Protokoll der Sitzung vom 16.06.2009

(Beifall bei der SPD - Unruhe)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Konzentrationsfähigkeit ist auf der rechten Seite dieses Hauses spürbar geringer ausgeprägt als auf der linken Seite. Ich bitte Sie um etwas mehr Aufmerksamkeit.

(Lachen bei der SPD und bei der LINKEN - David McAllister [CDU]: Das liegt an den Reden!)

Herr Minister Stratmann, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich durchaus verstehen kann, dass auf der rechten Seite etwas Unruhe herrscht; denn es ist schwer erträglich, sich einen solchen Unsinn anzuhören.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Richtig, da haben wir die Begründung!)

Ich erinnere an die Vorgeschichte und schaue intensiv in die Gesichter einiger Kollegen, die mich in den letzten sechs Monaten, ich weiß nicht wie häufig, zur Seite genommen und die appelliert haben, das ganze Thema doch in aller Vernunft und Sachlichkeit im Sinne der Hochschulen nach vorne zu bringen. Zumindest von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte ich erwartet, dass Sie den Gesetzentwurf so sorgfältig lesen, dass Sie hier nicht die Unwahrheiten verbreiten, die Sie gerade verbreitet haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, ich kann mir lebhaft ausmalen, welche Häme über uns ausgeschüttet worden wäre, wenn wir eine so bemerkenswerte Selbstkritik die Entstehung der Fachhochschule betreffend hier ausgebreitet hätten, wie es die Kollegin Andretta getan hat.

(Norbert Böhlke [CDU]: Sehr richtig!)

Wir wären mit Häme überschüttet worden. Liebe Frau Andretta, wir sagen Ihnen: Jeder macht einmal Fehler. Sie haben Fehler gemacht, wir sicherlich auch. Wir werden auch noch Fehler machen; das gehört zur Politik dazu. Aber der Mut, Fehler zu machen und sie später auch einzugestehen, gehört schlicht und einfach dazu, wenn Sie reformerisch tätig sein wollen, sonst können Sie in dieser Republik nichts voranbringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn man dann irgendwann feststellt, dass das damals ein Fehler war, kann man nicht behaupten, das sei alles mein Verschulden. Der Kollege Oppermann hat damals eine Formel konstruiert, die im Ergebnis dazu geführt hat, dass diese drei Hochschulen in der Tat nicht überlebensfähig gewesen wären. Ihre Logik hätte weitergedacht bedeutet, dass Sie heute hätten sagen müssen: Dann hätte der Kollege Oppermann auch die finanziellen Rahmenbedingungen dafür schaffen müssen, dass diese drei Fachhochschulen trotz dieser Formel hätten überleben können. - Das hat er aber nicht getan. Wenn Sie ständig mit Forderungen kommen, man könne das alles mit mehr Geld organisieren, dann ist das in diesem Zusammenhang - etwas zurückhaltend ausgedrückt - ausgesprochen unglaubwürdig.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Jetzt zur Strukturkommission, bei der ich mich zunächst einmal herzlich bedanken möchte. Das waren ja nicht irgendwelche Leute, die sich bereitgefunden haben, viel Arbeit auf sich zu nehmen. Herr KIockner hat beispielsweise 20 Jahre die Fachhochschule in Wiesbaden geleitet, war Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz und im Wissenschaftsrat. Die anderen Kollegen hatten ähnliche Erfahrung.

Diese Strukturkommission hat uns gesagt: Den Weg der Defusion - der hier von niemandem als falsch dargestellt wird - kann man gehen, man muss ihn aber nicht gehen. Wir schlagen ihn den

noch vor, weil sich damit unter Umständen auch ein Kooperationsmodell verbindet.

Wir müssen heutzutage die Frage miteinander diskutieren, wie es sich denn mit Universitäten einerseits und Fachhochschulen andererseits verhält und wie wir es schaffen, beispielsweise talentierten Fachhochschulabsolventen das Promotionsrecht zu eröffnen oder Studiengänge aufeinander abzustimmen und zu synchronisieren. Hier bin ich gerade von der SPD enttäuscht. Das, was Sie im Ergebnis vorhaben, ist nicht mehr und nicht weniger als die schlichte Rückabwicklung der alten Fusion, weil sie falsch war. Sie haben nicht im Ansatz darüber hinaus irgendeine innovative Lösung dafür abgeliefert, wie wir das Problem, das gerade von mir beschrieben worden ist und das mittlerweile jeder in der Wissenschaftsszene diskutiert, lösen können. Sie verfahren wieder einmal nach der Devise: Wasch mir den Pelz und mach mich nicht nass; ich fordere nur das, wofür ich keine Kritik bekomme, und tue nur das, was auf das Wohlwollen all derjenigen trifft, die Sorgen haben, dass sie bei Reformen unter Umständen mit mehr Arbeit konfrontiert werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, so einfach geht das nicht.

