Protokoll der Sitzung vom 10.04.2008

Erste Beratung: China im Vorfeld der Olympischen Spiele - Demokratie und Menschenrechte nicht mit Füßen treten - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/74

Erste Beratung: Partnerschaften mit China brauchen Einsatz für

Menschenrechte - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/77

Erste Beratung: Situation der Menschenrechte in Tibet - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/79

Erste Beratung: China im Vorfeld der Olympischen Spiele - Demokratie und Menschenrechte nicht mit Füßen treten - Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/80

Vor dem Hintergrund des zuletzt genannten gemeinsamen Antrages von vier Fraktionen dieses Hauses gehe ich davon aus, dass die Antragsteller die Anträge in den Drucksachen 16/74 und 16/77 als erledigt betrachten. - Ich höre keinen Widerspruch.

Wir kommen zur Beratung der verbleibenden Anträge in den Drucksachen 16/79 und 16/80. Dazu liegt mir eine Wortmeldung von der Fraktion DIE LINKE vor. Ich erteile Herrn Dr. Sohn das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat eben in der Mittagspause dankenswerterweise noch einmal Versuche gegeben, die beiden Entschließungsanträge zusammenzuführen. Ich bedanke mich insbesondere bei Frau Helmhold für ihre Bemühungen. Es ist dann aber doch nicht zu einer Zusammenführung dieser Anträge gekommen, weil vonseiten der Regierungskoalition eine andere Mittagspausengestaltung präferiert wurde.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Ich saß die ganze Zeit in meinem Büro!)

Ich glaube, wir wären sonst doch noch zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen.

Ich möchte jetzt nur kurz schildern, wo kein Dissens besteht, und ebenso kurz schildern, wo gewisse Dissense noch bestehen, wobei wir unserer Auffassung nach einen Entschließungsantrag vorlegen, der dem Gesamttatbestand angemessener ist.

Es besteht kein Dissens in der Frage der Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen. Das sei hier aus meinem Munde an die Adresse von Herrn Althusmann noch einmal klar gesagt. In unserem Antrag wird wie folgt formuliert:

„In China werden Menschenrechte nachhaltig verletzt. Den Opfern gilt uneingeschränkte Solidarität, vor allem, wenn Menschen wegen ihrer politischen Meinungsäußerung eingesperrt worden sind. Politische Gefangene sind freizulassen. Religionsfreiheit muss einschränkungslos gewährt sein.“

Insofern besteht kein Dissens.

Was wir in Ihrem Entschließungsantrag vermissen, sind drei Punkte, die in unserem Entschließungsantrag enthalten sind. Erstens fehlt die Anerkennung, dass Tibet ein Bestandteil der Volksrepublik China ist und bleiben sollte. Es sollte also keinen Anlass zu der Vermutung geben, wir wollten Tibet dort herauslösen.

Zweitens fehlt die klare Aufforderung, die Olympischen Spiele politisch nicht zu instrumentalisieren und zu boykottieren.

Drittens fehlt die klare Aufforderung, die Verletzung von Menschenrechten nicht selektiv aufzugreifen, sondern sie überall dort in Gespräche einzubringen, wo Menschenrechtsverletzungen vorgenommen werden, also nicht nur in China, sondern eben auch in allen anderen Ländern, mit denen wir Partnerschaften aufrechterhalten.

Weil diese drei Punkte in unserem Entschließungsantrag enthalten sind, in Ihrem Antrag aber nicht, ist unser Antrag der bessere. Wir würden uns freuen, wenn Sie ihm zustimmen könnten.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Dr. Althusmann von der CDU-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Sohn, lassen Sie mich zunächst noch kurz auf den von Ihnen eingangs erhobenen kleinen Vorwurf eingehen. Es ist nicht wahr, dass Sie nicht ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt hätten, uns Ihre Änderungsvorschläge rechtzeitig

