Protokoll der Sitzung vom 12.05.2009

„Ohne Ihre Pflichterfüllung, ohne Ihre Einsatzbereitschaft und ohne Ihre professionelle Arbeit für unser Land und seine Menschen stände es schlecht um unser Gemeinwohl.“

(Beifall bei der CDU)

So hat der Ministerpräsident vor einigen Jahren zum Jahresbeginn den Landesbediensteten geschrieben.

Herr Ministerpräsident, wir teilen Ihre Einschätzung. Deshalb ist es auch unverzichtbar, dass das Land Niedersachsen seine Verantwortung und seine Fürsorgepflicht als Arbeitgeber gegenüber allen seinen Beschäftigten wahrnimmt.

(Beifall bei der SPD)

Die Vergütung der tariflich Beschäftigten ist nach intensiven Verhandlungen durch den aktuellen Tarifvertrag festgelegt. Für die Beamtinnen und Beamten sowie die Versorgungsempfänger haben wir heute eine gesetzliche Regelung durch den Niedersächsischen Landtag zu treffen.

Alle Beschäftigten des Landes Niedersachsen können sehr wohl nachvollziehen, dass es bei den unterschiedlichen Statusgruppen auch bei den vergütungs- und besoldungsrechtlichen Regelungen Grenzen bei der Herstellung der hundertprozentigen Deckungsgleichheit gibt. Bei der Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge

muss es aber gerecht zugehen. Das ist bei dem jetzigen Gesetzentwurf bedauerlicherweise nicht der Fall.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Leider hat die Landesregierung bei dem vorliegenden Gesetzentwurf zum wiederholten Mal nicht der Versuchung widerstehen können, mit spitzfindigen Begründungen die unterschiedlichen Statusgruppen gegeneinander auszuspielen. Es handele sich doch um eine zeit- und inhaltsgleiche Besoldungsanpassung, argumentiert die Landesregierung; denn eine im Tarifvertrag als Sockelbetrag vorgesehene Summe von 20 Euro diene lediglich dazu, eine wegfallende jährliche Leistungszulage wieder auszugleichen. Daher sei es korrekt, diese den Beamten vorzuenthalten.

Diese nur kurzzeitige Betrachtung versucht davon abzulenken, dass die leistungsorientierte Bezahlung schon bei ihrer seinerzeitigen Einführung nicht für die Beamten und Versorgungsempfänger übernommen worden ist und von daher schon seit dieser Zeit eine Schlechterstellung gegenüber den Tarifbeschäftigten besteht.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Dass die von Ihnen gewählte Interpretation nicht stichhaltig ist, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass viele andere Bundesländer wie z. B. das Saarland, Sachsen-Anhalt, Bayern, Baden-Württemberg

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Oh!)

und Schleswig-Holstein zu einer anderen Vorgehensweise kommen und das Ergebnis des Tarifvertrags ohne Abzug auf die Beamten und Versorgungsempfänger übertragen.

(Zustimmung bei der SPD)

Wie Sie unter diesen Voraussetzungen den Wettbewerb um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen wollen, bleibt eine spannende Frage.

(Norbert Böhlke [CDU]: Wir sind bo- denständig!)

In Niedersachsen haben wir darüber hinaus noch eine besondere Historie, die es beim Vergleich mit den anderen Bundesländern auch zu berücksichtigen gilt.

Zu den althergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört seit eh und je der Anspruch

auf eine angemessene Alimentierung. In dem vorliegenden Gesetzestext und der dazugehörigen Begründung kann man leider nicht erkennen, dass eine Prüfung stattgefunden hat, ob dieser Anspruch mit der jetzt vorgeschlagenen Regelung auch erfüllt wird.

Ein Blick in die beigefügte Finanzierungsübersicht zeigt uns aber den wahren Grund für diesen Umfang der Besoldungsanpassung. Die Finanzierung der Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge wird vollständig durch einen gerade jetzt ermittelten Haushaltsrest aus dem Jahr 2008 gedeckt. Es geht Ihnen also nicht um einen gerechten Umgang mit allen Beschäftigten des Landes Niedersachsen. Sie planen in diesem Fall wieder einmal eine Besoldungsanpassung nach Kassenanlage.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren, das Verwaltungsgericht Braunschweig hat in einem Beschluss vom letzten Jahr, in dem das Bundesverfassungsgericht aufgefordert worden ist, die Rechtmäßigkeit der niedersächsischen Alimentierung zu prüfen, u. a. festgestellt - ich darf zitieren -:

„Denn die vom Dienstherrn geschuldete Alimentierung ist keine dem Umfang nach beliebig variable Größe, die sich einfach nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand, nach politischen Dringlichkeitsbewertungen oder nach dem Umfang der Bemühungen um die Verwirklichung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips bemessen lässt. Die Alimentation des Beamten und seiner Familie ist etwas anderes als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und/oder eines sozialen Standards für alle. Sie findet ihren Rechtsgrund nicht im Sozialstaatsprinzip, sondern in Artikel 33 Abs. 5 GG …“

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, eine Besoldungsanpassung nach Haushaltslage, wie Sie sie heute wieder verabschieden wollen, wird diesem dort niedergelegten Anspruch eben nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD)

Wir alle setzen großes Vertrauen in die Arbeit der Beamtinnen und Beamten sowie der tariflich Be

schäftigten im Landesdienst. Die Landesmitarbeiter müssen aber auch uns vertrauen können. Es wäre zumindest ein Signal in die richtige Richtung gewesen, hier und heute die ungekürzte Übertragung des Tarifabschlusses auf die Beamten zu beschließen, wohl wissend, dass damit noch längst nicht alle Fragen der angemessenen Alimentation gelöst sind; ich erinnere nur an das Thema Sonderzahlung.

