Zu Tagesordnungspunkt 31 wird empfohlen, den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit zu beauftragen. Wer das beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist auch so beschlossen.
Zweite Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchlässigkeit von Bachelorstudiengängen in Masterstudiengänge an Niedersachsens Hochschulen - Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/415 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 16/878 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/943
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf meiner Fraktion soll erreicht werden, dass alle Studierenden in Niedersachsen die Möglichkeit haben, ihre Hochschule mit einem Masterabschluss zu verlassen.
Der Gesetzentwurf ist damit eine erste präventive Reaktion auf eine Vielzahl von Alarmsignalen, die aus den Hochschulen und aus Studien an die Öffentlichkeit dringen. Die Einführung des zweistufigen Studiensystems mit den Abschlüssen Bache
lor und Master sollte das Studium flexibler machen und neue Bildungswege ermöglichen. Doch anstatt einen offenen Übergang vom Bachelor- in den konsekutiven Masterstudiengang zu gewährleisten, werden den Studierenden heute neue Bildungshürden in den Weg gestellt.
Unter dem Deckmantel des Bologna-Prozesses werden unzählige Verschlechterungen für die Studierenden durchgesetzt, die mit der Schaffung eines europäischen Hochschulraumes beim besten Willen nichts zu tun haben.
Inzwischen wird immer deutlicher, dass in wenigen Jahren ein Großteil der Studierenden nach nur sechs Semestern die Hochschule verlassen muss, weil sie den vorgegebenen Notenschnitt nicht erreichen oder weil es im Bereich der Masterstudiengänge an Kapazitäten mangeln wird. Auch Studiengebühren halten weitere Bachelorabsolventen vom Übergang in einen Masterstudiengang ab. Das ist eine Politik der elitären Abschottung.
Für Absolventen, die die Hochschule mit dem Bachelor verlassen, sind hiermit nach wie vor unklare Berufsperspektiven und absehbar deutliche tarifliche Einbußen verbunden. Darauf weist auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH hin. Außerdem meinten demnach zu Beginn der Reform 35 % der Studierenden, dass der Bachelorabschluss ohne Master zu Studierenden und Absolventen zweiter Klasse führt. Im Jahr 2007 waren es bereits 49 %. Inzwischen hören, sehen und lesen wir im Wochentakt, wie belastend die Realität von Bachelor und Master schon heute für viele Studierende ist.
„Prüfungsangst, Lernblockaden, Stressattacken - gerade ehrgeizige Studenten geraten durch den Bachelor unter Druck.“
Die linksliberale Wochenzeitung Jungle World titelte im Januar: „Burnout mit 21“. Ich zitiere aus dem Artikel:
„Der Zusammenbruch kam im zweiten Semester, nach einer verpatzten Klausur in Mathematik: Weinkrämpfe, Kraftlosigkeit, Schlafstörungen. Betti
na ist 21 und will Biologie- und Mathematiklehrerin am Gymnasium werden. Das kann sie nur, wenn ihre Bachelorabschlussnote nicht schlechter als 2,5 ist und sie einen der wenigen Masterplätze ergattert. Da ab der ersten Klausur alle Leistungen für den Abschluss zählen, ist die Anspannung von Beginn an hoch.“
Anschließend wird der Leiter der Psychosozialen Beratungsstelle der Universität und des Studentenwerks Oldenburg zitiert, der darauf hinweist, dass schon heute 20 bis 25 % der Studierenden unter psychischen Schwierigkeiten litten und die Nachfrage nach psychologischer Begleitung zunehme. Immer häufiger kämen Studenten schon am Anfang des Studiums in Beratungsstellen. So seien in Oldenburg ein Jahr nach der Einführung von Bachelor und Master zum ersten Mal die Erstsemester die am stärksten vertretene Gruppe bei den Neuanmeldungen gewesen. Sie kommen mit dem Stress und dem Leistungsdruck nicht zurecht. Das sind die Auswirkungen der Fast-Food-Kultur im Bildungswesen, für die Sie die Verantwortung tragen.
