Protokoll der Sitzung vom 09.04.2008

Und Sie, meine Damen und Herren - das verwundert überhaupt nicht -, haben in den fünf Jahren nichts dazugelernt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das, was Sie jetzt zu Beginn dieser Wahlperiode machen, ist wie im Ministerium selbst: das Auswechseln eines Türschildes. In einem Punkt kommen Sie uns allerdings entgegen, wenn wir es personell so umsetzen, nämlich dass wir die Vertreterinnen und Vertreter der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in die Arbeit integrieren, weil sie zwar vom Status her eine andere Situation haben, aber die gleichen Integrationsprobleme bestehen. Aber ansonsten halten Sie an dem Ein

stimmigkeitsgebot fest, was bedeutet, dass es auch in Zukunft keine nachhaltige Artikulation und Mitwirkungsmöglichkeit der Verbände der Migrantinnen und Migranten in Niedersachsen geben wird. Dies ist zu Beginn der Wahlperiode, nach den Erfahrungen der letzten fünf Jahre, eine Provokation aller Verbände der Migrantinnen und Migranten in diesem Land!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Und jetzt das Lustigste, was leider viel zu ernst ist: Mit der Umbenennung des Ministeriums - an der Spitze ein Minister, der sich nicht gerade für eine ganzheitliche Integrationspolitik einen Namen gemacht hat -

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

bilden Sie den Ausschuss für Inneres und Sport zu einem Ausschuss für Inneres, Sport und Integration um.

(Reinhold Coenen [CDU]: Das ist gut!)

Sie können zwar formal sagen: Es gibt einen Integrationsausschuss im Parlament. - Aber in diesem Ausschuss werden die Migrantinnen und Migranten gar nicht beteiligt. In der Kommission, die Sie zulassen, machen Sie sie durch das Einstimmigkeitsgebot mundtot. Herr Althusmann, das ist Ihr Angebot an Integration, an Beteiligung der Sprecherinnen und Sprecher im Lande.

Sie haben gesagt, der Antrag gehe davon aus, dass sogar zehn Vertreter der Organisationen mitwirken dürften, und Sie hätten mit mir darüber gesprochen. Sie haben in der konstituierenden Sitzung in Aussicht gestellt, dass Sie unseren Antrag ernsthaft prüfen wollen.

(Jörg Bode [FDP]: Das haben wir ge- macht!)

Diese Prüfung scheint nicht stattgefunden zu haben, weil Sie ihn bis heute nicht verstanden haben.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Rücksprache mit uns hat fünf Minuten vor der Ältestenratssitzung stattgefunden mit der Aussage: Wir können Ihren Anträgen nicht folgen. - Das war Ihre ernsthafte Prüfung. Das war Ihr ernsthafter Versuch, in dieser Frage mit der Opposition zu einem Konsens zu kommen.

Wir haben - genau wie es die Grünen beantragen - gesagt: In dem zuständigen Gremium wirken zehn

Vertreter der landesweit tätigen Verbände der Migrantinnen und Migranten mit, und zwar fünf mit einem wirklichen Stimmrecht, und die fünf Stellvertreter, die natürlich wie Ausschussmitglieder in einem Ausschuss zu benennen sind, haben Mitwirkungsmöglichkeit, weil sie beratend dazugehören. - In letzter Konsequenz ging es darum, die Paritäten zwischen Abgeordneten und Vertretern der Verbände zu wahren. Wenn Sie sich wirklich bewegt hätten, hätten wir das Ding auch „Kommission“ nennen können. Aber dann hätten wir es wie eine Enquetekommission organisieren müssen, in der selbstverständlich alle Mitglieder gleiches Stimmrecht haben. Aber weil Sie das nicht wollen und die Vertreterinnen und Vertreter der Organisationen, die Sie jetzt zu Beginn gleich wieder provozieren, sozusagen mundtot machen wollen, haben Sie am Einstimmigkeitsgebot festgehalten.

