Zu 1: Die im Januar 2009 veröffentlichte Studie „Ungenutzte Potenziale - Zur Lage der Integration in Deutschland“ des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung bewertet die Angaben von 70 % der im Mikrozensus 2005 Befragten und berechnet daraus einen Index zur Messung von Integration. Der Index soll einen Vergleich der
unterschiedlichen Zuwanderungsgruppen wie auch der Bundesländer ermöglichen. Während die amtlichen Statistiken sich in der Regel auf das Merkmal deutsche bzw. ausländische Staatsangehörigkeit beziehen und daher auf die Integration bzw. die Integrationsfortschritte von Spätaussiedlern oder eingebürgerten Zuwanderern keine Auskunft geben können, sind die Daten des Mikrozensus im Gegensatz dazu bedingt für genauere Auskünfte geeignet, da erfasst wird, ob die Befragten einen Migrationshintergrund besitzen.
Während der Mikrozensus jährlich erhoben wird, werden Daten zum Baustein „Migration“ nur alle vier Jahre erfasst – letztmalig 2005. Die der Studie zugrunde gelegten Daten aus dem Jahr 2005 bilden den Zeitraum vor 2005 ab.
Die Studie des Berlin-Instituts fasst die Zuwanderergruppen und zum Teil auch die Bundesländer in unzulässiger Weise zusammen. Die unterschiedlichen Zuwanderungswellen wie die der Gastarbeiter bis 1973, der Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge und der Spätaussiedler stießen je nach Zuwanderungszeitpunkt mit sehr unterschiedlichen beruflichen Voraussetzungen auf eine jeweils unterschiedliche Arbeitsmarktsituation in den alten Bundesländern. Die Zuwanderung in die neuen Bundesländer hat eine andere Vorgeschichte und eine andere Zusammensetzung. Die Ergebnisse der Integrationsprozesse dort lassen sich schon deshalb nicht ohne Weiteres mit der Situation in den alten Ländern vergleichen.
Die Studie bescheinigt den neuen Bundesländern eine hervorragende Integration der türkischen Zuwanderer. Sie lässt dabei außer Acht, dass es türkische Gastarbeiter in den neuen Bundesländern nie gab. Eine kleine Zahl türkischstämmiger Zuwanderer ist nach der Wende als Unternehmer oder Arbeitnehmer in die neuen Bundesländer gegangen. Die Werte der einzelnen Indikatoren sind daher mit denen der alten Bundesländer kaum vergleichbar. Die Aussagen dazu sind widersprüchlich. Die Studie führt aus, 81 % der Türkischstämmigen in den neuen Ländern seien erwerbstätig - in Bayern und Baden-Württemberg liegt die Quote bei 65 % -; 26 % seien selbstständig - nächst höchste Quote in Berlin 12 %. Dem steht der Extremwert von 41 % Angehöriger dieser Gruppe gegenüber, die auf öffentliche Leistungen angewiesen sind. Das ist schlichtweg nicht plausibel.
Bremen zusammen erzielen z. B. gute Ergebnisse mit ihrem Anteil von 19 % von türkischstämmigen Schülern, die die gymnasiale Oberstufe besuchen und von 14 %, die das Abitur schaffen. Beides weist auf eine Verbesserung der Integration im Vergleich zu der Elterngeneration hin. Die auch in Niedersachsen relativ hohe Quote der nicht erwerbstätigen Hausfrauen spiegelt einerseits ein konservatives Frauen- und Familienbild wieder. Die Quote ist andererseits auch damit zu begründen, dass die Frauen im Vergleich mit der Mehrheitsbevölkerung jünger sind und sich in der Familiengründungsphase befinden. Das wird undifferenziert zu Unrecht als integrationshemmender Faktor ausgemacht.
Die Studie unternimmt den Versuch, den Stand der Integration anhand von Indikatoren zu ermitteln. Sie stützt sich dabei auf die Ergebnisse des Mikrozensus aus dem Jahr 2005, der die damalige Situation abbildet. So werden die in den Vorjahren entstandenen Defizite in den Integrationsbemühungen deutlich. Der beschriebene Handlungsbedarf entspricht folglich ebenfalls den Notwendigkeiten von 2005.
Zu 2 darf ich auf das „Handlungsprogramm Integration“ in der Fassung November 2008 verweisen, das Ihnen vorliegt. Wir haben auch noch Exemplare, die wir Ihnen gerne zur Verfügung stellen.
