Protokoll der Sitzung vom 26.03.2009

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das gelingt uns natürlich nur und das können wir nur erreichen, wenn es in allen Bereichen des Arbeitsmarktes genügend Aufträge gibt und Unternehmen flexibel reagieren können. Daher kann ich Ihren Antrag, Herr Schimke, nicht nachvollziehen - zu viele negative Einwendungen und Bedenken.

(Ronald Schminke [SPD]: Ich heiße Schminke! Schminke wie Lippenstift! - Heiterkeit bei der SPD)

- Entschuldigung, danke.

Sie übertreiben jedes Mal. Es ist wie bei Schubladen, in denen auch die Schminke liegt. Sie passen einfach in die Schublade, in der sie sich befinden.

(Beifall bei der CDU)

Überregulierung ist das Wort, das Sie vertreten. Sie sehen - so kommt es zumindest mir vor - hinter jeder Ecke einen Schatten, und dann wollen Sie wieder etwas regulieren.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist doch vielmehr so, dass wir in Deutschland ca. 19 000 Zeitarbeitsbetriebe haben, die alle einen zusätzlichen IHKBeitrag zahlen, die zusätzlich Büroräume anmieten, die im Wirtschaftsleben stattfinden und die

auch alle fest angestellte Verwaltungsmitarbeiter beschäftigen.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Woher wissen Sie denn das?)

Diese Situation sollten wir nicht unter den Teppich kehren. Das sind 19 000 Betriebe, die am Bruttoinlandsprodukt teilhaben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Fakten: 60 % der Zeitarbeitnehmer waren vorher arbeitslos, 13 % waren länger als ein Jahr ohne Beschäftigung. Jeder Siebte findet über die Betriebe eine feste Anstellung im Kundenunternehmen. Jeder Zehnte ist sogar Berufsanfänger und kann auf diesem Weg Erfahrungen sammeln. Etwa 650 000 bis 700 000 Zeitarbeitnehmer sind in der Branche beschäftigt. Wenn Sie wie eben wieder maßlos übertrieben davon sprechen, dass für viele Beschäftigte dort nicht die Standards gelten, dann ist darauf hinzuweisen, dass diese 650 000 bis 700 000 Zeitarbeitnehmer nur ca. 2,5 % aller Erwerbstätigen sind.

(Marianne König [LINKE]: 2,5 % zu viel!)

Sie sprechen davon, dass das überall so sei. Das ist einfach übertrieben. - Sie von der Linken sind natürlich gegen alles. Das ist mir völlig klar.

Im Übrigen besteht bei den meisten Zeitarbeitnehmern Tarifbindung. Auch das wollen wir ganz klar sagen. Dann davon zu sprechen, dass Zeitarbeit reguläre Beschäftigung verdrängt, ist schon etwas weit hergeholt.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ma- chen doch die Betriebe! - Gerd Lud- wig Will [SPD]: In welcher Welt leben Sie denn?)

- Einen Moment, Herr Will! - Sicher, es gibt auch Unternehmen, in denen das Verhältnis zur regulären Stammbelegschaft nicht passt.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Aha!)

Das gefällt auch mir nicht, gar keine Frage. Aufgrund einiger weniger Unternehmen die gesamte Zeitarbeitsbranche hier herunterzurasieren und in ein schlechtes Licht zu rücken, passt mir aber genauso wenig.

Herr Kollege Höttcher, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Sohn?

Nein, jetzt nicht.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Schade!)

Was bitte wollen Sie den Haftentlassenen und beispielsweise gering Qualifizierten anbieten, um wieder im Erwerbsleben Tritt zu fassen, wenn Sie dieser Branche die Luft zum Atmen nehmen?

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das sind teilweise Facharbeiter!)

Wie bitte wollen Sie den Handwerksmeistern die Wiedereinführung des Synchronisationsverbotes erklären, womit der gesamten Branche schwerer Schaden zugefügt würde? - Dass sich das Auftragsvolumen genau mit den Kapazitäten im Betrieb deckt, ist doch eher die Ausnahme als die Regel.