mitzuteilen. Wir haben seit gestern Nachmittag über Ihre Parlamentarische Geschäftsführerin versucht, an einer gemeinsamen Lösung zu stricken. Insofern bleiben Sie natürlich aufgefordert, am Ende unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. Im Wesentlichen finden sich nämlich auch Ihre Forderungen - allerdings nicht alle - in dem gemeinsamen Antrag von CDU, FDP, SPD und Grünen wieder. Insofern können Sie gewissermaßen sogar über Ihren Schatten springen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ereignisse in Tibet und die Reaktion der chinesischen Staatsführung darauf haben bereits vier Monate vor Beginn der Olympischen Spiele einen dunklen Schatten auf Olympia geworfen. Die Frage von Menschenrechtsverletzungen im internationalen Bereich liegt zwar in der Zuständigkeit der Bundesregierung oder aber der Europäischen Kommission. Gleichwohl betrachten wir hier im Niedersächsischen Landtag die aktuelle Entwicklung in Tibet mit großer Sorge. Die Menschenrechtssituation in China war jedoch schon vor dem gewaltsamen Vorgehen gegen die mehrtägigen Demonstrationen zum 49. Jahrestag des gescheiterten Aufstandes gegen die chinesische Herrschaft in Tibet - das ist nämlich der eigentliche Auslöser - aus unserer Sicht unbefriedigend und besorgniserregend.

Herr Sohn, ich möchte darauf hinweisen, dass Ihr gestriger Versuch, es so darzustellen, als seien die Tibeter am Vorgehen der Militärpolizei eigentlich selber schuld - - -

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das hat er nicht gesagt! - Reinhold Coenen [CDU]: Ungeheuerlich!)

- Sie haben das gestern zumindest zu relativieren versucht.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist nicht wahr!)

- Sie haben versucht, eine akademische Debatte darüber zu führen, ob es nicht richtig sein könnte, dass der Bericht, aus dem Sie vorgelesen haben, Anlass sein könnte, darüber nachzudenken, dass die Situation ganz anders entstanden sei.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wort- verdreher!)

Ich will Ihnen den Versuch der Verharmlosung ausdrücklich nicht unterstellen. Dies war aber ein sehr perfider Versuch, die Situation noch aus einem anderen Blickwinkel zu beleuchten. Das sei

Ihnen gestattet. Frau Flauger, eines gilt für CDU und FDP aber grundsätzlich: Recht im Unrecht kann es niemals geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Schutz von Minderheiten gehört zu den großen Herausforderungen, wenn es um die weltweite Durchsetzung von Menschenrechten geht. Jede Missachtung von Menschenrechten werden wir nicht widerspruchslos hinnehmen. Die Achtung der Menschenwürde, die Unverletzlichkeit sowie die Unteilbarkeit der Menschenrechte haben Verfassungsrang. Rechtsstaatliche Grundsätze wie Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Justiz, Minderheitenschutz, die freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit und Religionsfreiheit sind die wesentlichen Eckpfeiler für ein friedliches und demokratisches Zusammenleben.

Wir wissen, dass andere Staaten und andere Kulturen all diese unsere Werte nicht zwingend teilen. Wir dürfen aber nicht zurückweichen, wenn es darum geht, für unsere Überzeugung deutlich einzustehen. Die Proteste am Rande der Fackelläufe in London, Paris und auch in San Francisco sollten den Regierenden in Peking drastisch vor Augen geführt haben, dass die Weltgemeinschaft die Vorgänge in Tibet sehr genau beobachtet. Menschenrechtsverletzungen gegenüber kulturellen Minderheiten und Olympische Spiele, die über den Sportwettkampf hinaus der Völkerverständigung dienen und dienen sollen, sind ein Widerspruch an sich. In der besonderen Situation vor den Olympischen Spielen kann eine weitere Eskalation nicht im Interesse der chinesischen Regierung liegen. Wir wissen zwar nicht, was in den nächsten Monaten noch alles passiert; zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch erscheint mir persönlich und, wie ich denke, uns allen eine öffentliche Boykottandrohung oder ein öffentlicher Boykottaufruf wenig sinnvoll.

Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass Repräsentanten des Landes Niedersachsen weder geplant haben noch jetzt beabsichtigen, an der Eröffnungsfeier teilzunehmen. Das wird in unserem gemeinsamen Entschließungsantrag auch ausdrücklich hervorgehoben.