Jetzt noch einmal zu den rechtlichen Problemen. Herr Präsident, es tut mir leid, aber es ist mir sehr wichtig, dass ich das hier darstelle, gerade weil Sie damit vor den Staatsgerichtshof marschieren wollen. Sie haben im Grunde drei Kritikpunkte angeführt.

Der erste Kritikpunkt betrifft den Artikel 68 unserer Landesverfassung. Sie sagen, es sei nichts über die haushaltsrechtlichen Auswirkungen ausgeführt. Wenn Sie die Kommentierung zu Artikel 68 lesen, werden Sie feststellen, dass in der Kommentierung steht, dass es reicht, wenn ich in den Debatten, die im Ausschuss geführt werden, oder in der Begründung dazu Ausführungen mache, um die Vorgaben des Artikel 68 zu erfüllen. Das ist hier geschehen, und zwar umfangreichst. An dieser Stelle kann es keine Probleme geben.

Zur Frage des umstrittenen Lenkungsausschusses. Bei dieser Gelegenheit will ich auch Folgendes erwähnen, das dürfte Sie interessieren: Wenn wir 2003 bei den Stiftungshochschulen nicht nachgebessert hätten, dann wären diese Stiftungshochschulen bei rechtlicher Überprüfung gescheitert. Heute noch sind Rechtsstreitigkeiten das Stif

tungsmodell betreffend anhängig, liebe Frau Dr. Andretta. Wir haben aber gesagt: Wir halten die Stiftungsmodelle vom Prinzip her für richtig und werden deshalb nicht in die Klagen der Kläger mit eintreten, sondern abwarten, was die Gerichte dazu sagen. Ich erwähne das nur. Tun Sie doch bitte nicht so, als hätten Sie dort in jeder Beziehung eine weiße Weste. Auch Thomas Oppermann wusste: Wenn ich Reformen will, dann muss ich an der einen oder anderen Stelle ein rechtliches Risiko eingehen. - Er hat das getan, und es ist richtig, dass er es getan hat.

(Unruhe)

Herr Minister, bitte warten Sie einen Augenblick. - Ich kann dem Kollegen Schwarz nur zustimmen: Egal, wer da redet, rechts ist die Konzentration geringer. Also hören Sie doch bitte dem Minister zu.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das liegt nicht an dem, der da redet!)

Der Lenkungsausschuss hat nach dem Gesetzentwurf, liebe Frau Dr. Andretta und Frau Dr. Heinen-Kljajić, nicht die Aufgabe, die Entwicklungsplanung zu beschließen, wie von Ihnen behauptet. Der Lenkungsausschuss hat die Aufgabe, die Felder, in denen sich eine gemeinsame Entwicklungsplanung anbietet, zu bestimmen. Die Entscheidung über die Entwicklungsplanung treffen die Gremien, die dafür auch an anderen Hochschulen nach dem Hochschulgesetz bestimmt sind, d. h. dort kann es aus unserer Sicht gar kein verfassungsrechtliches Problem geben. Insoweit auch da bitte etwas genauer hinschauen!

Dann gibt der Entwicklungsausschuss bei Berufungen die Stellen frei.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Meinen Sie den Lenkungsausschuss?)

