Protokoll der Sitzung vom 19.02.2009

Es ist somit auch das Recht dieser Generation von Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die Frage zu stellen, ob der Niedersächsische Landtag in dieser Form noch den Geist einfängt, der den Parlamentarismus unserer Ansicht nach prägen sollte. Die Linke hat dafür klare Bewertungsmaßstäbe. Ein moderner Landtag sollte öffentlich zugänglich sein, transparent arbeiten und ökologisch in jeder Hinsicht vorbildlich sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor diesem Hintergrund werden wir den Prozess zur Entscheidung über die Baumaßnahmen bewerten.

Denkmalschutz ist wichtig. Ich liebe Architektur. Ich betrachte Architektur wie Kunst und Musik. Sie muss mir gefallen. Das trifft durchaus auch auf moderne Architektur zu. Dieser Plenarsaal ist leider mit meinem ästhetischen Empfinden nicht sehr kompatibel. Glauben Sie mir, ich stehe mit dieser Meinung nicht allein. Ich bin gebürtige Hannoveranerin und habe diese Stadt nie verlassen. Der Oesterlen-Bau war immer umstritten. An die Auseinandersetzung um den Neubau in meiner Kindheit kann ich mich sogar noch erinnern. Also nur eine Geschmacksfrage? - Parlamente sollen unserer Meinung nach offene Häuser sein. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die Möglichkeit haben, ihren Parlamentariern bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Nun scheint Oesterlen bei aller Anerkennung der Bedeutung seiner Architektur von solchen Erwägungen bei seinem Entwurf eher weniger inspiriert worden zu sein. Das mag Anfang der 60er-Jahre nicht die allgemeine Vorstellung von einem Parlament gewesen sein. Man bekommt bei unserem Plenarsaal doch eher die Assoziation eines Bunkers und könnte auf die Idee kommen, die Bürgerinnen und Bürger sollten vom Parlament ferngehalten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Mich persönlich erinnern die Fahnenhalter eher an ein mittelalterliches Gruselszenario. Das darf kein Argument gegen den Oesterlen-Bau sein. Das Argument des Denkmalschutzes allein ist für uns aber nicht ausreichend für die Entscheidung für oder gegen einen Neubau. Leider hebt der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ausschließlich auf diesen Aspekt ab. Uns reicht das nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn nun doch ein Umbau die Lösung ist, dann sollte die beschriebene größere Offenheit gegeben sein, und noch andere Kriterien sind zwingend. Ökologisch ist der Landtag in seinem jetzigen Zustand eine Katastrophe. Wir brauchen mehr Platz, nicht in erster Linie für die Abgeordneten, aber für die Bürger und die tägliche Arbeit.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der CDU)

Klar ist für uns, dass ein Umbau oder Neubau nicht finanziert werden darf, indem bei der Bildung, im Sozial- oder im Gesundheitswesen zusätzlich gespart wird. Das Gebäude muss aber auf jeden Fall saniert werden, und das wird Geld kosten.

Welche Lösung ist günstiger? - Für uns ist nicht sicher, ob ein Umbau mit dem Erhalt des Oesterlen-Baus unter Einbeziehung aller Kriterien - Offenheit, Nachhaltigkeit, energetische Gesichtspunkte - letztendlich nicht teurer als ein Neubau werden wird. Die Kriterien, die für den Architektenwettbewerb 2002 galten, können jetzt nicht mehr angelegt werden. Das Land Sachsen-Anhalt hat genau die Erfahrung gemacht, dass es dann eben teurer wird.

