Die Unterrichtung an jenem Tag führe ich tatsächlich darauf zurück, dass es unmittelbar vor der Landtagswahl eine Berichterstattung über den Strafvollzug in Niedersachen - insbesondere über die Behandlung der Post von Untersuchungshäftlingen - gegeben hat. In jenen Tagen hatte ich angesichts der breiten Berichterstattung in den Medien den Wunsch, über die Regeln bezüglich des Postverkehrs informiert zu werden. Ich habe von der zuständigen Ministerin per E-Mail einen Vermerk über die besagten 54 oder 56 Fälle mit Verdunklungsgefahr, die es in ganz Niedersachsen gab, bekommen. Es gab diese Probleme aufgrund des neuen Strafvollzugsgesetzes. In diesem Zusammenhang vertrat das Justizministerium wohl die Meinung, dass man auch diesen Fall in Salinenmoor selbstverständlich nicht melden müsste, dem Ministerpräsidenten gleichwohl aber mitteilen sollte, falls dieser Fall kurzfristig dazu genutzt werden sollte, ihn zu skandalisieren, falsch darzustellen und mich damit zu konfrontieren. So war vermutlich die Überlegung im Justizministerium.
Ich persönlich bin sehr dankbar dafür, dass ich in diesen Tagen über möglichst vieles - von Boehringer bis hin zu Steinkohlekraftwerken und vielem anderen mehr - informiert werde. Sie wissen ja aus Untersuchungsausschüssen, dass häufig gefeiert wurde, wenn Regierungschefs gesagt haben, dass sie sich keine Vermerke vorlegen ließen, dass sie Vermerke hassten und keine Vermerke läsen. Ich habe dies alles wahrgenommen.
liebe Vermerke in dem Sinn, dass man durch sie über viele Dinge umfassend informiert ist. Man kann dann besser mitreden und besser entscheiden. Für die Qualität unseres Regierungshandelns ist es außerordentlich wertvoll, dass ich mich unterrichten lasse, sodass ich mich hinterher nicht herausreden kann mit dem Hinweis darauf, dass ich nur fernmündlich oder mündlich unterrichtet worden bin. Aus einigen Jahren der Regierungsverantwortung meiner Vorgänger lassen sich zu vielen Vorgängen gar keine Vermerke mehr finden. Es hieß immer, der ehemalige Ministerpräsident Schröder habe sich stets nur mündlich vortragen lassen. Ich glaube, der Erfolg der von mir geführten Landesregierung ist auch darin begründet, dass wir uns über viele Dinge schriftlich unterrichten lassen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, wie sie sich den Widerspruch erklärt, dass die HAZ am 26. März eine umfassende und informative Zeitleiste vorlegen konnte, der Ausschuss und der Landtag darüber aber nicht informiert waren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir sicherlich einige Tage Berichterstattung ersparen können, wenn der Vermerk sogleich herausgegeben worden wäre; denn der Vermerk klärt die Sachverhalte ja völlig auf.
Wir müssen uns natürlich Gedanken darüber machen, dass wir zwei Dinge zu berücksichtigen haben: zum einen den Respekt vor dem Parlament.
- Das gilt immer. Der Respekt vor dem Parlament ist etwas Entscheidendes für die parlamentarische Demokratie; denn meine Macht ist von Ihnen abgeleitet. Deshalb ist der Landtagspräsident und nicht der Ministerpräsident der erste Mann im Staat. Ich bin durch das Parlament nur auf Zeit gewählt. Sie sind vom Volk gewählt. Deshalb haben wir großen Respekt vor Ihnen und dem Parlament. Dem Parlament gegenüber sind wir in erster Linie auskunftspflichtig.
Darüber, was an das Parlament herausgegeben werden kann, muss in der Regel das Kabinett entscheiden. Natürlich hätte ich, wenn ich im Lande gewesen wäre und mich nicht im Urlaub befunden hätte, das Einverständnis der beteiligten Minister und Ministerien schnell herbeiführen können. Wir hätten die Öffentlichkeit dann sofort informieren können, unter Umständen auch unter Inkaufnahme einer gleichzeitigen Unterrichtung des Parlaments. Wir wollten aber erst den Ausschuss informieren. Deshalb haben wir an dem betreffenden Dienstag im Kabinett entschieden, am Mittwoch den Ausschuss zu informieren. Am Mittwoch ist der Ausschuss schließlich informiert worden. Daraufhin ist die Presse informiert worden, sodass es dann in den Zeitungen gestanden hat.
