Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

Gut gebrüllt, Löwe! Das ist in der heimischen Löwenstadt sicherlich hervorragend angekommen.

Wohl aufgrund der sich häufenden Kritik sah sich der Ministerpräsident offensichtlich zum Handeln gezwungen und versprach - nicht wirklich in Abstimmung mit den Koalitionsfraktionen und somit eher nach Gutsherrenart -, mit zu vielen Sonntagsöffnungen Schluss zu machen.

(Jörg Bode [FDP]: Der Ministerpräsi- dent ist immer mit uns abgestimmt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das alles war aber nur heiße Luft. Im nahen Wolfsburg sprach der Oberbürgermeister ein Machtwort und brachte allein dadurch die renitente Landesregierung umgehend zur Räson.

(Beifall bei der SPD)

Führungsstärke der Regierung, insbesondere des Ministerpräsidenten, sieht anders aus!

(Heinz Rolfes [CDU]: Ein bisschen ernsthafter könnten Sie es schon ma- chen!)

- Herr Rolfes, Sie können ja gleich noch reden. - Auch wenn von allen Seiten immer wieder die Um

setzung der angekündigten Gesetzesänderung angemahnt wurde, hat sich die Koalition offensichtlich außerstande gesehen, einen einfachen und vernünftigen, also einen konsequenten Vorschlag zur Umgestaltung des Gesetzes zu machen. Dass bis zum Stichtag, dem 31. März 2010, der Bestandsschutz für die bis jetzt geltende Regelung greift, ist einzusehen. Dass aber danach in Ausflugsorten die doppelte Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage mit vollem Sortiment möglich sein soll, ist überhaupt nicht einzusehen. Ein großer Wurf ist das nicht.

(Beifall bei der SPD)

Der jetzt gefundene Kompromiss führt nicht zur Befriedung und wird gleichermaßen von Gegnern wie von Befürwortern der bisherigen Regelung kritisiert. Dieser Kompromiss wird auch die Verwerfungen im Wettbewerb nicht glätten. Die Diskussionen über Ausnahmeregelungen, Sondertatbestände usw. werden sicherlich noch weitergehen. Eine erste Resolution aus Wolfsburg liegt uns ja bereits vor. Der Sonntagsschutz, der eigentlich im Vordergrund stehen sollte, wird weiter ausgedünnt werden.

Sonntagsschutz light - nein, meine Damen und Herren, dem werden wir nicht zustimmen!

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Möhle. - Zu einer Kurzintervention auf Herrn Möhle hat sich Frau Kollegin Jahns von der CDU-Fraktion gemeldet. Sie haben eine Redezeit von anderthalb Minuten. Bitte schön! Sie können gerne nach vorne kommen.

Herr Kollege Möhle, Sie haben eben auf die parteiübergreifende Resolution der Bürgermeister der Mittelzentren hingewiesen und kurz vor dem Ende Ihrer Rede erwähnt, dass auch eine Resolution der Stadt Wolfsburg vorliegt. Ist Ihnen bekannt, dass die Resolution der Stadt Wolfsburg ebenfalls parteiübergreifend zustande gekommen ist?

(Matthias Möhle [SPD]: Ja!)

Denn dies ist ganz wichtig. Ziel muss es sein, dass eine Evaluation vorgenommen wird und diese in eine spätere Gesetzesänderung einbezogen wird.

Ich wollte aber nur wissen, ob Ihnen bekannt ist, dass auch das parteiübergreifend gelaufen ist.

(Heiner Bartling [SPD]: Das ist be- kannt!)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Jahns. - Herr Kollege Möhle möchte antworten. Anderthalb Minuten auch für Sie.

Frau Kollegin Jahns, das ist mir natürlich bekannt. Es gibt ja eine ganze Menge Resolutionen; dies war nur ein Beispiel. Ansonsten ist das wieder eine Frage der unterschiedlichen Wahrnehmung. Dass Wolfsburg das etwas anders sieht als die Städte drumherum, verstehen wir alle.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Kollege Adler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz, das Ausgangspunkt für den Gesetzentwurf und die Beschlussempfehlung des Ausschusses ist, wurde im Jahr 2007 beschlossen. Damals war unsere Fraktion noch nicht im Landtag; wir können also nichts für dieses Gesetz.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wir auch nicht!)

Interessant ist immerhin die Begründung zu dem Änderungsvorschlag, den die Mehrheitsfraktionen eingebracht haben. Daraus möchte ich gerne vorlesen - darin steht -:

„Bereits jetzt ist feststellbar, dass diese Regelung zu einer unerwünschten Ausweitung der Verkaufsaktionen an Sonn- und Feiertagen in Ausflugsorten führt.“

Damit ist die Regelung gemeint, die Sie beschlossen haben. Was hatten Sie denn erwartet, wenn Sie mit einem solchen Gesetz einem ungehinderten Kommerz an Sonntagen Tür und Tor öffnen?

(Beifall bei der LINKEN)

Dieses Gesetz ist völlig verquer. Allein die Definition und Bezugnahme auf Ausflugsorte ist völlig ungeeignet. Sie führt nur zu einem Kampf um Begriffe: Wer gehört alles zum Ausflugsort? - „Herausgehobene Sehenswürdigkeiten“ steht im Gesetz. Welche Kommune wird nicht für sich in Anspruch nehmen wollen, in den eigenen Stadtmauern über herausgehobene Sehenswürdigkeiten zu verfügen? - Aber in Wirklichkeit steht hinter dem Kampf um die Begriffe der Kampf um den Kommerz, nichts anderes.

(Beifall bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Dann müssten Sie ja jetzt da- für sein!)

Dieser ganze Blödsinn mit den herausgehobenen Sehenswürdigkeiten in den Ausflugsorten ist nach unserer Auffassung herauszunehmen.

In einem Punkt hat die Resolution der Stadt Wolfsburg recht. Dort heißt es nämlich: Die im Gesetz vorgesehene Differenzierung zwischen Ausflugsorten einerseits, Kur- und Erholungsorten andererseits sowie Wallfahrtsorten führt zu einer Ungleichbehandlung und ist willkürlich. - So die Stadt Wolfsburg in der einstimmig beschlossenen Resolution. Das alles macht keinen Sinn!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind vollständig gegen solche Sonntagsöffnungszeiten; das sage ich Ihnen. Wir würden jedem Gesetz zustimmen, das diese Sachen zumindest nur abmildert. Aber das, was Sie machen, ist eine Verschlimmbesserung; eigentlich ist es mehr eine Verschlimmerung als eine Verbesserung, wenn man es genau nimmt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen noch Folgendes: Dieses Gesetz über die Sonn- und Feiertagsregelung für Verkaufsstellen ist unsozial. Es ist familienfeindlich, und es unterliegt einem falschen Menschenbild. Es reduziert den Menschen nämlich auf einen Konsumenten, der zu allen nur denkbaren Zeiten zu erhöhtem Konsum motiviert werden soll. Wir sind in Übereinstimmung mit den Gewerkschaften und den Kirchen gegen dieses Gesetz.

(Heinz Rolfes [CDU]: Ihr nehmt die Kirchen für euch in Anspruch! Das ist ja etwas ganz Neues!)

Frau Mundlos, Sie haben sich eben darüber beschwert, dass es für Sie so unerträglich gewesen sei, dass eine Abgeordnete der Fraktion der Grünen zu dem Thema etwas gesagt habe, was Ihren

christlichen Glauben betreffe. Lassen Sie sich deshalb auch von mir als Atheisten noch einmal sagen: Du sollst den Feiertag heiligen!

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Riese zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Es gibt ein schönes Land in der Welt, verehrte Frau Präsidentin und meine Damen und Herren, in dem die Kirchen jeden Sonntagmorgen und auch noch an einigen anderen Tagen voll sind, in dem Familien viele Kinder haben - vier oder fünf Kinder oder auch mehr sind dort überhaupt keine Seltenheit - und in dem Sie am Sonntag in den örtlichen Supermarkt gehen können und als Erstes auf einen großen Bücherstand mit religiöser Literatur zukommen. Dieses Land, meine Damen und Herren, sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Ich empfehle jedem einen Besuch dort.

Wir im alten Europa, in Deutschland haben bei der Frage, ob Geschäfte am Sonntag geöffnet sein sollten oder nicht, eine etwas andere Tradition, die wir als einen kulturellen Wert begreifen können. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es bis auf den heutigen Tag in der FDP regelmäßig lebhafte Diskussionen darüber gibt, insbesondere wenn die jungen Liberalen mit den etwas gestandeneren Liberalen zusammenkommen.

Der hier gefundene Weg ist der richtige, wie ich Ihnen gleich noch darlegen werde.

Heute, vor einigen Stunden hat Wirtschaftsminister Walter Hirche in einer Rede, die wohl nicht nur mich tief bewegt hat, an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, dass es die Aufgabe der Politik ist, den Ausgleich zwischen Interessen herbeizuführen, die einander entgegengesetzt sind. Politik tut solches u. a. durch den Erlass von Gesetzen. Die Diskussion über das Gesetz über die Sonn- und Feiertagsregelung für Verkaufsstellen führt uns bis auf den heutigen Tag vor Augen, mit welcher Energie Interessen an uns herangetragen werden.

Schon nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Ladenöffnungszeiten Ländersache seien, war der eigentliche Gegenstand der Auseinandersetzung auch hier im Landtag die Frage, wie viel Regelung durch Gesetze eigentlich sinnvoll ist und wie sich die Freiheit der mündigen Bürgerinnen und Bürger gewährleisten lässt. Wir

haben damals an dieser Stelle darüber diskutiert, dass die Einkaufsgewohnheiten im Zeitalter des Internet nicht mehr dieselben sind wie im 15. Jahrhundert. Das seinerzeit beratene Gesetz enthält den Auftrag an die Landesregierung, die Auswirkungen bis zum 31. März 2010 zu überprüfen.

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Grünen, war Ihr Gesetzentwurf in der Drs. 16/127 unzeitgemäß, hat aber die Diskussion wieder angeheizt und führt zu dem heutigen Vorschlag des Fachausschusses, das Gesetz mit Wirkung ab 2010 so zu ändern, wie es uns vorliegt.

Die Ausführung dieses Gesetzes, meine Damen und Herren, beschäftigt viele Behörden, seine Begleitung zahlreiche Interessenverbände. Ich habe mit großem Interesse die Umfrage der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg zur Sonntagsöffnung in Kur-, Erholungs-, Ausflugs- und Wallfahrtsorten vom Februar und März 2008 zur Kenntnis genommen, der zufolge die erlaubten Öffnungszeiten an vielen Orten nicht ausgenutzt werden und ein leichtes Überwiegen der positiven Entwicklung auf die Gästezahlen festgestellt wird. Vor allem aber haben in dieser Umfrage 93 % der Befragten geantwortet, die Sonn- und Feiertagsöffnung habe nicht zu Problemen mit benachbarten Kommunen bzw. Händlern geführt. - So die IHK Lüneburg-Wolfsburg. Wie bei allen Umfragen muss man natürlich auch bei dieser Umfrage bei den Ergebnissen die gebotene Vorsicht walten lassen. Aber es zeigte sich zumindest nicht die hier behauptete allgemeine Unzufriedenheit mit den geltenden Regelungen.