Meine Damen und Herren, ich sehe keine belegbaren Fakten, dass ein Umbau wirklich entscheidend günstiger würde. Eine wirklich billigere Lösung würde unseren Ansprüchen an ein offenes Parlament nicht mehr gerecht. Eine Bedingung bleibt allerdings: Solange Schulgebäude, Krankenhäuser und Universitäten verfallen, brauchen wir für die ca. 30 Tage, die wir uns im Jahr hier aufhalten, kein neues Gebäude.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch hier gilt: erst das Land, dann die Parteien und die Abgeordneten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Umbau des Oesterlen-Plenarsaals, der unsere Kriterien erfüllt und erwiesenermaßen nur die Hälf

te des Veranschlagten kostet, würde mit Sicherheit die Zustimmung unserer Fraktion finden. Ein solches Konzept sehen wir im Moment nicht. Ich würde mir wünschen, hier endlich verlässlichere Zahlen zu bekommen. Noch eines: Egal, ob Umbau oder Neubau, wie wollen wir ein offenes Parlament verwirklichen, wenn wir unsere Ausschusssitzungen abschotten und eine Bannmeile um das Parlament legen?

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention erteile ich Frau Kollegin Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Frau Kollegin Reichwaldt, der Umgang mit Baudenkmälern sollte sich, wie ich glaube, nicht vom persönlichen Geschmack leiten lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn es um Geschmack ginge, hätte Hannover - Sie sind Hannoveranerin; Sie wissen das - heute beispielsweise nicht die Nanas am Leineufer stehen. Ich kann mich an die Diskussion darüber noch ziemlich gut erinnern.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ich finde die schön!)

- Ja, das ist aber auch eine Geschmackskategorie. Zumindest im Umgang mit Baudenkmälern darf sie nicht gelten.

Ich sage es Ihnen noch einmal: Dieser Plenarsaal ist wirklich überholungsbedürftig. Er ist unter energetischen Gesichtspunkten überholungsbedürftig. Eine entsprechende Änderung kann aber auch auf der Grundlage des Wettbewerbsentwurfs von 2002 erfolgen. Es muss also nicht ein Abriss erfolgen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Wir sind sieben Jahre weiter!)

All die Varianten, die jetzt ins Spiel gekommen sind, waren ja von den Fesseln der Denkmalpflege quasi befreit. Es konnte vollkommen frei geplant werden. Beim Architektenwettbewerb damals gab es allerdings die erwähnten Fesseln. Ich habe in der Baukommission einen Vorschlag unterbreitet. Ich frage mich wirklich, warum Sie sich nicht dem

Vorschlag anschließen konnten, zu sagen: Lassen Sie doch wenigstens den jetzt anstehenden Wettbewerb so offen sein, dass die Architekten neben der Variante 7, die den Abriss voraussetzt, die Freiheit haben, eine Veränderung im Bestand zu planen. Wenn Sie sich die Pläne von Koch Panse ansehen, stellen Sie fest, dass darin sozusagen Luft ist. Wenn die Kriterien, die für die Wettbewerbsvorbereitung gelten, angelegt werden, ist somit eine ganze Menge möglich. Man muss also nicht mit der Abrissbirne an dieses wichtige Denkmal herangehen. Das ist alles, was ich von Ihnen verlange.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die Fraktion DIE LINKE antwortet Frau Kollegin Flauger. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Helmhold, Ihnen ist doch sicherlich bekannt, dass sich die Gesetzeslage inzwischen geändert hat und dass die Situation von 2002/03 eben nicht mehr gegeben ist. Wenn jetzt an diesem Gebäude etwas getan würde, würden andere Vorschriften hinsichtlich der energetischen Dämmung und der energetischen Bauweise zugrunde gelegt werden müssen, als es damals der Fall war. Das führt natürlich auch zu einem unterschiedlichen Ergebnis bei dem Vergleich der Kosten von Abriss oder Neubau bzw. Sanierung des vorhandenen Gebäudes. Dies muss man betrachten. Sie können nicht einfach so tun, als könnte man das, was heute ist, auf der Grundlage von 2002 1 : 1 vergleichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Frau Wegner hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet. Ihr stehen zwei Minuten Redezeit zur Verfügung. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen meine Auffassung zu dem Neubau vortragen. Ich finde, man darf dieses Landtagsgebäude nicht abreißen. Man darf dies aus Denkmalschutzgründen nicht tun, also wegen des Grundgedankens dieses Baus, der ein Symbol des Neuanfangs nach der Zeit des Nationalsozialismus ist. Man darf es schon deshalb gar nicht tun, weil wir uns in einer Zeit befinden, in der Steuergelder statt