Meine Damen und Herren, die Freigabe der Stellen war bisher eine Aufgabe des Ministeriums, des Ministers. Diese Aufgabe delegieren wir jetzt auf die Ebene des Entwicklungsausschusses,

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Len- kungsausschuss!)

sodass sie vor Ort erledigt wird. Das ist eine Stärkung der Autonomie und keine Schwächung! Dabei kommt genau das Gegenteil heraus.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte nun noch eine Bemerkung zum Thema „Amtszeit des Gründungspräsidenten“ machen. Das hat überhaupt nichts mit irgendwelchem Machtgehabe, mit Ignoranz oder was weiß ich zu tun, sondern - meine Damen und Herren, ich bitte Sie, darüber wirklich noch einmal nachzudenken - das hat etwas mit der Kenntnisnahme der Realität zu tun. Sie werden keine geeignete Persönlichkeit finden, wenn Sie sagen: Nach zwei oder drei Jahren ist das Spiel unter Umständen schon wieder vorbei. - Wenn Sie geeignete Persönlichkeiten für eine so wichtige Aufgabe finden wollen, dann müssten Sie mindestens einen solchen Zeitraum festlegen.

Die ehemalige Präsidentin der Fachhochschule Emden, Frau Friedrichs, ist Gründungspräsidentin in Nordrhein-Westfalen geworden. Jetzt raten Sie einmal, wie lang der Zeitraum der Gründungspräsidentschaft von Frau Friedrichs festgelegt worden ist. Ich denke, das Rätsel ist nicht besonders schwer: Es sind sechs Jahre. Man erkennt also auch in anderen Ländern, dass es hier darum geht, die Besten für solche Aufgaben zu finden.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das war eine neu gegründete Hochschule!)

Übrigens, liebe Frau Heinen-Kljajić, auch das finde ich ganz putzig: Sie erklären sich hier ständig zur Hohepriesterin der Autonomie.

(Unruhe)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, hören Sie bitte gut zu!

Dieser Tage ist mir ein Buch von Professor Schneidewind zugeleitet worden, dem ehemaligen Präsidenten der Universität Oldenburg. Ich hatte noch keine Gelegenheit, das Buch in Gänze zu lesen. Aber ein Drittel habe ich in etwa gelesen. Darin geht es um Nachhaltigkeit. Sie wissen, dass Schneidewind auch unsere Regierungskommission leitet. Siehe da, auf einigen Seiten fand ich auch selbstkritische Worte eines ehemaligen niedersächsischen Hochschulpräsidenten zur Autonomie mit dem Fazit, dass Autonomie im übertriebenen Sinne, sozusagen der Rückzug der Politik in Gänze, auch durchaus schädlich sein könne. Nun kommt das Spannende: Im Vorwort bedankt er

sich für die Mitarbeit verschiedener Persönlichkeiten, u. a. bei Frau Heinen-Kljajić.

(Aha! bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Was wollen Sie damit sa- gen? Er schätzt Frau Heinen-Kljajić!)

Ich weiß zwar nicht, in welcher Form Sie mitgearbeitet haben, aber ich finde, liebe Frau HeinenKljajić, hier die Autonomie als Obersatz über allem zu konstruieren - - - Keine Landesregierung bisher hat die Autonomie so hochgehalten wie wir. Aber ich musste auch zugeben und anerkennen, dass es an bestimmen Stellen wohl auch noch der Lenkung durch die Politik bedarf. Wir finanzieren diese Hochschulen zu 95 %. Daraus leiten sich auch gewisse Rechte ab. Wenn ich schon einmal bei diesem Thema bin: Ich erinnere mich sehr gut an eine Debatte, die wir hier vor einem halben Jahr zum Thema NTH geführt haben. Sie erinnern sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie polemisch dieses Thema damals diskutiert worden ist.

Vor einigen Wochen haben wir wieder einmal eine Pressekonferenz zum derzeitigen Sachstand zur NTH gegeben. Alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die dort anwesend waren, haben sich höchst lobend über die letzten sechs Monate geäußert. Wer heute aufmerksam Zeitung liest, wird sehen, dass es überhaupt keine Kritik mehr zu diesem Thema gibt. Deshalb noch einmal: Wenn man Dinge verändern will, wenn man sie in die richtige Richtung bringen will, dann muss man auch einmal den Mut haben, bestimmte Risiken - und seien sie rechtlicher Natur - einzugehen, sonst wird man nichts bewirken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Ich wollte Sie nur darauf hinweisen, dass Sie jetzt mehr als das Doppelte der vorgesehenen Redezeit verbraucht haben.

Ich weiß. Ich bitte um Nachsicht.

(Heiner Bartling [SPD]: Die Nachsicht habe ich nicht!)

Aber Sie können verstehen, dass das Thema mich auch emotional ein wenig aufwühlt.