- Denken Sie z. B. an alleinstehende Beschäftigte. Für diese bedeutet Ihr ÖBS möglicherweise eine Situation, aus der sie gar nicht herauskommen wollen. Sie würden sich dementsprechend gar nicht mehr um andere Arbeitsplätze bemühen. Wenn Sie einen Familienvater betrachten, wäre allerdings zu sagen, dass er sich sogar schlechter stehen würde. Er würde mit Sicherheit nicht in solch eine Maßnahme hineingepresst werden können. In Berlin wird dieses Modell im Moment erprobt; es ist allerdings noch nicht einmal evaluiert. Die Situation in einer Großstadt wie Berlin lässt sich mit unserer Situation, was die Arbeitslosenzahlen angeht, überhaupt nicht vergleichen. Berlin hat eine fast doppelt so hohe Arbeitslosenquote wie Niedersachsen. Deshalb ist es bei diesem Vergleich so, als würde man Schnupfen und Lungenentzündung vergleichen.
- Das ist auch ein ganz interessanter Vergleich. Wunderbar! - Familienväter würden also wesentlich schlechtergestellt und von Ihnen von vornherein ausgeschlossen.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist bewiesenermaßen die Konkurrenz mit der freien Wirtschaft. Dies hat in Berlin sogar schon zu einigen Prozessen geführt. Es ist nämlich zu erwarten, dass sozialversicherte Beschäftigungsverhältnisse von den öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnissen verdrängt werden. Das passiert auch in Sportverei
nen. So wird z. B. ein Gartenbauer nicht mehr beschäftigt werden, weil man einen Nonprofitmitarbeiter hat. Bei Malerarbeiten wird ein Maler nicht mehr beschäftigt werden, weil ein Nonprofitmitarbeiter beschäftigt wird. Einem solchen Mitarbeiter wird natürlich ein ganz anderer Lohn gezahlt als dem Mitarbeiter einer Handwerksfirma, den Sie niemals unter 28 Euro Lohn pro Stunde bekommen würden. Ein Facharbeiter würde sogar zwischen 40 und 60 Euro verdienen, wenn eine Firma Ihnen die Lohnkosten in Rechnung stellen würde. Was würde ein Sportverein Ihrer Meinung nach in einer solchen Situation denn tun? Er würde natürlich auf seine Mitarbeiter zurückgreifen. Somit würden andere Firmen keine Aufträge mehr bekommen. Dort fallen also andere Arbeitsplätze wiederum weg. Das kann doch nicht im Sinne des Erfinders sein.
Die Einführung, Umsetzung und Überprüfung solcher Arbeitsverhältnisse würde einiges an Geld verschlingen. Diese Arbeitsverhältnisse fallen ja nicht gewissermaßen vom Himmel. Sie müssten erst einmal eine Einrichtung haben, die sie einführt und dann die Umsetzung übernimmt. Das Geld dafür fehlt Ihnen dann wieder bei der Fort- und Weiterbildung und bei Maßnahmen für den Übergang in den ersten Arbeitsmarkt. Sie würden diese Gelder im Prinzip von vornherein für andere Zwecke verwenden. Wir lehnen Ihren Antrag deshalb in Bausch und Bogen ab. Er ist überhaupt nicht dazu geeignet, Beschäftigte in den zweiten Arbeitsmarkt und erst recht nicht vom zweiten Arbeitsmarkt in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen.
Frau Weisser-Roelle hat sich zu dem Beitrag von Frau König zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie hat für anderthalb Minuten das Wort. Bitte!
Er ist wie viele Ihrer Beiträge zynisch und auch menschenverachtend. Sie sprechen nur davon, was alles nicht geht. Sie machen keinen einzigen Vorschlag, wie Sie Menschen, die nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind - - -
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN - Gabriela König [FDP]: In der Aktuel- len Stunde habe ich Ihnen mehr von diesen Projekten erzählt!)
Danke schön. - Frau König, ich kann in den anderthalb Minuten gar nicht auf alle Ihre Punkte eingehen. Einen Punkt möchte ich aber noch herausgreifen. Sie haben gefragt: Wie wollen Sie alle Menschen in Arbeit bringen? - Natürlich kann man mit diesem Ansatz nicht alle arbeitslosen Menschen sofort in Arbeit bringen. Ihr Umkehrschluss ist aber: Dann versuchen wir es erst bei gar keinem und lassen alles so, wie es ist. - Das ist aber nicht richtig.
Man muss deshalb differenzierte Ansätze wählen. Wir haben nie gesagt, dass mit dem vorliegenden Antrag alle Probleme gelöst werden können. Der Antrag zeigt aber einen Weg in die richtige Richtung auf. Ich hätte mir gewünscht, dass in den Ausschüssen von Ihnen zumindest ansatzweise Alternativen aufgezeigt worden wären und nicht immer nur zu hören gewesen wäre: Das machen wir nicht, das geht nicht, das wollen wir nicht. - Sie hätten deutlich machen können, dass auch Sie Wege suchen, um für Menschen Arbeit zu finden. Sie wollen das aber gar nicht.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Linken möchten mit ihrem Antrag zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit 5 000 Langzeitarbeitslose aus dem abgehängten Prekariat im Nonprofitsektor zu Mindestlohnbedingungen langfristig und sozialversicherungspflichtig beschäftigen.