Es gibt eine zweite Befürchtung: Allein die Umbenennung in „Integrationskommission“ ist richtig; keine Frage. Denn wir wollen Integrationsarbeit leisten. Aber wir werden mit Argusachten darauf achten, ob Sie in Zukunft ausschließen, dass sich dieses Gremium auch mit den grundsätzlichen Fragen der Asyl- und Flüchtlingspolitik befassen darf.

(Glocke der Präsidentin)

Ich sage es noch einmal: Zu einer wirkungsvollen Integrationspolitik gehört der ganzheitliche Ansatz. Es gehört dazu, Menschen in diesem Lande, die in der Welt verfolgt werden, unter vernünftigen Bedingungen eine Chance zu geben. Es ist der zweite Teil, hier Lebende mit Status wirklich zu integrieren. Aber auch dem ersten Teil, der oft hierbleiben muss, weil es Abschiebungshindernisse gibt, ist eine echte Integrationschance einzuräumen.

Herr Kollege Bachmann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich bin beim letzten Satz. - Das, was Sie machen, ist ein Etikettenschwindel. Es ist kein guter Start für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Integrationsverbänden im Land.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Helmhold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mir ansehe, welche Pirouetten die Mehrheitsfraktionen in den vergangenen Jahren beim Thema Parlamentsreform gedreht haben,

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

wundere ich mich manchmal, dass Sie selbst noch mitkommen, ohne schwindlig zu werden.

In der damaligen Enquetekommission hat die CDU - damals noch in der Opposition - für Reformen gestritten: Herr Althusmann wollte Minderheitenrechte. Bereits ein Drittel der Abgeordneten sollte Aktuelle Stunden beantragen können. Regierungsbefragungen ohne Themenankündigung und die Öffentlichkeit der Ausschüsse wurden gefordert - und übrigens alles einstimmig.

Nach dem Motto „Was schert mich mein Geschwätz von gestern?“ wollte man nach dem Regierungswechsel 2003 nichts mehr davon wissen - keine neuen Sitten im Parlament. Die FDP sollte sich erst einmal in die alte Geschäftsordnung einarbeiten können, obwohl das nicht ganz sinnvoll war. Denn da die FDP sowieso neu im Parlament war, hätte sie auch gleich mit der neuen Geschäftsordnung arbeiten können.

In der Mitte der vergangenen Wahlperiode hatten wir dann eine öffentliche Debatte. Damals konnten sich auch die Mehrheitsfraktionen nicht mehr dem Druck widersetzen, Teile der Vorschläge der Enquetekommission zur Parlamentsreform umzusetzen. Das Parlament sollte aktueller, lebendiger und transparenter werden.

(Unruhe)

Entschuldigen Sie, Frau Kollegin Helmhold. - Aktueller, transparenter, lebendiger - es wird mir momentan etwas zu lebendig hinsichtlich der Lautstärke. Insofern möchte ich diejenigen, die sich unterhalten möchten, jetzt bitten, nach draußen zu gehen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Die Rednerin kann das Parlament nicht erreichen!)

- Herr Kollege Klare, nur Frau Kollegin Helmhold hat das Wort. Die CDU hat noch eine Redezeit von

1:52 Minuten. Wer sich hier noch zu Wort meldet, kommt auch dran. - Frau Kollegin Helmhold!

Statt diesen notwendigen Prozess fortzusetzen, heißt es jetzt bei Ihnen: Kommando zurück - und das zackig. Die Kurzinterventionen haben Sie bereits beschnitten. Jetzt folgen drastische Kürzungen der Nachfragerechte bei Anfragen und das Abschaffen der Vorbemerkungen.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Kurzin- terventionen beschnitten?)

- Bei Petitionen und in der Aktuellen Stunde haben Sie die Kurzinterventionen bereits in der 15. Wahlperiode abgeschafft. Das wollen wir an dieser Stelle nicht vergessen.