(Beifall bei der CDU)

Die Wirtschaft muss auch weiterhin in der Lage sein, auf konjunkturelle Schwankungen zu reagieren. Dass in der jetzigen Lage die Zeitarbeitnehmer den Wirtschaftsabschwung als Erste zu spüren bekommen und von Entlassung bedroht sind, möchte ich gar nicht dementieren. Das ist ohne Zweifel die Kehrseite der Medaille.

Würde es die Zeitarbeit nicht geben, würden die Unternehmen an ihrer Stammbelegschaft kaputtgehen. Verbessert sich die Auftragslage wieder, werden Arbeitgeber zunächst auf Überstunden setzen, anschließend auf Zeitarbeit setzen und mit steigendem Vertrauen in den Aufschwung natürlich auch wieder feste Stellen besetzen. Je mehr wir uns mit steifen Gesetzen knebeln, desto unflexibler und ineffizienter können unsere Wirtschaftsunternehmen agieren.

Anstelle zusätzlicher Regulierung sollten wir lieber die entlassenen Arbeitnehmer weiterqualifizieren. So passiert es in meinem Wahlkreis. 102 Leute sind von Entlassungen bedroht. Das Zeitarbeitsunternehmen entlässt aber nicht, sondern qualifiziert sie weiter. Um dieser Gruppe die Möglichkeit zu geben, wieder Arbeit zu finden, ist das der richtige Weg. Daher begrüßen wir die Entscheidung der Bundesregierung, zusätzliche Zuschüsse aus dem Haushalt der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung zu stellen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention von anderthalb Minuten haben Sie, Herr Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE, das Wort.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Sie haben doch noch Redezeit! Das ver- stehe ich immer nicht!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe eine Frage, die eben abgelehnt wurde. Deswegen möchte ich Herrn Höttcher jetzt eine Frage stellen.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Die Fragestunde ist vorbei!)

Sie haben ja mit imposanten Zahlen deutlich gemacht, wie stark die Zahl der Zeitarbeitsverhältnisse gewachsen ist, und dann den bemerkenswerten Satz gesagt: Diese Arbeitsplätze verdrängen keine regulären Arbeitsverhältnisse.

Deshalb habe ich die Frage an Sie: Wer hat die Tätigkeiten, die jetzt Zeitarbeitskräfte ausüben, eigentlich vor zehn Jahren ausgeübt und in welchen Arbeitsverhältnissen?

(Zustimmung bei der LINKEN - Ernst- August Hoppenbrock [CDU]: Da gab es sie nicht!)

Wir wissen alle: Wir sind nicht in der Fragestunde. Aber Herr Höttcher hat die Möglichkeit, zu antworten. Bitte schön!

Danke, Frau Präsidentin. - Es ist eigentlich ganz einfach: Diese Arbeit wurde gar nicht ausgeführt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD und bei der LINKEN)

- Ja, das war so. Teilweise war es so.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Anhaltendes Lachen bei der SPD und bei der LINKEN - Reinhold Hilbers [CDU]: Was gibt es denn da zu lachen? - Ulf Thiele [CDU]: Das ist jetzt sozialistische Planwirtschaft! - Zuruf von der LINKEN: Realitätsver- leugnung! - Detlef Tanke [SPD]: Ge- hen Sie doch einmal in einen Betrieb! Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass auch Sie es verstehen! - Zuruf von der LINKEN: CDU in die Produktion! - Heiterkeit bei der LINKEN)

Soll ich die Sitzung für fünf Minuten unterbrechen, damit Sie sich weiter austauschen können? Ich finde das ja ganz spannend. Aber von der FDPFraktion liegt jetzt eine Wortmeldung vor. Ich erteile Frau König das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Höttcher hat schon richtig darauf hingewiesen: Zeitarbeit, nicht Leiharbeit heißt heute das Mittel der Beschäftigung in dieser Branche. Wir sollten nicht damit anfangen, schon hier eine Diskriminierung vorzunehmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Zeitarbeit hat sich als besonders gutes Mittel erwiesen, um Arbeitslose aus den unterschiedlichsten Bereichen zu beschäftigen.

(Marianne König [LINKE]: Das können sie auch normal machen!)

40 % sind gering qualifizierte Langzeitarbeitslose, 44 % waren bis zu einem Jahr ohne Beschäftigung, 15 % waren über ein Jahr ohne Beschäftigung, und 9 % hatten vorher überhaupt noch keine Beschäftigung.