Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Herr Watermann möchte erwidern. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Böhlke, wenn man über Leistungsbezüge redet, sollte man die Systematik von Gesetzgebung und Leistungsbezügen schon kennen. Sie wollen eine Abkehr von dem, was man damals miteinander verabredet hat. Das kann man sicherlich prüfen. Aber ich finde, damit schlagen Sie bereits den falschen Weg ein.

Ich sage es Ihnen noch einmal: Regelleistungen sind keine Maßnahmen des Kinder- und Jugendschutzes, sondern Maßnahmen, die sehr separiert zu vollziehen sind. Schließlich werden Kinder und Jugendliche nicht nur in Familien mit Leistungsbezug gefährdet, sondern an vielen Ecken, insbesondere auch in Familien mit höherem Einkommen.

Weil diese Aspekte systematisch nicht zusammengehören, sollten Sie sie auch voneinander trennen. Gehen Sie also noch einmal in sich, und überlegen Sie sich, ob Sie diesen Weg wirklich einschlagen wollen!

Zu dem Kollegen Humke-Focks sage ich: Wer nicht weiß, wie es vorher war, wird das in der Tat nicht wissen. Vorher gab es auch juristische Auseinandersetzungen in der Sozialhilfe. Dort waren die Menschen viel schlechter gestellt. Aber um diese Menschen haben Sie sich nie gekümmert.

(Beifall bei der SPD - Kreszentia Flauger [LINKE]: Quatsch!)

Meine Damen und Herren, jetzt hat sich Frau Ministerin Ross-Luttmann zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute Mittag haben wir in großer Einigkeit die Aufnahme von Kinderrechten in die Niedersächsische Verfassung beschlossen. Mit dem Verfassungszusatz haben wir das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Achtung ihrer Würde besonders hervorgehoben.

(Beifall bei der CDU)

Damit, meine Damen und Herren, ist für mich die Verpflichtung verbunden, Kinderarmut zu bekämpfen und zu Chancengleichheit beizutragen.

Armut von Kindern ist immer auch Armut von Eltern. Es ist aber zu kurz gegriffen, Armut ausschließlich finanziell zu verstehen. Wer heute von Armut in Deutschland spricht, meint damit auch Bildungsarmut, Chancenarmut, kulturelle Armut und Beziehungsarmut.

Im September letzten Jahres haben wir intensiv über das Thema Kinderarmut diskutiert. Kinder brauchen gleiche Lebens- und Verwirklichungschancen. Mit den Kirchen, Kommunen, dem Kinderschutzbund, Wohlfahrts- und Familienverbänden, Gewerkschaften und Unternehmerverbänden hat die Landesregierung im vergangenen Herbst das Bündnis für alle Kinder geschlossen. Die vielfältigen einzelnen Initiativen sollten besser miteinander verknüpft werden, damit eine konkrete Hilfe noch wirkungsvoller greifen kann. Mit unserer Landesstiftung „Familie in Not“ helfen wir seit 30 Jahren vorrangig Familien, Alleinerziehenden und Schwangeren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in diesem Zeitraum mehr als 10 000 Familien helfen können.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben diesen Familien wieder eine Zukunftsperspektive gegeben, und zwar mit sehr konkreten Hilfen, die ganz genau bei denen ankommt, um die es uns heute hier geht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sehr geehrte Frau Helmhold, im Herbst letzten Jahres haben wir die Stiftung mit zusätzlichen Mitteln in Höhe von 250 000 Euro ausgestattet, um Kindern aus benachteiligten Familien unter dem Motto „Dabei sein!“ die Teilnahme an außerschulischen Bildungsmaßnahmen oder Freizeitaktivitäten zu ermöglichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann lange darüber reden, ob das Bisherige genug ist oder ob wir mehr brauchen. Mir geht es aber erst einmal darum, anzufangen, positive Signale zu setzen und zu sagen: Wir kümmern uns um die Kinder, die ansonsten, auch wenn sich ihre Eltern noch so anstrengen, kaum Möglichkeiten haben, in Musikschulen zu gehen, an Sportveranstaltungen teilzunehmen oder an schulischen Ausflügen teilzunehmen. Dieser Fonds ist von Erfolg gekrönt

gewesen. Bisher konnte Kindern in rund 1 400 Fällen direkt und unbürokratisch geholfen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Arbeitslosigkeit ist, wie wir alle wissen, immer mit einem erhöhten Armutsrisiko verbunden. Deshalb ist Arbeit neben Bildung der entscheidende Schlüssel zur Verhinderung von Armut.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU] und von Gesine Meißner [FDP])

Deshalb schaffen wir besonders für Familien und für Alleinerziehende Rahmenbedingungen, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich machen, wie wir es mit den Partnern der Qualifizierungsoffensive Niedersachsen im vergangenen Monat verabredet haben. Im Rahmen des Landesprogramms „Familien mit Zukunft“ stellt die Landesregierung bis 2010 100 Millionen Euro zur Verfügung.