Was Sie jetzt vorhaben, hat doch nur einen einzigen Sinn: Sie wollen die Möglichkeiten der Opposition schwächen. Das ist billig, und es ist auch feige. Halten Sie denn Ihre Minister selbst für derart schwach, dass Sie sie vor der Opposition, vor unseren Nachfragen und Vorbemerkungen fürsorglich schützen müssen?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir wollen weitere Vorschläge der Enquetekommission aufgreifen. Wir wollen mehr Transparenz und mehr Aktualität. Wir wollen in kürzeren Abständen tagen. Wir wollen endlich die Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen und das echte Selbstbefassungsrecht. Nehmen Sie sich doch Bayern als Vorbild! Dort wird schon lange entsprechend verfahren. Wenn Sie hier immer den Bundestag heranziehen - allerdings immer nur dann, wenn es Ihnen passt -, möchte ich Sie einmal daran erinnern, dass es im Bundestag z. B. Vizepräsidenten aus allen Fraktionen gibt. Das haben Sie in der Debatte, die wir in der konstituierenden Sitzung hatten, hier wohlweislich verschwiegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es ist wirklich schade, dass Sie Ihre Ankündigung nicht eingelöst haben, mit uns über eine Änderung der Regeln für die Ausländerkommission bzw. Integrationskommission zu reden. Wir brauchen eine solche Kommission. Für diese Kommission müssen aber auch echte Möglichkeiten eröffnet werden. Es darf nicht so sein, dass sich die Mitglieder dieser Kommission missbraucht fühlen. Beschlüsse müssen gefasst

werden können, ohne dass Einstimmigkeit herrscht. Praktisch werden kaum Beschlüsse gefasst, weil diese Einstimmigkeit naturgemäß kaum herzustellen ist. Wir wollen, dass bezüglich der Empfehlungen, die dann beschlossen werden, in den zuständigen Ausschüssen die entsprechenden Regelungen getroffen werden. Das ist doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Genauso selbstverständlich muss es sein, dass die Sitzungen öffentlich sind. Die Bedeutung dieser Kommission muss gestärkt werden. Das fordern auch die Migrationsverbände. Sie haben das entsprechende Schreiben doch wahrscheinlich auch bekommen. Alle wollen unsere Lösung, nicht Ihre. Das müsste Ihnen doch zu denken geben, meine Damen und Herren.

Was die Änderung des Abgeordnetengesetzes, über das wir heute in erster Lesung beraten, angeht, so wird meine Fraktion der Erhöhung der Fraktionskostenzuschüsse zustimmen, weil die Fraktionen auch in einem verkleinerten Parlament arbeitsfähig sein müssen. Da durch die Verringerung der Zahl der Mandatsträger mehr Arbeit anfällt, tragen wir auch die Heraufsetzung der Zahl der Stunden für die Zuarbeit in den Abgeordnetenbüros mit, zumal der Niedersächsische Landtag in dieser Hinsicht, wie ein Ländervergleich ausweist, bislang äußerst schlecht ausgestattet war. Die Erhöhung der Diäten und Aufwandsentschädigungen werden wir allerdings vor dem Hintergrund der haushaltsmäßigen Belastungen aufgrund der eben geschilderten Maßnahmen nicht mittragen. Im Gegenteil: Wir halten unseren Antrag aufrecht, die erhöhten Entschädigungen für die Vizepräsidenten zu kürzen. Dies bedeutet vor dem Hintergrund, dass diese Entschädigungen auch altersentschädigungswirksam sind, eine dauerhafte Einsparung.

Meine Damen und Herren, Sie tun das Gegenteil von dem, was eigentlich notwendig ist. Wir brauchen vor dem Hintergrund der Distanz zum Parlamentarismus und der sehr, sehr niedrigen Wahlbeteiligung ein offenes, lebendiges und transparentes Parlament, kein zackiges Parlament.

Frau Kollegin Helmhold, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Sie haben mir eben etwas Redezeit zugegeben.

Ja, ich habe Ihnen schon 35 Sekunden zugegeben. Ich achte sehr genau auf die Einhaltung der Redezeit.