Protokoll der Sitzung vom 20.02.2009

Herr Kollege Riese, Sie mussten bei der Frage des Neoliberalismus in der letzten Plenarsitzung schon einmal ein Zitat aus dem Jahre 1932 hervorkramen.

(Jörg Bode [FDP]: 1939!)

- Im Protokoll steht: 1932. Dann hätten Sie besser aufpassen müssen. Sie mussten also ein Zitat aus dem Jahre 1932 hervorkramen. Dies macht deutlich, wie weit Sie zurückgehen müssen, um in der Geschichte liberaler Parteien vernünftige Zitate zu finden.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Das, was die FDP in den letzten Jahren fabriziert hat, bezeichne ich als geistige Urheberschaft für die derzeitige Finanzkrise.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - David McAllister [CDU]: Hof- fentlich wird Jüttner bald wieder ge- sund! Wir wollen Jüttner wiederhaben! - Ulf Thiele [CDU]: Sie haben eine fal- sche Begriffsdefinition!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie das mit Herrn Tanke noch weiter austragen wollen, dann gehen Sie doch bitte nach draußen in die Lobby. Dort können Sie das machen. Damit haben wir hier kein Problem.

Die nächste Rednerin ist Frau Meißner von der FDP. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Europäische Union ist eine absolute Erfolgsgeschichte, auf die wir stolz sein können. Wir sollten alles tun, um dies der Bevölkerung klar zu machen und bei ihr dafür zu werben, sich für Europa einzusetzen.

(Beifall bei der FDP)

Ich nehme an, dass wir uns darüber alle einig sind.

Aufgrund der Zusammenarbeit in der Europäischen Union, angefangen als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, leben wir in Frieden und haben erhebliche Verbesserungen für die Menschen erreicht. Ich denke hier an den Binnenmarkt, die Freizügigkeit von Arbeitnehmern. Inzwischen ist die EU längst keine reine Wirtschaftsgemeinschaft mehr, sondern eine Werte- und Kulturgemeinschaft. Natürlich müssen wir versuchen, dies noch weiter auszubauen.

In diesem Zusammenhang eine Bemerkung zum Vertrag von Lissabon, der hier verschiedentlich angesprochen wurde: Wir brauchen den Vertrag von Lissabon dringend, auch wenn es - Herr Tanke, da stimme ich Ihnen völlig zu - an ihm durchaus Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Wenn wir aber warten, bis jeder mit dem einverstanden ist, was in ihm steht, dann werden wir nie einen Vertrag bekommen. Er ist zugleich Voraussetzung für eine weitere Demokratisierung von Europa und eine weitere Beteiligung von Bürgern in Europa. Nicht zuletzt deswegen brauchen wir diesen Vertrag. Europa hat sich auch längst eine Grundrechtecharta gegeben, die aber noch nicht Gültigkeit hat, weil sie erst mit Inkrafttreten des LissabonVertrages ihre Rechtskraft erhält.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Haben Sie mir nicht zugehört?)

Sie haben versucht, unseren Antrag lächerlich zu machen. Frau Polat hat von „närrisch“ gesprochen. Ich weiß nicht, was daran närrisch ist, wenn Niedersachsen auf das stolz sind, was Niedersachsen darstellt, und möchten, dass ihr Land eine entsprechende Rolle im Europäischen Parlament spielt. Genau dafür ist dieser Antrag da.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Sie können mir glauben, dass ich schon lange eine überzeugte Europäerin bin. Ich bin aber auch gebürtige Niedersächsin und werde - das machen die anderen Abgeordneten im Europaparlament ebenfalls - dort auch die Region vertreten. Man vertritt ja nicht nur die eigene politische Gesinnung, sondern auch eine Region. Das ist gut so, und deswegen ist es auch richtig, dass wir auf Niedersachsen stolz sind.

In unserem Antrag ist beschrieben, welche Stärken Niedersachsen hat und wie Niedersachsen in Zukunft bei der Entwicklung Europas eine Rolle spielen kann, sei es als Forschungsstandort, sei es als Standort der maritimen Wirtschaft, einem Bereich,

in dem noch viel Entwicklungspotenzial steckt, und sei es als eine Region, die Verkehrsinfrastruktur bereithält, deren Bedeutung über ihre Grenzen hinausgeht. Wüssten dies alle Menschen in Niedersachsen, wäre die Wahlbeteiligung erheblich höher, und es würden sich noch viel mehr Menschen dafür starkmachen, Europa weiterzuentwickeln und zu unterstützen. Deswegen weiß ich wirklich nicht, was Sie an diesem Antrag verkehrt finden.

Vieles von dem, was in ihm steht, hat Walter Hirche vorgestern in seiner sehr bemerkenswerten Abschiedsrede schon benannt. Er hat gesagt, Niedersachsen sei ein Teil von Europa, aber auch ein Tor zur Welt, z. B. über die Häfen. Daher ist es richtig, dass wir den JadeWeserPort zügig in Angriff nehmen. Dieser Containerhafen wird zusammen mit Bremen und Hamburg ein wichtiger Standort sein. Da 90 % des Handels über die Häfen abgewickelt werden, müssen wir zusehen, dass wir im Norden möglichst die Nase vorn haben und nicht - dies wurde auch schon diskutiert; dem wurde von anderen Fraktionen auch zugestimmt - im Vergleich zu Mittelmeerhäfen, die natürlich ebenfalls entwickelt werden müssen, das Nachsehen haben. Gerade was die Schifffahrt angeht, haben wir in Niedersachsen sehr gute Voraussetzungen. Vom Weltwirtschaftsinstitut in Hamburg sind Prognosen angestellt worden, die besagen, dass der Bau von Spezialschiffen in den Jahren 2030 bis 2040 weltweit - - -

Frau Kollegin Meißner, entschuldigen Sie die Unterbrechung. Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Sohn?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. Da die Uhr weiterläuft, möchte ich meine Rede fortsetzen.

Wir bauen beispielsweise Spezialschiffe bei der Meyer-Werft in Papenburg.

(Heinz Rolfes [CDU]: Die sind gerade mit einem schönen Schiff auf dem Weg zur Nordsee!)

Da werden wir weiter die Nase vorne haben. Wir wollen, dass dies entsprechend gewürdigt und unterstützt wird.

Es ist gesagt worden, wir reduzierten Europa auf die Fördermittel, die wir erhielten. Das stimmt nicht. Trotzdem ist es natürlich richtig, dass man der Bevölkerung klar macht, dass Deutschland

zwar Nettozahler ist, aber auch viel Unterstützung aus Brüssel bekommt. Wir brauchen in bestimmten Bereichen auch weiterhin Unterstützung, damit wir in einem fairen Wettbewerb standhalten können. Dies wollen wir für unsere Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen erreichen. Deswegen ist es richtig, bekannt zu geben, wo wir bis jetzt über ESF, EFRE und ELER Unterstützung bekommen haben und wo wir sie auch weiterhin für uns einfordern. Dies unterstützen sicherlich alle niedersächsischen Abgeordneten, die jetzt und in Zukunft im Europäischen Parlament sitzen.

Als Letztes noch zum Thema soziales Europa. Es ist richtig, dass in unserem Antrag nicht sehr detailliert beschrieben wurde, wie wir es uns vorstellen. Es ist aber auf die Lissabon-Strategie hingewiesen worden, die das Ziel beschreibt, dass bis 2010 in Europa 70 % aller Menschen, 60 % der Frauen und 50 % der über 50-Jährigen Arbeit haben sollen. Dies haben wir noch nicht ganz erreicht. Daher müssen wir sehen, mit welchen Methoden wir dies am besten hinbekommen. Da ist unserer Meinung nach nicht der Mindestlohn der richtige Weg, da wir möglichst viele Menschen in Arbeit bringen wollen. Wir müssen ihnen auch die Möglichkeit bieten, freizügig zu entscheiden, wo und wie sie arbeiten wollen. Dabei brauchen sie auch einen entsprechenden Schutz. Dafür setzen wir uns ein. Dies steht in unserem Antrag.

Daher fordere ich Sie auf: Stimmen Sie diesem Antrag zu! Dann tun Sie etwas für Europa.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu einer Kurzintervention gebe ich jetzt Herrn Dr. Sohn das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Meißner, habe ich es eben richtig verstanden - wir können dies ja im Protokoll nachlesen -, dass Sie ausdrücklich angekündigt haben, dass man sich auch für den Ausbau der Mittelmeerhäfen einsetzen müsse? Sollte ich dies richtig gehört haben, was man nachprüfen kann, frage ich Sie, ob Sie das möglicherweise für eine Ihrer Aufgaben im Europäischen Parlament halten.