(Björn Thümler [CDU]: Hört, hört!)

Ein familienpolitisches Programm, meine Damen und Herren, in dieser Größenordnung hat es bisher in Niedersachsen nicht gegeben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Dieses Landesprogramm hat Erfolgsgeschichte geschrieben. Wir haben ein Netz von mittlerweile 280 Familien- und Kinderservicebüros in den niedersächsischen Kommunen. Diese Familien- und Kinderservicebüros geben den Familien Rückhalt und Hilfestellung bei der Bewältigung des Alltags. Sie organisieren bedarfsgerechte Kinderbetreuung. Sie kümmern sich um Aus- und Weiterbildung von Tagesmüttern und sind Wegweiser zu Hilfsangeboten. Über 6 100 Kinder unter drei Jahren werden in Niedersachsen inzwischen von qualifizierten Tagespflegepersonen betreut.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben auch über die Berichterstattung gesprochen. Wir haben mit dem Projekt der handlungsorientierten Sozialberichterstattung einen Ansatz entwickelt, um zugunsten von Kindern, deren Entwicklungschancen in besonderem Maße beeinträchtigt sind, ganz konkret Unterstützungsstrukturen und gezielte Maßnahmen initiieren zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde auch von unserer Bundesratsinitiative gesprochen. Sie war gut, wichtig und richtig.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Sie ist nicht geglückt!)

- Liebe Frau Helmhold, man macht es sich zu einfach, wenn man hier nur sagt: Dann bringt einen Gesetzentwurf in den Bundesrat ein.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das wäre die einzige Möglichkeit!)

So einfach können wir es uns nicht machen. Es geht nicht darum, irgendwelche prozentualen Abschläge zu entwickeln, sondern es geht darum, fachlich zu prüfen, wie kinderspezifische Bedarfe konkret aussehen. Dabei ist der Bund schon ein ganzes Stück weiter. Denn zum einen werden sich im August dieses Jahres die Vertreter der obersten Landesbehörden, also die Länder, Bundesarbeitsminister Scholz und Vertreter vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge zwei Tage lang mit dieser Thematik auseinandersetzen.

Zum anderen hat die Bundesratsinitiative schon erste Erfolge gezeitigt, und zwar sind die Regelsätze für Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren von 60 % auf 70 % des Eckregelsatzes angehoben worden. Damit haben Kinder und ihre Familien ab dem 1. Juli dieses Jahres immerhin monatlich 36 Euro mehr zur Verfügung. Das ist ein erster Schritt.

Auch die Einführung des sogenannten Schulbedarfspaketes in Höhe von jährlich 100 Euro ist auf eine Forderung der Bundesländer zurückzuführen. Das ist ein zweiter Schritt.

Der dritte Schritt ist das Gesetzgebungsverfahren zur Erweiterung auch auf die Klassenstufen 11 bis 13 und auf Teile der berufsbildenden Schulen, das auf Bundesebene läuft.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ha- ben wir auch gefordert, ja!)

Ein weiteres wichtiges Etappenziel ist damit in Sichtweite.

Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben schon eine Menge erreicht, aber wir müssen auch eine Menge dafür tun - und ich bin Herrn Watermann für sein energisches Eintreten in diesem Zusammenhang immer wieder dankbar. Wir müssen die Bedarfe ermitteln, um den kinderspezifischen Bedürfnissen tatsächlich Rechnung zu tragen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Dann hätten Sie nur unseren Anträgen zu- stimmen müssen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bekämpfung und Verhinderung von Kinderarmut ist eine vielschichtige Aufgabe, die wir nur gesamtgesellschaftlich und nur mit vereinten Kräften bewältigen können. Wir, und damit meine ich die gesamte Landesregierung, nehmen unsere Verantwortung sehr ernst.

(Uwe Schwarz [SPD]: Es sind nur zwei andere da!)

Gemeinsam mit vielen Akteuren sind wir auf einem guten Weg. Wir werden bewährte Maßnahmen fortführen und neue Ansätze entwickeln.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, muss ich noch etwas berichtigen: Die Überschrift des Antrags unter Punkt 23 der Tagesordnung enthält einen Fehler.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das war mir doch schon lange aufgefallen!)

Ich habe sie auch fehlerhaft vorgelesen. Es muss „Bundesratsentschließungen“ anstelle von „Bundesratsentscheidungen“ heißen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/429 in geänderter Fassung annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - So ist mehrheitlich beschlossen worden.

(Zustimmung von Norbert Böhlke [CDU])

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 24: