Es mag Ihnen nicht bekannt sein, dass sich viele kleinere Betriebe schon lange nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen, weil sie den bürokratischen Aufwand der Tariftreueregelung scheuen.
Wir werden erleben, wie diese jetzt wieder aufleben. CDU und FDP werden hier ganz besondere Sorgfalt walten lassen, damit es nicht wieder zu einer Benachteiligung kommt.
- Warten Sie erst einmal ab! - Die Tarifparteien sind bislang durchaus in der Lage gewesen, alle Regelungen - ob Arbeitszeit oder Löhne - branchenspezifisch auszuhandeln. Trauen Sie eigentlich Ihren eigenen Gewerkschaften nicht mehr zu, diese Verhandlungen auch in Zukunft gestalten zu können?
Wer sich um die Lohnhöhe sorgt, der muss bei den Tarifpartnern ansetzen. Das Vergaberecht ist der falsche Ort, um diese Fragen zu regeln,
zumal das Gesetz nur den Bereich der öffentlichen Aufträge erfasst, während der gesamte private Bereich außen vor bleibt.
Die Lohnhöhe im Bau ist ohnehin bereits geregelt. Im Entsendegesetz, das von den Linken vehement abgelehnt wird, ist ein Mindestlohn von 10,36 Euro bis teilweise sogar 12,50 Euro für die Branche festgelegt. Kein Anbieter kann unter diesem Lohn anbieten. Es ist daher nicht nötig, im Vergabegesetz erneut auf das Entsendegesetz hinzuweisen. Sonst hätten wir ein Gesetz, welches die Einhaltung eines anderen Gesetzes fordert. Das ist völlig unsinnig.
Falsch ist auch die Forderung der SPD, dieses Gesetz auch noch auf andere Bereiche, z. B. auf den Verkehr, auszuweiten. Möglich ist dies nach dem EuGH-Urteil ohnehin nicht mehr. Sie wollen beispielsweise den ÖPNV wieder aufnehmen, den wir 2005 herausgenommen haben. Würde das Vergabegesetz heute noch für den ÖPNV gelten, hätten wir mit Sicherheit nicht das hohe Maß an Wettbewerb auf der Schiene, das wir heute haben.
Weniger als die Hälfte aller Strecken im Nahverkehr wird heute noch von der Deutschen Bahn bedient. Erfolgsgeschichten wie den Metronom und die Nordwestbahn würde es gar nicht geben, wenn Ihre Forderungen umgesetzt würden.
Aber gerade diese Unternehmen sind in Niedersachsen das Rückgrat der Wirtschaft und der Garant für gute Arbeitsplätze und bezahlbare Preise.
(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Machen Sie sie nicht kaputt!)
Ein Vergaberecht muss hingegen folgende Bedingungen erfüllen - jetzt hören Sie genau zu -: Gewährleistung eines freien, funktionierenden Wettbewerbs unter der Beachtung von Grundsätzen der Transparenz, der Gleichbehandlung und der Antidiskriminierung, Stärkung der mittelstandsgeprägten Wirtschaftsstruktur - das gelingt beispielsweise durch die Splittung großer Aufträge auf mehrere Lose, die dann einzeln vergeben werden können -,
Sicherung der prinzipiellen Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der öffentlichen Haushalte; diese geben schließlich Steuermittel aus, die vernünftig eingesetzt werden müssen.
Dass es auch anders geht - ich bitte Sie, jetzt genauer hinzuhören -, zeigen auch andere Bundesländer. Dabei fällt insbesondere auf, dass gerade die neuen Bundesländer trotz der Nähe zu europäischen Niedriglohnländern eine Tariftreueregelung nicht brauchen. Thüringen hat keine, MecklenburgVorpommern auch nicht. Brandenburg braucht keine. Sachsen-Anhalt hat sie 2002 aufgehoben. Sachsen hat zwar ein Vergabegesetz, aber ohne
Tariftreueklausel. Schon merkwürdig: So viel Bauvolumen und so nahe an Polen, Tschechien, Slowenien, Rumänien - wie machen die das trotz ihrer hohen Arbeitslosigkeit?
