Die Situation in Niedersachsen und auch bundesweit ist sehr dringlich. Bis zum Frühjahr dieses Jahres galt noch ein bundesweiter Abschiebungsstopp für Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und dem jetzt unabhängigen Staat Kosovo. Dieser Abschiebungsstopp betraf insbesondere die Roma.
Wir haben in unserem Antrag deutlich gemacht, dass die Lage im Kosovo derzeit noch sehr instabil ist - um das einmal vorsichtig auszudrücken -, und zwar sowohl sozial als auch ethnisch. Das sagt auch der EU-Menschrechtskommissar Thomas Hammarberg, der vor Kurzem noch im Kosovo war.
Auch der damalige UN-Sonderbeauftragte Sørensen hat sich in einem Bericht zur Lage der Roma geäußert. Ich möchte ihn gerne zitieren. Er hat sich in englischer Sprache geäußert; ich hoffe, Sie können mir folgen.
„We are facing in those three camps one of the most serious humanitarian problems in the entire region of the Western Balkans. The living conditions experienced by the Roma families in those camps are an affront to human dignity.”
Im Kosovo - Frau Zimmermann hat es erwähnt - leben die Roma, ähnlich wie die Serben, in Enklaven. Das Camp Osterode ist genannt worden. Ich selbst war im Jahr 2006 mit meiner geschätzten Kollegin Georgia Langhans dort. Ich gebe Ihnen gleich noch den Reisebericht. Der Reisebericht ist aus dem Jahr 2006, aber - ähnlich wie die Äußerungen des Innenministers noch in diesem oder letzten Jahr - die prekäre Lage der Roma hat sich nicht geändert.
Wie gesagt, der EU-Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg spricht von einer humanitären Katastrophe, wenn massenhaft Romafamilien - insbesondere Romafamilien, die seit über 10 Jahren, zum Teil 20 Jahren hier leben - abgeschoben werden. Davon sind vor allem auch die vielen Kinder betroffen, die hier geboren sind.
Ich hoffe, dass wir im Innenausschuss und vielleicht auch in der Integrationskommission darüber sprechen können - auch wenn es dann wieder heißt: das sind zielstaatenbezogene Gründe, das muss das BAMF abprüfen -, wie auch die niedersächsischen Landtagsabgeordneten, die in ihren
Wahlkreisen aktiv sind und mit vielen Romafamilien konfrontiert sind - im Landkreis Emsland und im Landkreis Göttingen beispielsweise leben viele Romafamilien -, damit umgehen, wenn diese Menschen, die Teil unserer Gemeinde geworden sind, abgeschoben werden.
Wir fordern deshalb dringend, eben weil die Lage so prekär ist, dass der Innenminister ein Beispiel gibt und sich dafür einsetzt, dass auf der IMK ein sofortiger Abschiebestopp beschlossen wird. Dieser Abschiebestopp, den es bis April bzw. Mai gegeben hat, soll wieder in Kraft treten.
Zweitens fordern wir eine umfassende Klärung, wie diese Menschen einen gesicherten Aufenthaltsstatus bekommen können und endlich aus dieser prekären Situation der Duldung, also der Aussetzung der Abschiebung, herauskommen.
Wir alle wissen, dass die Bleiberechtsregelung insbesondere für diese Gruppe völlig nutzlos war, weil es sich bei den Roma oft um Familien mit mehreren Kindern handelt, die an der hohen Hürde der notwendigen Sicherung des Lebensunterhalts scheitern.
Von daher brauchen wir eine Bleiberechtsregelung, die über den 31. Dezember 2009 hinaus gültig ist, und vor allem eine Sozialklausel. Das haben auch die Deutsche Bischofskonferenz, die Caritas und die Diakonie gefordert, das fordern eigentlich alle Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie die Kirchen. Auch alle Fraktionen im Bundestag fordern das, mit Ausnahme der CDU/CSUFraktion. Darüber würde ich mir an Ihrer Stelle einmal Gedanken machen, meine Damen und Herren.
Ich möchte noch einen letzten Punkt erwähnen: Ich finde die Situation zutiefst absurd und ehrlich gesagt auch fragwürdig - das sage ich auch als Europapolitikerin -: Die Europäische Union hat den Kosovo 2006 zum einen mit 60 Millionen Euro Heranführungshilfe unterstützt und zum anderen eine makroökonomische Unterstützung in Höhe von 60 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Da macht man auf der einen Seite außenpolitisch etwas Richtiges, man unterstützt einen jungen Staat, und auf der anderen Seite trifft man eine verheerende innenpolitische Entscheidung und überfordert diesen jungen Staat mit einer sozialen Katastrophe, die sich daraus ergibt, dass man
Machen Sie sich in den Ausschussberatungen Gedanken darüber, ob nicht auch wir im Land Niedersachsen dafür eine Verantwortung haben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Monaten leben viele Romafamilien in Niedersachsen in der Sorge, dass Innenminister Schünemann das Rücknahmeabkommen zwischen Deutschland und der kosovarischen Regierung vom Frühjahr 2009 extensiv auslegt und Abschiebungen von Romaflüchtlingen vorbereitet. Verschiedentlich ist das bereits geschehen, wie der Fall Gashi beweist.
Zehn Jahre nach Ende des Krieges im Kosovo sind die Lebensbedingungen für Roma und die ihnen zugerechneten Ashkali und Ägypter nach wie vor katastrophal. Armut und Diskriminierung bestimmen den dortigen Alltag. Dennoch werden die Abschiebungen vorbereitet und auch durchgeführt - wie hier in Niedersachsen. Dagegen wehren wir uns, meine Damen und Herren.
Wie ein Bericht, aus dem meine Kolleginnen vorhin schon zitiert haben, von Amnesty International zeigt, sind Roma im Kosovo vom regulären Arbeitsmarkt faktisch ausgeschlossen. Viele von ihnen müssen mit weniger als einem US-Dollar am Tag auskommen. Mangelnde Bildungschancen wiederum halten den Kreislauf der Armut aufrecht. Hinzu kommt der Ausschluss der Roma vom sozialen Sicherungssystem und von ärztlicher Behandlung. In den Romalagern herrschen menschenunwürdige Zustände. Die beiden bekannten Lager in Mitrovica liegen auf den Abraumhalden einer Bleimine. Die Kinder dort haben alarmierende Blutwerte. Die Nato hat ihre Soldaten deshalb von dort abgezogen, Herr Schünemann.
Der vom unabhängigen Kosovo zugesicherte Minderheitenschutz gilt bisher nur auf dem Papier. Mit der Umsetzung der Aktionspläne zur Integration von Roma sowie zur Wiedereingliederung von Rückkehrern ist noch nicht begonnen worden.
Meine Damen und Herren, ein neuer Bericht des Menschenrechtskommissars Hammarberg hebt die anhaltende Diskriminierung der Roma, Ashkali und Ägypter hervor. Die allgemeine Sicherheitslage für diese drei Gemeinschaften im Kosovo, die wirtschaftliche und soziale Lage seien die wesentlichen Hindernisse für eine dauerhafte Rückkehr der Flüchtlinge. Der Kommissar fordert die europäischen Staaten daher ausdrücklich auf, von Abschiebungen abzusehen und den Flüchtlingen ein Bleiberecht zu garantieren, bis sich die Lage im Kosovo verbessert hat. Er weiß nur zu gut, warum er das so eindringlich fordert, Herr Schünemann.
(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Minister Uwe Schünemann un- terhält sich an der Regierungsbank)
Die Situation im Kosovo ist gefährlich und politisch extrem unsicher, vor allem für Angehörige von Minderheiten. Herr Minister, hören Sie endlich damit auf, Menschen in Länder abzuschieben, in die eine Rückkehr in Sicherheit und Würde unmöglich ist!
Hören Sie auf, diese Menschen in den Kosovo zurückzuschicken! Gewähren Sie ihnen weiterhin Schutz! Stoppen Sie endlich die Abschiebungen in den Kosovo!
Wir müssten uns über dieses Thema nicht unterhalten, wenn wir zu einer weniger restriktiven Anwendung der Bleiberechtsregelung kämen. Die SPD-Fraktion im Landtag hat sich immer wieder für eine Bleiberechtsregelung eingesetzt, die diesen Namen auch verdient, und zwar ohne einen Stichtag einzusetzen. Mein Kollege Bachmann hat in
Auch für die Kosovo-Roma gilt: Wir wollen die Berücksichtigung humanitärer Gesichtspunkte im Rahmen einer Sozialklausel. Ein langfristiger Aufenthalt der Betroffenen ohne Status, das Erreichen eines hohen Integrationsgrades, die Situation in Deutschland geborener und sozialisierter Kinder müssen berücksichtigt werden. Eine Trennung von Familien lehnen wir ab, ebenso die Sippenhaft in den Entscheidungen der Ausländerbehörde.
Wir wollen auch ergänzende Sozialleistungen akzeptieren, wenn Kinder der Grund dieser Zahlungen sind. Frau Polat hat eben auf den Kinderreichtum vieler Familien hingewiesen, der es schwierig macht, ein auskömmliches Einkommen zu erwirtschaften.
Selbstverständlich gehört es auch dazu, traumatisierte, ältere und kranke Menschen vor der Abschiebung zu bewahren.
Meine Damen und Herren, der Wunsch, Sozialkosten zu sparen, darf nicht ständig gegen den Schutz der Menschenwürde ausgespielt werden. Wir meinen, die Achtung der Menschenwürde muss an erster Stelle rangieren.
Auch heute fordern wir den Innenminister auf, sich für eine kurzfristige Nachbesserung der Bleiberechtsregelung einzusetzen. Insbesondere muss der Zeitraum der Altfallregelung deutlich verlängert werden. Erst bei der Innenministerkonferenz Anfang Juni hat die SPD gegen das Votum der CDUgeführten Länder ein einfacheres Bleiberecht verlangt.
Herr Schünemann, Ihr Kollege Bode von der FDP drängt wie wir auf eine Verlängerung des Bleiberechts in Zeiten der Wirtschaftskrise. Das hat er presseöffentlich so geäußert. Das fordern übrigens auch die beiden großen christlichen Kirchen und eine Reihe von Verbänden und Organisationen, auf die Frau Polat bereits verwiesen hat. Bei den Betroffenen sind somit auch Hoffnungen geweckt worden, die Sie nicht enttäuschen dürfen, Herr Bode. Ich hoffe, Ihren Worten folgen auch Taten, damit am Ende nicht der Eindruck bleibt, Bode handelt doppelbödig.
Die Romaflüchtlinge in Niedersachsen brauchen eine umfassende und konstruktive Lösung für einen sicheren Aufenthalt hier nach langen Jahren der Duldung. Sie brauchen konkrete Maßnahmen zur sozialen und auch zur beruflichen Integration.
Herr Minister Schünemann, führen Sie einen Dialog mit den Organisationen der Roma in Niedersachsen, und ergreifen Sie Maßnahmen, damit diese Menschen hier in Sicherheit und Würde leben können! Wir halten es für ein zwingendes Gebot der Humanität, den aus dem Kosovo geflüchteten Angehörigen der Roma einen sicheren Aufenthalt in Niedersachsen zu gewähren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit April 2009 gilt eine Absprache zwischen dem Kosovo und Deutschland, sodass nun auch die Roma in den Kosovo zurückkehren können. Die kosovarische Regierung möchte im Zuge des Aufbaus des Landes wieder multi-religiös und multi-ethnisch werden. Das bedeutet, dass die ausreisepflichtigen und die nicht von der Bleiberechtsregelung begünstigten Roma zurückgeführt werden sollen. Das bedeutet aber nicht, dass nun eine übereilte und massenhafte Abschiebung in den Kosovo stattfindet. Vielmehr werden die Roma Zug um Zug zurückgeführt.
Die Rückführung wird über zwei zentrale Ausländerbehörden hier in Deutschland, in Bielefeld und in Karlsruhe, gesteuert. Diese gesteuerte Rückführung führt auch dazu, dass die Eingliederung der Roma dort verbessert wird.