Ein Boykott der Olympischen Spiele würde auch niedersächsische Sportlerinnen und Sportler treffen und wäre sicherlich auch nur so etwas wie eine Ultima Ratio. Der bekannte Regimekritiker Xiaobo, der Präsident des unabhängigen PEN-Clubs in China, hat in der aktuellen Ausgabe des Spiegel,

der danach fragte, was passieren würde, wenn die Spiele boykottiert würden, geantwortet:

„Das wäre keine gute Methode, China zu bestrafen. Wenn die Spiele misslängen, bekäme das den Menschenrechten nicht gut. Dann würde die Regierung überhaupt nicht mehr aufs Ausland hören. Ich persönlich denke: Wir wollen die Spiele, und wir wollen noch mehr die Achtung der Menschenrechte.“

Unsere Hoffnungen ruhen jetzt vor allem auf der kritischen Berichterstattung tausender Journalisten im Umfeld der Spiele. Dabei haben wir schon eine klare Hoffnung, vielleicht auch Forderung: Die chinesischen Behörden müssen sicherstellen, dass während der gesamten Zeit der Olympischen Spiele eine ungehinderte und objektive Berichterstattung von allen Orten auch abseits der Sportstätten gewährleistet werden kann.

(Zustimmung bei der CDU)

Das schließt im Übrigen die Möglichkeit ein, meine Damen und Herren, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Olympiade ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen können, ohne gegen die Olympische Charta zu verstoßen. In dieser Frage gibt es sowohl unter den Sportlern als auch den Sportfunktionären auf olympischer Ebene tatsächlich noch etwas Unsicherheit.

Meine Damen und Herren, man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Das heißt: Wir müssen das fortsetzen, was die Bundesregierung - insbesondere unsere Bundeskanzlerin - in den letzten Monaten getan hat, nämlich einerseits Verständnis für die Öffnungspolitik in den letzten 30 Jahren in China zu zeigen und festzustellen, dass es dort positive Entwicklungen gegeben hat. Wir dürfen andererseits aber auch nichts schönreden, bagatellisieren oder verharmlosen, wenn es um die Frage der Menschenrechte und der kulturellen Autonomie geht. Das hat die Bundeskanzlerin ja u. a. mit dem Empfang des Dalai Lama in Berlin deutlich gemacht. Das hat auch unser Ministerpräsident auf seinen Reisen in China so gehalten. Er wird in diesem Jahr eine weitere Reise u. a. nach China unternehmen. Auch der Landtag hat dies gestern hier erneut bekräftigt.

Das Land Niedersachsen unterhält vielfältigste Beziehungen zur Volksrepublik China. Deshalb geht dieses Thema auch dieses Parlament in besonderer Weise etwas an. Deshalb stimmen wir

heute über einen entsprechenden Entschließungsantrag ab. Ich fordere alle Fraktionen auf, diesem Antrag am Ende sofort zuzustimmen. Meiner Meinung nach können wir nach den intensiven Vorbereitungen zwischen allen vier Fraktionen und der sehr kurzfristigen Einbindung letztendlich auch der fünften Fraktion sofort abstimmen.

Es gibt kommunale Kontakte wie die Städtepartnerschaft Osnabrück/Hefei, die Hafenpartnerschaft Wilhelmshaven/Qingdao oder die 2007 gestartete China-Initiative der Stadt Oldenburg. Der Niedersächsische Landtag unterhält Partnerschaften mit dem Ständigen Ausschuss des Volkskongresses der Provinzen Anhui und Jilin. Die Partnerschaft zwischen Niedersachsen und der chinesischen Provinz Anhui war 1984 im Übrigen die erste Partnerschaft eines deutschen Landes mit einer chinesischen Provinz. 1995 ist diese Partnerschaft nochmals bekräftigt worden.

Ein weiterer Meilenstein war - ich erwähnte es schon gestern - das Abkommen zum Austausch von Studierenden und Lehrkräften sowie zur Verbesserung der Sprachausbildung an Anhuis Hochschulen.