In der taz vom 2. Februar heißt es: „Studiert heißt nicht qualifiziert“. Damit verbunden war ein Interview mit der Aufforderung: „Macht bloß einen Master!“
Spiegel online überschreibt am 9. Februar einen Artikel mit „Wenn der Bachelor zur Sackgasse wird“. Darin wird auch behauptet, dass das Wissenschaftsministerium in Niedersachsen den Hochschulen als Planungsgröße für die Kapazitäten im Masterbereich eine Übergangsquote von 50 % vorgebe. Nur 50 %!
Am 14. Februar legte Spiegel online noch einmal nach und titelte: „Studium Bolognese. Bachelorstudenten verzweifeln am Leistungsdruck“.
An unseren Hochschulen gibt es die ersten Protestaktionen gegen diese Zustände. In Göttingen demonstrierten am 25. November 2008 vormittags 500 Studierende gegen Verschulung und Leistungsdruck und für ein selbstbestimmtes Studium. Als ich dort vor einigen Wochen zur Hochschulpoli
Ich darf einmal zitieren: Steckst auch du in der Bachelorpresse? Verschulung, oberflächliche Lehre, Anwesenheitspflicht, Leistungsdruck, FlexNow, Klausurenstress, soziale Selektion, Versagensangst, Burn-out.
Auch unser Gesetzentwurf ist selbstverständlich keine Patentlösung für die Vielzahl dieser genannten Probleme. Sicherlich ist auch der GEW zuzustimmen, die ein bundesweites Hochschulzulassungsgesetz ohne zusätzliche Hürden für das Masterstudium für dringend geboten hält. Dennoch kann und muss die Landespolitik von sich aus aktiv werden. Wir haben hier einen gleichermaßen innovativen wie auch pragmatischen Vorschlag gemacht
Bei den Beratungen hier im Plenum sowie im Ausschuss kam ich mir hingegen phasenweise wie ein irdischer Student unter vielen Außerirdischen vor. Deshalb will ich mit dem ersten Menschen auf dem Mond, Neil Armstrong, noch einmal unterstreichen: Diese Gesetzesinitiative ist nur ein kleiner Schritt für Hochschulen, aber ein großer Sprung für alle Studierenden.
Für die Linke bleibt auf der Tagesordnung: Wer den Bachelor erworben hat, muss auch einen Master machen dürfen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Linken bestätigt wieder einmal den Satz: Gut gemeint ist leider häufig nicht gut gemacht.
Natürlich ist die derzeitige Situation für die Studierenden an den niedersächsischen Hochschulen im Rahmen des Bologna-Prozesses nicht besonders positiv. Das ist in der Tat so, wenn ich nur an die Bestrebungen der Hochschulen denke, sich gegenseitig die Studienleistungen anzuerkennen, was bisher sehr schwierig ist. Versuchen Sie einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Student oder als Studentin von Osnabrück nach Göttingen zu wechseln und dort den Verwaltungsaufwand für die Anerkennung der Studienleistungen zu meistern. Das ist nicht einfach und mit Sicherheit auch nicht vergnügungssteuerpflichtig.
Auch das Argument, die Studierenden sollten sich durch die Zahlung der von Ihnen verlangten und eingeführten Studiengebühren an den Hochschulen als Kunden fühlen und eine schlechte Studiensituation nicht mehr hinnehmen, sondern dann wechseln, ist natürlich vor dem Hintergrund der beschriebenen Situation eine Farce.
Herr Perli, das eigentliche Problem der Bachelorstudierenden und -absolventen ist aber nicht eine Limitierung der Masterplätze, sondern vielmehr die Tatsache, dass das Bachelorstudium in der öffentlichen Wahrnehmung vielfach noch als Schmalspurstudium angesehen wird. Der Bachelor gilt bei vielen häufig als besseres Vordiplom oder als ein nicht vollwertiger Abschluss. In der Tat ist er jedoch ein vollwertiger Abschluss, und deshalb müssen wir in dieser Frage tatsächlich noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten, auch bei Ihnen, Herr Perli.