Auch wenn wir die finanzielle Transaktion im Hinblick auf die Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln für die Seuchenbekämpfung durchaus unterstützen, können wir aus den genannten anderen Gründen dem Gesetzentwurf heute so nicht zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN)

Zu einer Kurzintervention auf den Beitrag von Frau Geuter hat sich Herr Adasch von der CDU-Fraktion gemeldet. Bitte schön, Herr Adasch!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Geuter, ich möchte auf zwei Punkte eingehen.

Erster Punkt: Sie haben in Ihrer Rede viel von Gleichbehandlung und Gerechtigkeit gesprochen. Ich darf daran erinnern, dass in Ihrer Regierungszeit unter Ministerpräsident Schröder die Wochenarbeitszeit der Beamten im Handstreich deutlich erhöht wurde. Das war genau das Gegenteil dessen, was Sie hier eben eingefordert haben.

(Johanne Modder [SPD]: Und was ist mit dem Weihnachtsgeld und dem Ur- laubsgeld? Wer war das denn?)

Zweiter Punkt: Sie haben von Besoldungsanpassung nach Haushaltslage gesprochen. Als haushaltspolitische Sprecherin wissen Sie doch ganz genau, dass wir mit dieser Übernahme deutlich über den im Haushalt veranschlagten Mitteln liegen, sowohl für dieses Haushaltsjahr als auch für das nächste Haushaltsjahr.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sehe, dass Frau Geuter nicht antworten möchte. - Der nächste Redner ist Herr Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Herr Dr. Sohn!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Mittagspause habe ich, wie eine Reihe anderer Kolleginnen und Kollegen, die Zeit genutzt - ich kann Ihnen empfehlen, dies vielleicht nach der Sitzung nachzuholen; das geht nämlich insgesamt 24 Stunden lang -, um die Kolleginnen und Kollegen Beamten zu besuchen, die unweit von hier fordern, dass ihnen die Solidarität der Landesregierung genauso zuteil wird, wie ihnen hier in vielen Worten der Dank abgestattet worden ist. Die Gewerkschaft der Polizei, die ver.di-Fachgruppe Feuerwehr und die GEW haben gemeinsam einen 24-Stunden-Stand mit der schlichten Forderung errichtet - dieser Forderung gilt unsere volle Solidarität -: Wir wollen die volle Übertragung des Tarifergebnisses im öffentlichen Dienst auf die Beamtenschaft unseres Landes und keine um 20 Euro verminderte Übertragung dieses Tarifergebnisses!

(Beifall bei der LINKEN - Bernhard Busemann [CDU]: Wie steht denn die Arbeiterklasse zu dieser Forderung?)

Dieser Forderung schließen wir uns an. Es geht tatsächlich um diese 20 Euro, nicht mehr und nicht weniger. Es geht um die Übertragung dieser 20 Euro auch auf die Beamten, die Sie hier so enthusiastisch umarmt haben.

Von Herrn Möllring kennen wir ja eine gewisse Linie der Ignoranz gegenüber den DGB-Gewerkschaften. Aber vielleicht hören Sie einmal auf die Gewerkschaften und auf den Beamtenbund, die Ihnen in dieser Frage näherstehen. Ich zitiere aus den Anmerkungen des Landesvorsitzenden der Deutschen Steuer-Gewerkschaft Dr. Eichenauer zu diesen 20 Euro - hören Sie sich das an! -:

„Für viele Kolleginnen und Kollegen des mittleren Dienstes, die einen großen Teil der Einnahmeverwaltung stellen, würde die Übernahme des Tarifergebnisses eine Gehaltssteigerung um einen weiteren Prozentpunkt bedeuten.“

Er führt dann weiter aus:

„Gleich hohe Einmalzahlungen und Sockelbeträge sind soziale Komponenten der Gehälter. Ein zusätzlicher

Sockelbetrag von 20 Euro ist für die Bezieher kleiner Einkommen eine wesentliche Gehaltsverbesserung, auch wenn sich die Bezieher hoher Einkommen das nicht vorstellen können.“

So die Deutsche Steuer-Gewerkschaft, keine DGB-Gewerkschaft!

(Beifall bei der LINKEN)

Aber, meine Damen und Herren, es geht nicht nur um Geld. Auf Ihrer Seite gab es ja die Kalkulation, es gibt die üblichen Proteste, und dann flaut das wieder ab. Aber da haben Sie sich ja geschnitten. Sie haben sich bei den Lehrern und bei anderen geschnitten. Jetzt schneiden Sie sich auch bei Polizeibeamten, bei Steuerbeamten, also bei Ihrer Kernklientel.