Frau Meißner, Sie haben Gelegenheit zu antworten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Sohn, es ist richtig, ich habe von den Mittelmeerhäfen gesprochen. Denn ich meine, wir dürfen nicht Protektionismus betreiben und dürfen nicht nur an Niedersachsen denken. Im Europäischen Parlament muss man generell an die Entwicklung Europas und an die Erfordernisse denken. Aber natürlich werde ich künftig als Europaabgeordnete aus dieser Region, wenn ich gewählt werde, darauf achten, dass niedersächsische Interessen vertreten werden. Da sind wir tatsächlich bei den Häfen im Verbund mit anderen nördlichen Ländern sehr gut aufgestellt. Das sollten wir auch weiter ausbauen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Heinz Rolfes [CDU]: Sehr gute Einstellung für eine Euro- pakandidatin!)

Meine Damen und Herren, nachdem auch dies geklärt ist, erteile ich Frau Ross-Luttmann das Wort. Frau Ministerin, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir in Deutschland seit Jahrzehnten in Frieden, Freiheit und Demokratie leben und in diesem Jahr auf 60 Jahre Grundgesetz zurückblicken können, haben wir auch der Einheit Europas zu verdanken. In allen Mitgliedstaaten gelten Werte wie Demokratie, Rechtstaatlichkeit sowie Grund- und Menschenrechte. Es gibt einen Europäischen Binnenmarkt und in 16 Mitgliedstaaten eine stabile gemeinsame Währung. Das Handeln der Europäischen Union hat heute Auswirkungen auf fast alle Lebensbereiche. Für die Bürgerinnen und Bürger ist eine Vielzahl von konkreten Vorteilen im Alltag unmittelbar spürbar.

Auch wir in Niedersachsen profitieren von der EU. Ich erinnere nur daran, dass Niedersachsen in der Förderperiode 2007 bis 2013 über 2,5 Milliarden Euro aus dem EU-Strukturfonds erhält. Diese Mittel leisten einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unserer Region. Deshalb begrüße ich den Antrag der Regierungsfraktionen, mit dem das Europäische Parlament u. a. gebeten werden soll, die bewährte Regional- und Strukturpolitik auch über 2013 hinaus fortzusetzen und Niedersachsen als Region mit einer

unglaublichen Vielfalt in Europa ins Bewusstsein der Mitglieder des Europäischen Parlaments zu rufen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen diese starke Gemeinschaft, um auch weiterhin gemeinsam Antworten auf Herausforderungen zu finden, die wir nur in einem sozialen Europa werden angehen können. Deshalb ist es auch wichtig, in Niedersachsen für Europa zu werben.

(Zustimmung bei der CDU)

Gleichzeitig gilt es aber auch, die eigene Identität zu bewahren, so wie es im Motto der Europäischen Union „In Vielfalt geeint“ zum Ausdruck kommt.

Meine Damen und Herren, bei dem Antrag der Fraktion DIE LINKE geht es darum, die Vorschläge der EU an die Mitgliedstaaten zu Bekämpfung von Armut zu beraten. Wenn wir über Chancengerechtigkeit sprechen, bedeutet dies für mich Chancengerechtigkeit für alle Generationen. Dies müssen wir sicherlich sehr differenziert betrachte. Ich bin froh, dass dieser wichtige Meilenstein, die Grundsicherung für Menschen im Alter herbeizuführen, erreicht worden ist. Für Jüngere geht es darum, die Chancengerechtigkeit von Anfang an herzustellen, d. h. konkret, über Bildungs- und Chancengerechtigkeit zu sprechen und eine gute Arbeitsmarktsituation zu fördern. Dafür, meine Damen und Herren, haben wir in Niedersachsen viel getan. Ich erinnere daran, dass allein im Haushalt über 6,5 Milliarden Euro für den Bildungsbereich zur Verfügung stehen. Wir haben das 100-Millionen-Euro-Programm Familie mit Zukunft aufgelegt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir setzen die Ergebnisse des Krippengipfels in Niedersachsen schnell, zügig und konsequent um, wir begleiten Jugendliche durch eine enge Kooperation von Jugendhilfe und Schule, und wir fördern die Integration in den Arbeitsmarkt - um nur einige wenige Beispiele zu benennen, was und wie viel wir tun, um Ihnen deutlich zu machen, wie sehr wir unserer Verantwortung gerecht werden.

Meine Damen und Herren, es ist doch selbstverständlich und wir alle müssen es außerordentlich begrüßen, dass Chancengerechtigkeit auf allen politischen Ebenen für Jung und Alt ein sehr hoher Stellenwert beigemessen wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe daher die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Ältestenrat schlägt ihnen zu Tagesordnungspunkt 30 vor, den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien zu beauftragen. Wer das so tun möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.