Zu 3: Ob Integration gelingt, entscheidet sich vor Ort in den Städten und Gemeinden, in Wohnvierteln und Nachbarschaften. Deshalb steht das Land Niedersachsen auch hier an der Seite der Kommunen und hat im Jahr 2005 zunächst 15 Leitstellen für Integration durch die Bereitstellung von Landespersonal in folgenden Kommunen ermöglicht: Stadt Braunschweig, Stadt Delmenhorst, Landkreis Emsland, Landkreis Gifhorn, Landkreis Goslar, Region Hannover, Landkreis Harburg, Stadt Hildesheim, Stadt Lüneburg, Stadt Osnabrück, Landkreis Peine, Stadt Salzgitter, Landkreis Schaumburg, Landkreis Verden sowie Landkreise Wittmund und Friesland.
Die Leitstelleninhaber nehmen eine Bestandsaufnahme der örtlichen Integrationsangebote vor, verzahnen diese miteinander, binden Selbstorganisationen ein und stellen Defizite und Schwachstellen im lokalen Integrationsgeschehen fest. Sie koordinieren weiter die kommunalen Aufgaben, die sich auf die Integration von Migranten und Spätaussiedlern auswirken. Damit leisten die Leitstellen einen wesentlichen Beitrag zur Optimierung der Integrationsprozesse.
Zugleich unterstützen wir die Kommunen mit breit angelegten Fortbildungsoffensiven für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Ausländerbehörden. Auch hier geht es darum mit einzelnen, auf die lokalen Bedürfnisse ausgerichteten Trainingsmodulen die interkulturelle Kompetenz der Beschäftigten dieser Dienststellen nachhaltig zu verbessern. Im vergangenen Jahr haben rund 300 Mitarbeiter von 20 Ausländerbehörden an den Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen.
Ein wichtiger Baustein der Integrationsarbeit ist das ehrenamtliche Engagement. Orientiert am Osnabrücker Modellprojekt hat das Projekt „Integrationslotsen in Niedersachsen“ in kürzester Zeit in vielen Kommunen Fuß gefasst. Auf der Grundlage der im Mai 2007 veröffentlichten Richtlinie „Integrationslotsen“ haben bis Ende des Jahres 2007 76 Basiskurse und 40 Spezialisierungsmodule stattgefunden. Das Land Niedersachsen hat für diese Maßnahmen 2007 500 000 Euro und 2008 weitere 300 000 Euro zur Verfügung gestellt. Ca. 1 000 Interessierte - ein beachtlicher Teil mit Migrationshintergrund - haben sich in Kursen verschiedener örtlicher Bildungseinrichtungen zu Integrationslotsen qualifizieren lassen. Das ist wirklich ein Erfolgmodell.
Entscheidend ist, dass das ehrenamtliche Engagement von Politik und Verwaltung vor Ort in den Kommunen unterstützt, gefördert und geschätzt wird. Der Beitrag der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände zum Nationalen Integrationsplan unterstreicht neben der Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements für die Entwicklung des Gemeinwesens die kommunalpolitische Bedeutung der Integration vor Ort.
Land und Kommunen sind in Niedersachsen gemeinsam auf einem guten Weg. Fünf gemeinsame Impulsveranstaltungen zum Thema „Integration geschieht vor Ort - Integration muss Chefsache sein“ haben 2007 dazu beigetragen, das Thema Integration noch fester vor Ort in den Kommunen zu verankern. Ich selbst habe bei diesen Veranstaltungen viele Gespräche mit kommunalen Vertretern aus Politik und Verwaltung sowie mit Akteuren aus Verbänden und Vereinen geführt. Wir alle waren und sind uns einig: Die Potenziale der Vereine und Verbände vor Ort müssen für die Gestaltung von Integration noch stärker genutzt werden. So unterstützen wir das ehrenamtliche Engagement in Sportvereinen jährlich mit 500 000 Euro. Hier geht es vor allem darum, die interkulturelle Kompetenz der Verantwortlichen im organisierten Sport zu verbessern und Menschen mit Migrati
Nicht nur der organisierte Sport, auch die freiwilligen Feuerwehren leisten in Niedersachsen einen entscheidenden Beitrag zur Gestaltung unseres Gemeinwesens. Gemeinsam mit der Jugendfeuerwehr Niedersachsen bereiten wir zurzeit umfassende Fortbildungsmaßnahmen vor mit dem Ziel, die interkulturelle Kompetenz der Jugendfeuerwehr zu steigern und zugleich den Anteil an Jugendlichen mit Migrationshintergrund in dieser Organisation zu erhöhen. Hierfür stellen wir allein in diesem Jahr bis zu 30 000 Euro zur Verfügung.
