weiter Menschen durch Arbeitslosigkeit in Sozialhilfe abrutschen und damit auch ihre Kinder und Familien zu Leistungsempfängern werden. Sie sollten vorsichtig sein, wenn Sie solche Maßnahmen zum Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland, die jetzt durchgeführt werden, angreifen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nur das Portemonnaie aufzumachen, kann nicht die alleinige Lösung sein. Eine richtige und wichtige Antwort ist es, den Kreislauf des Leistungsbezuges zu verlassen. Das schaffen wir mit frühkindlicher Bildung, einer guten Schulbildung, Ausbildung und Arbeit. Zu all diesen vielen Dingen sind in Niedersachsen Maßnahmen beschlossen und auf den Weg gebracht worden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Gerne stellen wir uns in den Beratungen in den Ausschüssen der Diskussion mit Ihnen. Wir werden Ihnen dort unsere Bemühungen und das, was wir in den letzten Jahren getan haben, noch einmal vortragen.

Herr Kollege, entschuldigen Sie. Herr Möhle möchte eine Zwischenfrage stellen.

Nein, danke. - Wir werden Ihnen im Ausschuss all das Gute, was in Niedersachsen gelaufen ist, noch einmal vortragen.

Die Maßnahmen haben Wirkung gezeigt. Ich möchte hier ausdrücklich das Niedersächsische Bündnis für alle Kinder erwähnen. Besonders loben möchte ich - das habe ich noch einmal nachgelesen -, dass die Förderfelder der Landesstiftung „Familie in Not“ auf die Zielgruppe benachteiligter Kinder ausgedehnt und benachteiligte Familien zusätzlich mit einem Sozialfonds unterstützt werden. Damit bekämpfen wir in Niedersachsen langfristig die Kinderarmut und schaffen Perspektiven für die Kinder und ihre Familien.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es gibt den Wunsch nach zwei Kurzinterventionen. Zunächst Frau Flauger von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Focke, Sie haben gerade richtig festgestellt, dass Hartz IV von der SPD/Grünen-Regierung eingeführt wurde. Was Sie dezent zu erwähnen vergessen haben, ist, dass auch die CDU und die FDP diesem Gesetz im Bundesrat zugestimmt haben.

(Beifall bei der LINKEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: Die haben es ver- schärft!)

- Ja, auch verschärft, Herr Jüttner.

(David McAllister [CDU]: Streitet euch ruhig untereinander!)

- Nein, wir streiten uns nicht untereinander, Herr McAllister. Auch Sie haben diesem Gesetz zugestimmt.

Herr Focke, ich wüsste gerne von Ihnen, ob ich richtig gehört und Sie richtig verstanden habe. Wir werden das im Protokoll nachlesen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, SPD und Grüne hätten dieses Gesetz eingeführt, und das habe dazu geführt, dass die Schere zwischen

Arm und Reich weiter auseinandergegangen sei. Ich finde, das ist eine kluge Erkenntnis. Ich würde von Ihnen gern bestätigt haben, dass Sie das hier so gesagt haben.

(Beifall bei der LINKEN)