Sie haben darauf hingewiesen, dass eine Zeitung schon am Tag der Ausschusssitzung berichtet habe. Uns ist unerklärlich, wie dieser Vermerk an die betreffende Zeitung gelangt ist. Leider kommt es gelegentlich vor, dass bei einer solch großen Verwaltung vieles auch einmal nach draußen gelangt. Das soll aber nicht sein. Deshalb bitte ich um Vergebung. Käme nämlich jeder Vermerk sogleich an das Parlament und die Öffentlichkeit, würden die Vermerke anders abgefasst. Das führte dann hin zu Potemkinschen Dörfern. Wenn alles und jedes sofort in der Öffentlichkeit skandalisiert werden könnte, würde man über bestimmte Dinge gar nicht mehr so informiert, wie man bisher informiert worden ist.
Wir sind darauf angewiesen, dass wir über sehr kritische Sachverhalte, über sehr kritische Situationen und auch über sehr komplizierte zu erwartende Ereignisse umfassend informiert werden. In den Vermerken, die ich bekomme, steht manchmal z. B., dass es irgendwo ein Versäumnis gegeben hat. Ich hoffe dann immer, dass wir dieses Versäumnis abstellen können, bevor Sie bemerken, dass es irgendwo ein Versäumnis gegeben hat. In
einem Land mit 180 000 Verwaltungsmitarbeitern und 8 Millionen Einwohnern ist Krisenbewältigung ständig gefragt. Zum Glück können wir diese Krisen erfolgreich bewältigen, ohne dass Sie immer erst den Eindruck erwecken müssen, dass es Ihrer bedurft hätte, um die Probleme in den Griff zu bekommen.
Eine weitere Zusatzfrage stellt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Herr Kollege Wenzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Wulff, angesichts der zugespitzten Debatte über Jugendkriminalität und Justizvollzug in den Wochen vor der Wahl gab es natürlich eine ganz besondere Brisanz, wenn in dieser Situation Fehler im Justizvollzug einer CDU-geführten Landesregierung auftauchten. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, ob es nicht ganz offensichtlich eine sehr bewusste Entscheidung Ihrer Justizministerin gewesen ist, hierüber zwar den zweiten Mann im Staate zu informieren, aber nicht den ersten Mann im Staate und damit zugleich den Landtag zu informieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fall, um den es hier geht und der jetzt von den Gerichten zu klären ist, soll sich in der Nacht vom 19. auf den 20. Januar 2008 zugetragen haben. Der Betroffene, das mutmaßliche Opfer, hat sich nicht selbst in den Tagen danach erklärt, sondern es hat dann erst wohl Auffälligkeiten gegeben. Daraufhin ist er verlegt worden, und dann hat er sich den Mitgefangenen in der anderen Zelle offenbart. Er war vorher offenkundig auf eigenen Wunsch mit den Mitgefangenen, die mutmaßliche Täter sind, untergebracht. Dann ist das Justizministerium informiert worden. Das hat die Polizei und die Staatsanwaltschaft informiert, und die Untersuchung wurde in Auftrag gegeben.
In dem Vermerk, den ich in dieser Angelegenheit bekam, hieß es nicht nur, dass es sich um einen unaufgeklärten Sachverhalt handelt und dass die
Ermittlungen andauern, sondern auch, dass erst noch eine rechtsmedizinische Untersuchung des Betroffenen durchgeführt wird.
Die Justizministerin hat - wie wir heute wissen -, nachdem sich die Erkenntnisse verdichteten, umgehend das Parlament informiert. Die zeitliche Abfolge ist interessant: Es hat sich am 19. Januar zugetragen. Der Betroffene, das mutmaßliche Opfer, hat drei Tage gebraucht, bis er das gemeldet hat. Die Ministerin hat nur wenige Stunden gebraucht, um das Notwendige zu veranlassen. Dann haben wir das Parlament informiert. Das Parlament - die Frage ist hier überhaupt nicht thematisiert worden - hat am 6. Februar die Informationen bekommen, und bis zum 20. März ist überhaupt nichts passiert. Was dann seitens der Ausschussmitglieder passiert ist, wäre auch noch einmal im Parlament zu besprechen. Auf jeden Fall hat die Regierung völlig korrekt, angemessen und ordnungsgemäß gehandelt. Bei der Justizverwaltung ist alles in besten Händen. Es gibt in diesem Zusammenhang überhaupt keinen Fehler bei irgendjemandem; vielmehr machen die Bediensteten der Justizvollzugsanstalten in unserem Land einen exzellenten Job; es sind großartige Leute.