Fazit: Erste Erfolge zeigen, dass wir bei unseren Integrationsanstrengungen eindeutig auf dem richtigen Weg sind. Die eingeführte Sprachstandserhebung und die Förderung bei den Kindergartenkindern zeigen, dass immer mehr Kinder mit Migrationshintergrund ohne Verzögerung in die Grundschule aufgenommen werden können. Besonders erfreulich ist der Trend zu höheren Abschlüssen bei den Kindern und Jugendlichen aus Spätaussiedlerfamilien und den Familien der jüdischen Zuwanderer.
Auch ein weiterer Vergleich zeigt die positive Entwicklung der Integrationsbemühungen im schulischen Bereich. Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes haben im Jahr 2006 38,2 % der ausländischen Schüler in Niedersachsen den Realschulabschluss absolviert; bundesweit waren es 30,8 %. Den Hauptschulabschluss legten in Niedersachen 27,7 % der ausländischen Schüler ab; bundesweit waren es 41,6 % - mehr Realschulabschlüsse und weniger Hauptschulabschlüsse als bundesweit. Auch bei der Fachhochschulreife liegt Niedersachsen 2006 vorn: 1,9 % zu 1,5 % bundesweit.
Sie sehen, die Landesregierung hat eine Vielzahl von Maßnahmen seit 2005 in Angriff genommen. Die positiven Wirkungen sind bereits heute sichtbar. Das wird sich bei der Auswertung der Migrationsdaten im Mikrozensus 2009 bestätigen; da bin ich sehr optimistisch.
Herr Präsident! Herr Minister, auch wenn es möglicherweise in dem „Handlungsprogramm Integration“ steht, wäre es mir ganz recht, wenn Sie hier einmal Folgendes erläutern würden - das mit dem Nachlesen ist ja immer so eine Sache; mir ist es lieber, dies wird hier auch einmal öffentlich bekannt gemacht -: Welche Sprachfördermöglichkeiten sieht die Landesregierung gerade für Kinder im Vorschulalter und insbesondere für Kinder im Übergangsbereich von Kindergärten und Grundschulen bzw. allgemeinbildenden Schulbereich vor?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerne erläutere ich Ihnen aus dem „Handlungsprogramm Integration“ welche Sprachfördermaßnahmen die Landesregierung ergriffen hat. Das Wichtigste war - darauf habe ich schon kurz hingewiesen -, dass wir im Jahr 2003 den Sprachstandstest mit fünf Jahren eingeführt haben. Daran wird deutlich, dass man dann, wenn die deutsche Sprache noch nicht so gesprochen wird, wie es notwendig ist, einen Anspruch auf Fördermaßnahmen hat. Hierbei haben wir leider Gottes festgestellt, dass nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund, sondern auch Einheimische Probleme haben. Von daher haben sie genauso Anspruch auf diese Fördermaßnahmen, damit sie sofort am Unterricht teilnehmen können, wenn sie in die Grundschule kommen. Insofern haben sie auch andere Möglichkeiten. Sie können nämlich nicht nur den Hauptschulabschluss erlangen, sondern können in Zukunft auch die Realschule und das Gymnasium besuchen. Dies ist ein ganz wichtiger Punkt.
Ein Großteil der Integrationsmittel wird für die Sprachförderung in den Schulen insgesamt eingesetzt, wenn die Kinder in den Schulen sind; denn auch dann besteht noch Nachholbedarf. Der Erlass „Integration und Förderung von Schülerinnen und Schülern nicht deutscher Herkunftssprache“ bietet verschiedene Möglichkeiten der Förderung.
lerinnen und Schüler gefördert, deren Deutschkenntnisse für eine Aufnahme in die Regelklasse noch nicht ausreichen.
Ferner haben wir noch schulformübergreifend Unterricht angeboten. Außer in Sprachlernklassen sind in der schulischen Sprachförderung weitere Maßnahmen vorgesehen.
Zudem sind besondere Förderungen möglich, z. B. durch Alphabetisierungsmaßnahmen, Parallelunterricht, durch deutsche und herkunftssprachliche Lehrkräfte sowie durch Hilfen zum Übergang vom Sekundarbereich I in den Sekundarbereich II.
Von den 66 Millionen Euro, die wir jährlich zur Verfügung stellen, sind weit mehr als 50 Millionen Euro für Fördermaßnahmen im Unterricht, also für die junge Generation, vorgesehen. Das ist wirklich gut angelegtes Geld.