in soziale Projekte u. a. in marode Banken investiert werden, obwohl in Niedersachsen laut Statistischem Landesamt immer noch jedes sechste Kind in Armut lebt. Das verplante Geld für eine energetische Sanierung des Landtages aufzuwenden und den Rest in sinnvolle soziale Projekte zu investieren, ist den Menschen in Niedersachsen eher zu vermitteln, als wenn sich die Bürgerinnen vorstellen müssen, dass sich hier jemand ein Denkmal baut, damit 152 Abgeordnete ca. 300 Stunden im Jahr - das muss man sich einmal vorstellen! - komfortabel tagen können. Um Transparenz herzustellen, müssen Konzepte entwickelt werden. Diese Konzepte müssen gleichzeitig mit Alternativen zu einem Abriss des Landtagsgebäudes entwickelt werden.

Danke sehr.

Danke schön. - Die nächste Wortmeldung ist die des Kollegen Bartling von der SPD-Fraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schwarz hat schon einiges von dem, was man zum Antrag der Grünen sagen kann, vorweggenommen. Das erspart mir einiges. Ich halte das, was die Grünen da aufgeschrieben haben, für blanken Populismus.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich möchte, dass wir sehr schnell eine Entscheidung treffen, damit die Arbeitsmöglichkeiten der Abgeordneten verbessert werden und ein funktionsfähiges Landtagsgebäude zur Verfügung steht. Wir gehen davon aus, dass es im Rahmen des Architektenwettbewerbs trotz der Entscheidung der Baukommission für die Standortvariante 7, an der die Grünen in der Tat nicht beteiligt waren, weil niemand von ihnen da war, dennoch möglich sein wird, die vorhandenen Wände entweder zu erhalten oder aber auch abzureißen. Diese Offenheit möchten wir in diesem Wettbewerb gern erhalten wissen, damit nicht wieder der Vorwurf erhoben werden kann, dass hier sofort mit der Abrissbirne gearbeitet werden soll. Wir wollen einen Abriss aber für den Fall ermöglichen, dass es im Interesse der von uns gestellten Anforderungen an die Funktionalität des Landtagsgebäudes keine andere Lösung geben sollte.

Herr Kollege Bartling, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Helmhold?

Frau Helmhold!

Herr Kollege Bartling, ich bitte Sie um Beantwortung der Frage, wie Sie darauf kommen, dass die Fraktion der Grünen in der Sitzung der Baukommission, in der die Standortvarianten diskutiert worden sind, nicht zugegen war.

Herr Bartling!

Das ist meine Erinnerung.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Die trügt!)

Ich war da. Auch die Kollegen Möhrmann und Althusmann waren da. Ich meine, mich daran zu erinnern, dass die Grünen, als wir einstimmig votiert haben, nicht da waren. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich mich falsch erinnern sollte. Dann nehme ich das zurück. Ich möchte hier keine falschen Vorwürfe erheben. Jedenfalls waren Sie die Einzige, die nicht mitgestimmt hat. Ich bitte um Entschuldigung; dann erinnere ich mich an dieser Stelle falsch.

Meine Damen und Herren, mir geht es darum, dass wir relativ zügig zu einem Ergebnis kommen; denn wir haben dieses Thema schon über viele Jahre hinweg diskutiert. Dieses Thema findet jetzt eine breite Mehrheit. Wenn wir es jetzt nicht über die Bühne bekommen, glaube ich nicht, dass wir es später werden verwirklichen können. Das ist für mich ein ganz wichtiger Gesichtspunkt.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)