Wir jedenfalls sind der Meinung, dass das Vergaberecht Transparenz und Qualitätsanforderungen sicherstellen und dem Mittelstand faire Chancen eröffnen muss. Da unsere Mittelständler faire Löhne zahlen und gute Qualität anbieten, nutzt ihnen - und damit uns allen - eine mittelstandsfreundliche Vergabe. Reine Billiganbieter, die sich nur über Preise behaupten können, bekommen danach überhaupt keine Chance. Die Arbeitsplätze, die wir damit ansprechen, verlagert niemand ins Ausland, sondern sie unterstützen unser BIP.
Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich die Kollegin Helmhold gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau König, Sie haben eben gesagt, Sie hätten keine Angst vor Niedriglöhnen. Ich will einmal zu Ihren Gunsten annehmen, dass Sie dabei explizit nur den Baubereich gemeint haben. Aber Sie haben das ja später noch ausgeweitet.
Wissen Sie eigentlich, dass in diesem Land etwa eine halbe Million Menschen trotz Vollzeitarbeit auf Hartz-IV-Bezüge angewiesen sind?
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Christian Dürr [FDP]: Was hat das mit Vergabe zu tun?)
Wissen Sie eigentlich, dass Sie mit dem, was Sie hier fordern, nämlich mehr Wettbewerb und niedrige Preise, dazu beitragen, dass die Niedriglöhne der Unternehmen vom Steuerzahler subventioniert werden? - Ich halte es für absurd, wie Sie hier argumentieren.
Für eine Antwort auf die Kurzintervention sehe ich keine Wortmeldung vor. Damit kommen wir zum nächsten Redebeitrag. Jetzt hat Herr Hoppenbrock von der CDU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe einiges anders als meine Vorredner. Ich bin der Meinung, wir hatten bis zum 3. April, bis vor sechs Tagen, ein funktionierendes, gutes und wirksames Landesvergabegesetz. Einer der Kernpunkte war, wie schon mehrfach dargelegt, die Tariftreueerklärung, die alle Bauunternehmer bei einem Auftragsvolumen von mehr als 30 000 Euro abgeben mussten. Sie sollten dafür sorgen, dass sich auch Nachunternehmer schriftlich verpflichteten, diese Tariftreue einzuhalten. Das war dann auch verantwortlich zu überwachen.
Nun hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil am vergangenen Donnerstag wesentliche Teile dieses Landesvergabegesetzes verworfen, weil es nicht mit Europarecht vereinbar sein soll. Nach der ersten Bewertung ist davon hauptsächlich die Tariftreueerklärung in § 3 unseres Vergabegesetzes betroffen. Meine Damen und Herren, Herr Schminke, man sollte einmal darüber nachdenken, ob es gewirkt hat oder nicht. Sie haben angeführt, dass beim Bau der neuen JVA in Göttingen-Rosdorf festgestellt wurde, dass die von einem Subunternehmen angeheuerten polnischen Hilfskräfte nicht nach dem dort üblichen Tarif bezahlt worden sind. Ich stelle fest: Das Land hat Sanktionen verhängt. Dabei handelt es sich um hohe Summen. Das zeigt doch eigentlich, dass unser Gesetz gewirkt hat und nicht, dass sich niemand darum geschert hat. Ob das die Gewerkschaft, die Kommune oder das Land aufgedeckt hat, sei einmal dahingestellt. Wichtig ist, dass das aufgedeckt und geahndet wurde.
Nun hat das juristische Verfahren seinen Weg zum Europäischen Gerichtshof nach Luxemburg genommen mit dem Ergebnis, dass gerade diese wichtige Tariftreueerklärung gestrichen ist. Wir dürfen sie nicht mehr verlangen. Ohne diese Tariftreueverpflichtung ist das Gesetz in seiner jetzigen Form wohl ohne besondere Wirkung gegen Wettbewerbsverzerrungen im Baugewerbe.
Tag nach Verkündigung eine Nachfolgeregelung zum Landesvergabegesetz vorgelegt hat, ohne auch nur in einem einzigen Satz auf das Urteil einzugehen. Sie haben das zwar vom Redepult aus getan, aber in Ihrem Gesetzentwurf steht darüber nichts. Es liegt auch noch keine Stellungnahme und Bewertung vom GBD dazu vor.
Die Linken haben es sogar noch eiliger als die Sozialdemokraten: Sie fordern die Landesregierung auf, das Vergabegesetz bis zum Monatsende, also in drei Wochen, in ihrem Sinne zu verändern.