Es ist eben eine definitorische Frage. Die heutigen Justizvollzugsanstalten hießen früher Strafanstalten. Dort befinden sich Straftäter. Dort, wo mit den Bediensteten zusammen nur Straftäter sind, passieren mehr Straftaten als andernorts. Deswegen unterrichten wir ständig über Hunderte von Fällen - wie Sie gehört haben - das Parlament und den Ausschuss. Das geschieht aber erst dann, wenn sich die Ermittlungen verdichtet haben. Wir können nicht jede Behauptung eines Gefangenen zu jedem Zeitpunkt breit streuen, weil wir dann auch diesem Gefangenen eine Rolle einräumen würden, die vor Abklärung durch Gespräche mit den Bediensteten und der Untersuchung durch Rechtsmediziner zu einer unangemessenen Wirkung führen würde.
Hier ist also alles korrekt gelaufen. Es ist alles richtig und exzellent gemacht worden. Die Frage, wo die anderen Verzögerungen liegen, geht mich nichts an; das ist nicht Sache der Regierung. Aber bei uns ist alles hervorragend bearbeitet worden, wie sich überhaupt im Justizvollzug die Dinge wesentlich verbessert haben.
Es gibt wesentlich mehr Einzelbelegungen und wesentlich weniger Mehrfachbelegungen. Es gibt so gut wie keine Entweichungen mehr.
Gucken Sie sich einmal die Statistik an! Da kann man nur sagen: Wir haben die Dinge in Ordnung gebracht, die zu Ihren Zeiten in Unordnung waren.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ist doch albern! - Heiner Bartling [SPD]: Wir sind immer noch im Land des Lä- chelns! Das ist doch schön!)
Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Krogmann von der SPD-Fraktion. Ich weise darauf hin, dass das dann die vierte und damit auch letzte Möglichkeit für die SPD ist, hier eine Zusatzfrage zu stellen.
(Hans-Dieter Haase [SPD]: Eigentlich haben wir noch gar nicht angefangen! - Gegenruf von Heinz Rolfes [CDU]: Herr Haase, Sie haben da besondere Probleme!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wulff, niemand bestreitet, dass in Ihrem Hause verwaltungstechnisch korrekt gearbeitet worden ist. Das ist aber überhaupt nicht die Frage, sondern es geht um die Informationspolitik. Dazu frage ich: Gab es im Wahlkampf möglicherweise eine Sonderregelung zwischen Ihrem Hause und dem Justizministerium, wie in solchen Fällen zu verfahren ist? - Das würde ich gerne wissen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege, es gibt eine einzige Sonderregelung, die alle Wahlkämpfe in Niedersachsen betrifft, nämlich dass zwischen Regierungsarbeit und Wahlkampfarbeit strikt zu trennen ist.
Sie können das daran merken, dass diese Regierung beispielsweise auf Anzeigen und ähnliche Dinge verzichtet, die den Steuerzahler Geld kosten, und dass wir auch ansonsten akribisch trennen, ob es sich um Briefmarken für wahlkampfbezogene, parteipolitische Zwecke oder um Porto für andere Dinge handelt.
Darauf achten wir sehr genau bei der Frage der Dienstwagen und anderen Dingen, wobei wir auch Konsequenzen aus Fehlern von Vorgängerregierungen gezogen haben, bei denen das miteinander vermengt wurde. Wir achten auf strikte Trennung.
Das ist nicht immer ganz einfach. Sie dürfen mich natürlich nicht zur Schizophrenie zwingen. Natürlich ist man Ministerpräsident und Spitzenkandidat in einer Person, so wie Herr Jüttner damals Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzender in einer Person war. Ich hielte es, wenn ich mir Ihre Fragen anschaue, die Sie hier eingereicht haben, für ziemlich absurd, die Behauptung zu erheben, dass jeder Vermerk zu einem landespolitischen Thema, den Herr Jüttner in den letzten Wochen des Wahlkampfes bekommen hat, auch der Öffentlichkeit und mir hätte zugänglich gemacht werden müssen, weil auch die Fraktionsmitarbeiter von Herrn Jüttner vom Steuerzahler bezahlt werden. Natürlich gibt es Vermerke, die die Mitarbeiter von Herrn Jüttner auf Steuerzahlerkosten für Herrn Jüttner machen, und es gibt Vermerke, die von der Landesverwaltung unabhängig vom Wahlkampf für mich als Ministerpräsident gemacht werden. Herr Jüttner, wenn Sie bei sich angeordnet haben, dass Sie in den Wochen des Wahlkampfes keine Vermerke haben wollten, weil Sie dieser Gefahr entgehen wollten, dann kann ich nur sagen: So erklärt sich für manchen auch das Wahlergebnis ein bisschen.