In diesem Zusammenhang interessiert mich grundsätzlich Folgendes. Vor dem Hintergrund, dass derzeit auf Bund-Länder-Ebene im Rahmen der Wirkungsmessung von Integrationspolitik und erfolgreicher Integration über die Entwicklung von Integrationsindikatoren intensiv diskutiert und gesprochen wird, und in Anbetracht der Tatsache, dass das Kabinett 100 Integrationsindikatoren zu 14 Themenbereichen diskutiert, die evaluiert werden sollen, frage ich die Landesregierung: Wie bewertet sie den sogenannten Index zur Messung von Integration des Berlin-Instituts, IMI, der sich aus verschiedenen Indikatoren zur Erfolgsmessung der Integration zusammensetzt, beispielsweise Hausfrauenquote und Eheschließungen mit Deutschen? Hält die Landesregierung diesen Index für sinnvoll?
(Heinz Rolfes [CDU]: Das hat er aber zum Teil schon beantwortet! - Klaus- Peter Bachmann [SPD]: Er kann doch nicht nur vorbereitete Antworten able- sen! Es muss doch auch noch etwas anderes gefragt werden!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch darauf bin ich vorbereitet, auch mit Zetteln. Aber in der Regel, Herr Bachmann, brauche ich keine Zettel; das wissen Sie.
Es ist richtig, dass die Integrationspolitik bewertet wird. Dafür sind Indikatoren notwendig. Das Bundeskabinett, insbesondere die Bundesbeauftragte, hat ein Konzept mit über 100 Indikatoren vorgelegt; dies haben Sie richtig dargestellt.
Wir haben in der Integrationsministerkonferenz darüber gesprochen, ob es sinnvoll ist, etwas so breit angelegt zu untersuchen, oder ob es nicht sinnvoller wäre, uns auf einige wenige, aber ganz wichtige und markante Indikatoren zu konzentrieren. Wir werden auf der Integrationsministerkonferenz im Juni, die hier in Hannover stattfinden wird - da bin ich ganz optimistisch -, zwischen Bund und Ländern ein einheitliches Monitoringkonzept vorlegen. Das Land Niedersachsen hat schon viele Vorschläge dazu gemacht. Ich bin mir ganz sicher, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Es macht keinen Sinn, dass jedes Land unterschiedliche Indikatoren untersucht; denn dann würden wir kein einheitliches Bild erhalten. Zwischen Bund und Ländern muss das vernünftig abgestimmt sein.
In dem zweiten Teil Ihrer Frage haben Sie danach gefragt, wie ich die Indikatoren des Berlin-Instituts bewerte. Ich habe schon bei der Beantwortung der Frage 1 dargestellt, dass hier einiges nicht ganz plausibel ist. Es ist fraglich, ob die Hausfrauenquote tatsächlich für den Integrationsindex herangezogen werden kann. Es ist wahr, dass damit ein traditionelles Familienbild abgebildet wird.
- Ich muss ganz ehrlich sagen: Jede Studie im Bereich der Integration gibt uns Hinweise; das ist überhaupt keine Frage. Aber man muss sich schon kritisch mit der Frage auseinandersetzen, ob das, was man dort zusammengeschrieben hat, tatsächlich sinnvoll und weiterführend ist.
Wir haben uns das genauer angeschaut. Es ist nicht gerade sinnvoll, dass Bundesländer, nämlich Niedersachsen und Bremen, zusammengefasst worden sind. Wir können nicht genau erkennen,
welche Problemfelder in Niedersachsen bestehen. Bremen hat zum Teil ganz andere Problemstellungen als Niedersachsen als Flächenland.
In diesem Zusammenhang könnte ich Ihnen jetzt die ganzen Rangfolgen darstellen und aufzeigen, wo wir gut dastehen und wo wir schlechter dastehen. Dies bringt meiner Ansicht nach aber nichts. Es ist sinnvoller, im Juni auf der Integrationsministerkonferenz einen einheitlichen Index zu finden. Darauf aufbauend müssen wir dann in den nächsten Jahren prüfen, ob das Geld, das wir in die einzelnen Integrationsmaßnahmen stecken, tatsächlich gut angelegt ist. Wahrscheinlich müssen wir danach zum Teil umsteuern.
Wichtig ist, dass wir uns jetzt auf ein Schema einigen. Insofern nehme ich das, was in Berlin gemacht worden ist, als Hinweis; das ist ganz nett. Aber wichtiger ist, dass wir jetzt auf Bund-LänderEbene in dem Zusammenhang zu einer gemeinsamen Lösung kommen.