- Danke für die Zustimmung. Dann habe ich es ja korrekt zusammengefasst. - Das klingt zunächst einmal interessant. Es ist aber zu fragen, ob es den Betroffenen nutzt und ob die Beitrags- und Steuerzahler dadurch belastet werden.
In der ersten Beratung und im Ausschuss haben wir wirklich ernsthaft versucht, Ihrem Antrag etwas abzugewinnen. Da war aber nichts. Sie konnten nicht darlegen, warum Sie den Kreis auf 5 000 bzw. perspektivisch auf 7 800 Menschen beschränken. Warum beziehen Sie sich nicht auf 100 000 Arbeitslose oder auf alle Arbeitslosen? Wenn Sie glauben, dass das Konzept funktioniert, könnten Sie eine entsprechende Forderung aufstellen. Auf eine rein ideologische Spielwiese werden wir uns mit Ihnen hier in Niedersachsen aber nicht begeben.
Weiterhin frage ich Sie, nach welchen Kriterien Sie die 5 000 Personen, deren Zahl Sie ja willkürlich festsetzen, auswählen wollen. Sie müssen doch sehen, dass ein 22-jähriger Arbeitsloser anders als ein 56-jähriger Arbeitsloser zu behandeln ist. Wen wollen Sie denn mit dem Stempel brandmarken, dass er keine Integrationschance hat? So steht es ja in Ihrem Antrag; lesen Sie es bitte nach. Wen wollen Sie damit brandmarken und somit auf ewig abstempeln?
Drittens. Warum wollen Sie eine kleine Gruppe in die Dauerillusion bringen, sie habe eine richtige Beschäftigung und brauche sich nicht mehr um Arbeit zu bemühen und auch nicht mehr weiter zu qualifizieren?
Viertens. Sie möchten unbefristet Beschäftigung in diesem Beschäftigungssektor, vielleicht sogar von der Schulbank bis zur Rente. Wo ist denn da die Perspektive für die Menschen?
Fünftens. Wie soll die Integration in den Arbeitsmarkt mit Ihrem Modell erleichtert werden? Ist das überhaupt Ihre Absicht?
Sechstens die Gesamtfinanzierung. Sie sagen: Umschichtung aus Hartz-IV-Geldern und auch Beitrags- und Steuererhöhungen - woher auch immer.
Ich möchte Ihnen sagen - das ist auch schon in der ersten Debatte thematisiert worden -: Umschichten können Sie vielleicht vom Topf A in den Topf B.
Bei den Menschen kommt es aber anders an. Der Single, der jetzt Hartz IV und dann 1 400 Euro bekommt, verbessert sich ganz erheblich. Aber auch der Familienvater - Frau König hat es gesagt -, der drei Kinder zu ernähren hat, bekommt jetzt aus Hartz IV doch deutlich mehr als 1 400 Euro. Den stellen Sie schlechter. Das ist offensichtlich nicht durchdacht.
Auch heute sind Sie die Antworten auf diese entscheidenden Fragen auch mit noch so vielen Kurzinterventionen und Zwischenfragen schuldig geblieben. Ihre Ideenskizze leistet keinen Beitrag zur Integration von Arbeitslosen in den regulären Arbeitsmarkt. Im Gegenteil, die Erfahrungen mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen haben gezeigt, dass Arbeitslosigkeit meist nicht nur nicht verringert, sondern sogar verfestigt wird. Statt weniger gibt es am Ende mehr Arbeitslose, wenn Anreize zur Arbeitsaufnahme verringert und Menschen vom ersten Arbeitsmarkt weggeführt werden.
Sie selbst sehen in Ihrem Antrag die Gefahr der Verdrängung regulärer Arbeitsplätze durch geförderte Beschäftigung. Dies können Sie niemals wirksam ausschließen. Die Beispiele von Frau König können Ihnen das an vielen Stellen aufzeigen. Genauso sicher ist der Arbeitsplatzverlust als Folgewirkung der unvermeidbaren Erhöhung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Arbeitslosenversicherung. Sie sind nicht im Thema, meine Damen und Herren, und bringen hier die Anträge Ihrer Kollegen aus Berlin ein, ohne sie wirklich vertreten zu können.
Meine Damen und Herren, lassen wir doch den Praxistest Ihrer Ideologie in der Stadt Berlin durchführen. Dann erledigt sich dieses Thema von ganz allein. Wir sehen Ihr Modell als das, was es wirklich ist: ein Irrweg in das letzte Jahrhundert zurück zu ABM.
Wir ringen in diesem Hause seit Jahren um den besten Weg zur Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit. Bei aller Unterschiedlichkeit sind wir uns doch in einem einig: Es braucht sehr differenzierte Lösungen für einzelne Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt. Sie müssen einfach nach Alter differenzieren. Der 22-jährige Schulabbrecher hat ganz andere Anforderungen und ganz andere Bedürfnisse als der 56-jährige langjährige Arbeitnehmer,
Sie müssen weiterhin die Störung des ersten Arbeitsmarktes durch Kollision dieses Beschäftigungssektors mit dem ersten Arbeitsmarkt weitestgehend vermeiden.
Ferner brauchen Sie eine Prüfung der Mitwirkung des Arbeitslosen. Sie müssen dort Anreize setzen. All das führt uns in der Debatte bisher immer dazu: Wir brauchen eine Feinsteuerung vor Ort, auf keinen Fall aber eine ideologische Generallösung.